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Egbert Baqué Contemporary Art

Malerei / Paintings

Yago Hortal




In ›pintura‹ veritas

Es geht um keine Lehre bei einem Kunstwerk. Bilder, die deutbar sind und die Sinn enthalten, sind schlechte Bilder. Ein Bild stellt sich dar als das Unübersichtliche, Unlogische, Unsinnige. Es demonstriert die Zahllosigkeit der Aspekte, es nimmt uns unsere Sicherheit, weil es uns die Meinung und den Namen von einem Ding nimmt. Es zeigt uns das Ding in seiner Vielbedeutigkeit und Unendlichkeit, die eine Meinung und Ansicht nicht aufkommen lassen.

Gerhard Richter, 1964/65

Lieblingsfarbe: bunt. Die Begegnung mit den Bildern von Yago Hortal hat etwas von einem ungeschützten Aufprall – die Gedanken sacken für Augenblicke in eine Schockstarre und lassen den Kopf in Sprachlosigkeit zurück, bis sich allmählich die Wortfetzen aneinanderstücken. In dieser Phase verharren noch die verschiedenen Blogs, die sich im übereifrigen Internet hier und da schon Luft machen, aber über Kaskaden überschwänglicher »Whows« kaum hinauskommen. Sortieren sich die Gedanken erst weiter, reproduziert das Gehirn ein Bild grell-chaotischer, gellender Farbigkeit, die noch jeder Beschreibung spottet. Und dann das: ein System tut sich kund, aber es ist noch unbestimmt, ob da unsere durch Dauerbeschallung und optische Reizüberflutung trainierten Synapsen auf Normal- beziehungsweise Alltagsbetrieb schalten, oder ob es das Werk des Künstlers ist, das lautmalerisch sich selbst bescheidet in nachvollziehbaren Farbstrukturen und überschaubaren Formaten. Bungeejumping der Sinne, der Aufprall bleibt jedoch eine Irritation im Kleinhirn, schließlich macht sich ungeteilte Begeisterung breit. Auch das ist ein Phänomen bei der Betrachtung der Hortalschen Bilder: noch ohne zu verstehen, was es auf seinen Gemälden nicht zu sehen gibt, ist eine Faszination da, die unmittelbar wirkt, die uns erst taumelnd, dann rhythmisch beschwingt, wenn nicht tänzerisch eintauchen lässt in einen Farbraum, der so abstrakt und süffig vor unseren Augen sich öffnet, als wiegten diese sich in einem schönen Rausch.



Wie sehr man sich dem gestischen Impuls in dem Werk hingeben mag, der den Farbfluss anzutreiben scheint, so wenig kann man sich der Klarheit entziehen, die dem vermeintlichen Getöse der Buntheit jene unbeschreibliche Schärfe gibt, die den Intellekt auf sich selbst und seine Reflexe zurückwirft. Hin- und hergerissen zwischen sinnlicher Bewegung und der retardierend-lakonischen Nachdenklichkeit zeigt uns der Maler das disparate Spannungsfeld seiner Wahrnehmung von Gegenwart, und wir ahnen es schon: Es steckt verdammt viel Lebensgefühl in diesen Bildern, von denen wir aus gutem Grund nicht lassen können, weil auch wir uns und unsere Gegenwart darin erkennen – wobei es keine Rolle spielt, ob der Betrachter letztlich andere Dinge in die Arbeiten hineinliest, als es der Künstler beabsichtigt hat.

Es ist atemberaubend, mit welch dynamischer und doch kontrollierter Heftigkeit Yago Hortal den Raum in die Bildfläche hineinerfindet. Wenn er mit einer breiten Spur aus fasrig gewischten Rotviolett-, Blau- und Grüntönen ein schräges seitenverdrehtes »Z« über das gesamte Großformat zieht, ist das zunächst nur ein orphisch-rhythmisierter Akkord mit Signalwirkung. Räumlich differenziert sich die Farbstrecke an den Wendestellen dort aus, wo die Laufrichtung sich ändert und regelrecht Wellen schlägt, die in gischtähnlichen Tropfenformen münden, welche wiederum als quasiräumliche Gebilde den Hintergrund definieren, der mal monochrom, mal vielfarbig der Bildfläche zugrunde liegt. Die Sehgewohnheiten verleiten uns ungewollt dazu, Dinge zu erkennen – auf diesem Bild will man die Tropfen tatsächlich mit den Augen umrunden, auf anderen Gemälden drängt sich die Assoziation landschaftlicher Formationen, sphärischer Phänomene oder ähnlichem auf, bei weiteren Arbeiten wähnt man sich in der Raumfahrerperspektive, wenn sich etwa unterhalb eines formlos-bunten Farbwirbels so etwas wie ein tiefer, dunkler See inmitten von Landmassen in satellitenfernen Schlieren auftut.

