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Boris Lurie

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Greusslich Contemporary

Lindernde Maßnahmen

Rollin Beamish



Rollin Beamish, post-human (Luke), 2014, Graphite on paper, 76 x 56,5 cm


Vernissage: 24.05.2014, 18-21 Uhr
Finissage: 28.06.2014, 18-21 Uhr


Kann sozial-kritische Kunst etwas verändern oder funktioniert sie nur als Linderung eines Gefühls des Unbehagens bezüglich unserer Umwelt? Die Kunst von Rollin Beamish befindet sich in einer schwierigen Position, weil sie eine Reflexion des kulturellen Diskurses ist. Die Problematik liegt darin, dass die Kritik des kulturellen Diskurses wieder zu ein Produkt dieses Diskurses selbst wird. Wie kann man diesem Kreis entkommen? Kann aus dem Linderungsmittel ein Änderungsmittel werden und kann Kunst solch einen Anspruch gerecht werden?

In der dritten Soloausstellung von Rollin Beamish namens „Palliative Measures“ in der Galerie Greusslich Contemporary finden wir Zeichnungen und kleine Installationen. Vorrangig handelt es sich um freihand Porträt-Zeichnungen. Beamish bezieht seine Vorlagen dazu aus dem abstrakten, unlebendigen Web-Raum, auf den er sich als ein „immanentes Archiv“ bezieht, und erweckt diese, welche nur als Daten oder als ein mediales Konstrukt vorliegen, zum Leben. Mit seinen zeichnerischen Übersetzungen verleiht er ihnen einen neuen Körper. Dadurch entwickelt sich eine hochgradige Spannung zwischen den abstrakten hyperrealen Vorlagen aus den Massengräbern des medialen Raums, ihren neuen Verkörperungen in Beamishs Zeichnungen und den realen Subjekten, die sie darstellen.

Blickt man auf die Portraits fragt man sich, wer diese Subjekte sind, die Beamish im Medien-Raum gefunden hat? Sind sie nur ein artifizielles Konstrukt? Haben sie reale Existenz oder werden sie unabhängig davon hyperreal konstruiert? Wie entsteht oder entwickelt sich ihre Identität? Was für eine Rolle haben die Porträtierten in sozialen und kulturellen Prozessen? Welchen Diskurs der westlichen bzw. globalen Kultur legen wir zugrunde? Beherrschen wir den Diskurs oder lebt er aus sich selbst heraus? Ist der Diskurs nur ein Versuch, unser Leiden an der Kultur zu lindern? Beamish stellt auch diese Frage mit dem Titel „Palliative Measures“ zur Disposition.

Beamishs Konzept stellt Fragen zu heutigen kulturellen und medialen Prozessen, welche er durch das Medium der Zeichnung unterstreicht. Seine Zeichnungen sind ebenso hyperrealistisch und in Details surrealistisch wie der Medien-Raum selbst und erwecken den Eindruck von etwas Fremdem und Bekanntem zugleich. Die Porträts sind auf scharf abgegrenzten unbearbeiteten Hintergrund gesetzt und schweben im leeren Raum, der ebenso wie der Medien-Raum, schwierig zu definieren ist. Haben die Subjekte einen Hintergrund und eine Basis oder sind sie einfach aus dem Nichts gekommen?


Rollin Beamish, tba, 2013, Graphite on paper, 76 x 56,5 cm


Der Kontrast zwischen perfekt detaillierten, hyperrealen Zeichnungen und den unbearbeiteten undefinierten Umraum bringt eine spannende Dynamik. Die Porträts wirken meistens wie Fragmente, wobei nur die Köpfe eine Ganzheit bilden. Der Brustbereich bricht an unlogischen Stellen in seiner zeichnerischen Ausgestaltung plötzlich ab und wir fühlen, dass da etwas fehlt, etwas unbeendet oder unbegonnen ist.

Eine noch wichtigere Rolle als die Form spielt bei Beamish der Inhalt. In der Bilderserie, die sich auf den israelisch-palästinensischen Konflikt bezieht, finden wir eine Porträt-Zeichnung mit Islam Greagea, einem fünfjährigen Jungen, der 2011 bei einem israelischen Luftangriff in Gaza, getötet wurde. Über diesem Bild hängt eine Installation, die eine Lichtspiegelung und einen Schattenwurf mit dem Namen des Jungen in lateinischer und arabischer Schrift an der Wand entstehen lässt. Das ist eine subtile Art dem Tod des Jungen eine Prägnanz zu verleihen, weil Beamishs es nicht scheut, auch mit Darstellungen von Schockmomenten die Gesellschaft zu hinterfragen.
Auf einem anderen Bild aus dieser Serie sehen wir einen Stein mit Blut und Haaren an seiner scharfen Kante und beschriftet mit den Worten: „Wait for it“. Worauf soll man warten? Was soll man erwarten? Das gleiche Schicksal wie Islam Greagea? Es klingt wie ein Hinweis, wie eine Warnung, die eine Angstatmosphäre aufsteigen lässt; eine Angst, die wie ein raffiniertes Instrument der politischen Macht wahrgenommen werden kann.