Das alles hat Hortal freilich nicht im Sinn, doch hält er die Gedanken für frei genug, um sie zuzulassen. Noch deutlicher als in den mittleren und großen Formaten reizen seine kleinen Arbeiten zur verdinglichten Schau: Glutgelb mit rötlich überhitzten Rändern und dunkel abgesprengten Pigmentpartikeln offenbart sich uns hier ein Ausschnitt eines flüssigen Metall- oder Lavastroms; im krassen Gegenbild erscheint uns ein frostkalt blaues Wasserfallmotiv, das in tosenden Farbschleiern abwärts rauscht, um sich in schwerelosen Wellenbergen zu sammeln und in den schon erwähnten, kristallin schwebenden Tropfen zu kulminieren. Während sich die kiloschweren Farbmengen auf den großen Gemälden zu leichten Erhebungen herablassen, wagt Hortal in den Kleinformaten seiner jüngsten Phase reliefartige Aufwerfungen, die seine häufig verwendeten Farbverflechtungen auch haptisch verräumlichen. Yago Hortal macht seine Abstraktionen begreiflich, verwehrt sich aber doch aus seiner Sicht und Wahrnehmung heraus gegen eine gefühlte Dingwelt. Konsequent begegnet er dem potentiell sinnstiftenden Horror vacui neuerdings mit poetisch-zarten Farbklängen über einem blanken Hintergrund, die nur noch Farbe sein wollen, heute blau, morgen rot: ein Abenteuer der ganz und gar freien Betrachtung, ein Spiel der Sinne, ein Augenschmaus.



Sometimes I talk to my pictures. »Mit sechs wollte ich Köchin werden, mit sieben Napoleon – dann wurde ich Dalí«, so (wie in vielfachen Varianten) resümierte der berühmte Maler sein exzentrisches Leben. Der 1983 in Barcelona geborene Landsmann Yago Hortal war sechs Jahre alt, als dieser Parade-Surrealist starb. Es mag sein, dass er da vielleicht so etwas wie Dalí werden wollte, immerhin lebten mit Picasso und Miró zwei der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts im Geiste der Spanier fort, die nach der Franco-Ära begierig waren, ihre eigenen kreativen Wurzeln wiederzuentdecken. Wie auch immer, da dem im Auftreten gar nicht wilden Jungstar Hortal auch jegliche napoleonische Allüren abgehen, ist es interessant zu hören, dass ihm die Profession des Kochs sehr nahe kommt: der Sinn für die Zubereitung, ein Gespür für die Zeit, die Fähigkeit auch zur farbigen Création, zur anregenden Präsentation sind nur die offenkundigen Parallelen – bis hin zur Frage der »Geschmacksache«, die im Ermessen des Kochs resp. des Malers einerseits und des Gourmets resp. des Betrachters andrerseits liegt.

In den Augen des irrsinnigen Dalí wird das ein Rückschritt sein, im Jetzt und Heute gesehen trifft Yago Hortal ganz offenbar einen Nerv, der allmählich auch unter die Haut der Kunstwelt geht (der Starkult um Köche ist ja schon länger in vollem Gange). Schielen die einen noch nach Asien und Afrika, machen viele gerade in Spanien neue Töne aus. Hortal, der in Barcelona und Sevilla studierte, kam 2010 nach Berlin und spielt seither trotz seines jungen Alters in einer internationalen Liga, die bereits in New York Fuß gefasst hat – Ausstellungen kann er hier wie dort bereits aufweisen. Dass Deutschland, insbesondere Berlin eine wichtige Rolle spielt, kann kein Zufall sein: Die knapp älteren Miki Leal oder José Otero sind hier präsent, wie auch Hortals Alterskollegin Joan Cabrer oder der noch jüngere Hugo Fontela die internationale Bühne für sich nutzen. Selbstbewusst hat sich diese Generation von Künstlern, angespornt ausgerechnet von der neuen figurativen Malerei, auch einen Platz an der Kochstelle für abstrakte Kunst erobert, welche in Berlin etwa von Christian Awe u.a.m. angeheizt worden ist. Die Rezepte zur geometrischen Abstraktion nehmen die Maler genauso zur Hand wie die zur gestischen-expressiven oder informellen Abstraktion – nur was sie daraus mischen, ist absolut neu, frisch, lebensecht.

Das Klima für ungegenständliche Kunst ist in Deutschland traditionell seit den 1950er Jahren günstig, weshalb in Berlin der Puls der Zeit am heftigsten wummert. Und damit das zuweilen etwas umwölkte Klima hierzulande auch eine satte Blutzufuhr bekommt, dafür sorgen nicht zuletzt die spanischen Wahl- und Zwischendurchberliner. Yago Hortal, der sich auch in seinem kleinen Kreuzberger Atelier den farbversprühenden Wirbelwind nicht aus den Segeln nehmen lässt, befeuert die Kunstszene in einem unermüdlichen Schaffensdrang, und er bekennt sich in seinen Arbeiten kurz und knapp zu seinem Kiez: Die Bilder, die im Berliner Atelier entstehen, tragen das Kürzel der Straße, wo er arbeitet, auch im Titel. So kann man theoretisch seine Lebenswege durch Spanien und durch Deutschland verfolgen. Die jungen Künstler wissen, wo die kreativen Küchen stehen, in denen die angesagtesten Trends köcheln.

Nur eines macht er nicht: Wer ihn bei der Arbeit beobachtet, weiß, dass er auf keiner modischen Welle reitet. Akribisch und außerordentlich selbstkritisch wägt er noch seine reifen Werke ab. Den Unzufriedenen gehört die Welt. Das gilt umso mehr, als kein Motiv ihn lenkt, sondern die Emotion, die einmal nach Flamenco, ein andermal nach Jazz als Stimulans verlangt. Da bleibt es nicht aus, dass er zuweilen auch mit seinen Bildern spricht, und wer kann hier bezweifeln, dass sie in hellen Tönen beredt sind. Im Prozess ist das wichtig, geht es Hortal doch bei aller Leidenschaft um die nüchtern-philosophische Abfolge von Aktion – Reaktion – Konsequenz. Das Ziel dieser dialogischen Struktur ist zum einen der Weg zur Kunst als Kunst selbst, zum anderen der Versuch, das allgegenwärtige Chaos zu kontrollieren. Das unterscheidet ihn auch von Geistesverwandten wie Gerhard Richter, dessen Absicht es ist, die Realität zu verschleiern; Yago Hortal geht viel zu affirmativ ans Werk, als dass er etwas zu verbergen hätte, im Gegenteil: sogar die übers Bild gewischten Schleier geraten ihm zu kristalliner Klarheit, im kleinen Format genauso wie auf der wandfüllenden Leinwand. Was die fluoreszierenden Farben angeht, greift er übrigens auf Produkte seiner Heimat zurück: Die deutschen Farben sind ihm nicht kräftig genug, kulinarisch formuliert: Die Reinheit der Würzmischung findet er nur Spanien, die Küche auf der ganzen Welt.

Günter Baumann, September 2011

Abbildungen:
- KL 32, 2011, Acryl auf Leinwand, 100 x 130 cm
- KL 1, 2011, Acryl auf Leinwand, 170 x 190 cm
- KL 18, 2011, Acryl auf Leinwand, 60 x 60 cm

Öffnungszeiten
Dienstag - Freitag 14 - 19 Uhr
Samstag 12 - 18 Uhr

Egbert Baqué Contemporary Art
Fasanenstrasse 37
10719 Berlin
Telephone +49-30-43.91.08.80
Mobile +49-179-25.26.210
Email office @ berlin-contemporary-art. com
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