Text hat bei Beamish eine ganz besondere Rolle. Das ist auch bei der nächsten Bilderserie festzustellen, die drei Porträts des Schauspielers Chiwetel Ejiofor in drei verschiedenen Rollen aufzeigt. In der Mitte der Papierzeichnungen befindet sich ein längerer Text als Wandzeichnung, der mit Wörtern „Where is she?“ (1) betitelt ist. Die Verbindung zwischen Wort und Bild eröffnet eine neue Ebene der Interpretation des Kunstwerks und es entwickelt sich ein hermeneutisches Gespräch, wobei das Verständnis für die Arbeit neue Horizonte erklimmt. Der Text behandelt etwas Existenzielles, etwas, das all unseren inneren Prozessen gemein ist. Das Arbeiten mit Wort und Bild erinnert uns an die intimen Aussagen von Tracy Emin. Aber ich denke, dass die Kunst von Rollin Beamish diese Intimität des Wortes überschreitet und zu etwas Allgemeinem und Kollektivem führt. Bei Beamish wird eine subjektive Aussage zu einer kollektiven und umgekehrt. In den Filmen, auf die sich die Porträts von Chiwetel Ejiofor beziehen, befinden sich die Figuren mehr oder weniger in verzweifelten Situationen. Sie befinden sich im Zentrum von Konflikten unterschiedlicher politischer Systeme, deren Gewalt und deren Machtspiele. Verkörpert she in dem Text eine Idee der alten und verlorenen Weltordnung oder eines verlorenen Heims? Ist der Text die Beichte eines Künstlers, der in der Mitte eines Meeres den Kurs zu einem verlorenen Land sucht und dabei von Anweisungen beeinflusst wird, die ihm von dem „Großen Anderen“ aufgezwungen werden?

„…suddenly the intensity of her desire which destroys her, terrifies me…”

Ist she ein Objekt unserer nicht versiegenden Sehnsucht; Sehnsucht nach dem verlorenen Land, nach Befreiung, nach der Verschmelzung mit her, nach Ganzheit, Sehnsucht nach etwas unanfassbarem? Oder kann man den Text lesen als verweise er auf etwas, das man anfassen kann, aber uns versagt ist?

„She is no longer the one who prepared meals, washed herself, or bought small articles.”


Rollin Beamish, post-human (Patrick Bateman), 2013, Graphite on paper, 76 x 56,5 cm


In Beamishs Werk bildet sich ein eigenwilliges Bedeutungsnetz aus, das voll von Symbolen und intertextuellen Hinweisen ist. Bei den anderen Bildern und den Installationen in Greusslich Contemporary sehen wir, wie er die für ihn typischen Symbole in immer neuen Kontext setzt. So finden wir auf ein Neues das Symbol der „Gorgo Medusa“ oder eine Zeichnung der „Digesting Duck “ (1738) von dem französischen Erfinder Jacques de Vaucanson. Jedes Detail hat bei Beamish eine Bedeutung und ist Fragment seiner komplexen Mythologie – einer Mythologie, in der die Helden entweder Träger oder Opfer des gesellschaftlichen Diskurses sind, einer Mythologie, die ein großartiger Spiegel heutiger Kulturprozesse ist, die eine Beunruhigung über die Entwicklung der westlichen Gesellschaft weckt, einer Mythologie, die uns ganz eigenartig zeigt, wie sich der berühmte Ausruf Rimbauds „ICH ist ein anderer!“ mit dem heutigen Ausruf: „WIR ist ein anderer!“ vertauscht. (Text von Filip Machac)

(1) Titel von Rollin Beamish. Text: Georges Bataille "La Part Maudite, Band 2: Teil 2: Kapitel 4, The Object of Desire and the Totality of the Real.

_____________________________________________

English:

Rollin Beamish – Palliative Measures

24.05.–28.06.2014

Vernissage: 24.05.2014, 6-9 pm
Finissage: 28.06.2014, 6-9 pm


Can socially critical art change something or does it only serve as relief from a sense of unease about our environment? The art of Rollin Beamish is in a difficult position because it is a reflection of cultural discourse. The problem, however, is that the art is both a critique of cultural discourse and a product of this discourse. How can we break this circle? Can this art change from a palliative measure to an actual agent of change and can art uphold this assertion?

Rollin Beamish´s 3rd solo exhibition at Greusslich Contemporary is called "Palliative Measures" and includes drawings and small installations. The exhibition focuses on freehand drawn portraits. The sources for these images were found by Beamish on the Internet, which he himself refers to as the „Immanent Archive“. He resurrects these images from the abstract, lifeless web space and brings that which exists only as data or media, to life. The translation of bad jpgs into drawing gives the images a new physicality. Thus, there is a high degree of tension between the abstract, hyper-real sources, taken from the Internet´s graveyard, their new incarnations in Beamish´s drawings and their real subjects.

Looking at the portraits, one wonders who are these found subjects? Are they just an artificial construct? Do they have a real existence or have they been hyper-realistically constructed independently from any existence? How evolved, or developed is their identity? What role have they portrayed in social and cultural processes? What discourse of Western and global culture can we identify? Do we command the discourse or does it have a life of its own? Is the discourse just an attempt to alleviate our collective suffering? Beamish´s exhibition title, "Palliative Measures" also reinforces these questions.

Beamish´s concept poses questions about today´s cultural and media processes, which he emphasizes through the medium of drawing. His drawings are just as hyper realistic and surreally detailed as the media space itself and create the impression of something at once foreign and familiar. The portraits are set on sharply defined, unworked backgrounds and float in empty space. Just like the space of media, they are difficult to define. Do these subjects have a background and a source/foundation or did they simply come out of nowhere?

The contrast between perfectly detailed, hyper-realistic drawings and raw, undefined surrounding space creates an exciting dynamic. The portraits act mostly as fragments, with only the heads represented in their entirety. The chest area breaks at illogical points in the drawing´s form and suddenly gives the feeling that something is missing, unfinished or perhaps not even started.

For Beamish, content plays an even more important role than the form. In the series of images relating to the Israeli-Palestinian conflict, we find a portrait drawing of Islam Greagea, a five year old boy who was killed in 2011 during an Israeli air strike in Gaza. Over this portrait hangs an installation, which creates a mirror reflection and a shadow of the name of the boy at the wall in Latin and Arabic letters. This is a subtle way to give the boy´s death a certain conciseness, as Beamish doesn´t shy away from scrutinizing society, even through the depiction of shocking moments.

In another picture from this series we see a stone dripping with blood and covered with traces of hair, inscribed with the words: "Wait for it". What should one wait for? What can you expect? The same fate as Islam Greagea? It sounds like a note or a warning that gives rise to an atmosphere of fear; a fear that can be perceived as a refined instrument of political power.

Text plays a very special role for Beamish. This is evident in the next series of pictures which show three portraits of the actor Chiwetel Ejiofor in three different roles. In the center of the paper drawings we find a longer text installed as a wall drawing, which is entitled with the words, "Where is she?"(1). The connection between word and image opens a new level of interpretation of the artwork and develops a hermeneutical conversation, whereupon the understanding of the work scales to new horizons. The text deals with something existential, something that is present in all of our internal processes. The integration of words with pictures reminds us of the intimate statements of Tracy Emin. Nonetheless, I think that the art of Rollin Beamish exceeds this intimacy of the word and leads to something universal and collective. In Beamish, a subjective statement can represent a collective one and vice versa.

In the films to which the portraits of Chiwetel Ejiofor refer, the figures are more or less in desperate situations. One finds oneself in the center of conflicts between different political systems, their violence and their power games. Does the text embody an idea of the old and lost world order or a lost home? Is the text the confession of an artist who seeks in the middle of the sea the course to a lost land and is influenced by instructions that are forced upon him by the "Big Other"?

„...suddenly the intensity of her desire which destroys her, terrifies me…”

Is “she” an object of our never-ending desire; the representation of longing for the lost land, for liberation, for a union with “her”, for wholeness, for craving something unattainable? Or should the text be interpreted as a reference to something that we can touch, but which is denied to us?

„She is no longer the one who prepared meals, washed herself, or bought small articles.”

In Beamish´s work, an idiosyncratic net of meaning is formed, which is full of symbols and intertextual references. In his other images and installations at Greusslich Contemporary we see how he sets his typical symbols in new contexts. Thus we find again a symbol of the "Gorgon Medusa" or a drawing of the "Digesting Duck" (1738) by the French inventor Jacques de Vaucanson. Every detail in Beamish´s work has meaning and is a fragment of a complex mythology in which the heroes are either carriers or victims of social discourse; a mythology which is a great mirror of today´s cultural processes, which awakens a concern about the development of Western society; a mythology that shows us quite strangely, how the famous exclamation of Rimbaud, “I is another” is today reversed with the exclamation "WE is another!" (Text by Filip Machac)

(1) Titel von Rollin Beamish. Text: Georges Bataille "La Part Maudite, Band 2: Teil 2: Kapitel 4, The Object of Desire and the Totality of the Real.

Mit besten Grüßen / With warmest regards,
Andreas Greusslich

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