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Betreten der Baustelle erlaubt! - Joschka Fischer und Peter Sloterdijk im Haus der Kulturen der Welt

von Stefanie Ippendorf (25.10.2006)


Betreten der Baustelle erlaubt! - Joschka Fischer und Peter Sloterdijk im Haus der Kulturen der Welt

Die "schwangere Auster", so der Berliner Spitzname für die ehemalige Kongreßhalle, in der nun das Haus der Kulturen der Welt beheimatet ist, unterzieht sich einer Schönheits-OP und wird bis zum August 2007 wegen Umbaumaßnahmen eine Baustelle sein. Zwar entfällt somit die Möglichkeit, das Haus mit Ausstellungen zu bespielen, doch sehen Bernd M. Scherer (Intendant) und Dorothea von Hantelmann (Kuratorin) gerade im unfertigen Zustand des Gebäudes die Gelegenheit zum "neuen Nachdenken und zum Experiment".
In der Veranstaltungsreihe >Meine Baustelle< sollen deswegen an sechs Wochenenden "Formen des Austauschs und des Dialogs in ihren kulturellen, sozialen, politischen, auch ökonomischen Voraussetzungen und Dimensionen reflektiert werden". Ebenso wichtig ist den Veranstaltern die Erprobung "unterschiedlicher Möglichkeiten künstlerischer Intervention". Bei Baustellenführungen kann sich der Besucher außerdem ein Bild vom aktuellen Stand der Renovierungsarbeiten machen.

Den Auftakt zu >meine Baustelle< bildete die zum Thema >meine Diplomatie< geführte Diskussion, zu der sowohl Ex-Außenminister Joschka Fischer als auch der in Karlsruhe lehrende Philosoph Peter Sloterdijk als Gastredner geladen waren. Vor dem Hintergrund der geplanten Programmneukonzeption des Haus der Kulturen der Welt, das seit der Eröffnung 1989 vor allem mit nichteuropäischen Kulturen befaßt war, ging es Bernd M. Scherer darum, Lösungen für die Problematik des richtigen Zugangs und Umgangs bei "der Hinwendung zu den Anderen", sprich zu fremden Kulturen, herauszuarbeiten. Als Alternative zum Universalismus der westlichen Moderne und zum kulturellen Relativismus, verwies Scherer auf Bruno Latours Gedanken, "das Leitbild des Dialogs durch das Modell der Diplomatie" zu ersetzen. Scherers Ziel ist es, mit seiner Kulturinstitution an der Entwicklung unserer Gesellschaft teilzuhaben und die "Verhandlungen" zwischen unterschiedlichen kulturellen, religiösen Positionen und Interessen" qua Kulturdialog voranzutreiben. Soweit zu den Plänen des Intendanten.

Die beiden Gastredner hatten natürlich einiges zum Begriff der Diplomatie beizusteuern. Joschka Fischer, der sich in seinem Buch >Die Rückkehr der Geschichte< ausgiebig mit der Neuordnung der Gesellschaft im 21. Jahrhundert beschäftigt hatte, war zwar der Meinung, daß Diplomatie sicher nicht schadet, aber eben kein ausreichendes Mittel zur Konfliktbereinigung sein könne. Wenn auch die Mittlerrolle der Diplomatie in heutigen Zeiten der Globalisierung an Bedeutung gewinne, so benötige man jedoch vor allem Verträge, um den Verkehr von normativen Systemen untereinander regulieren zu können. Der Philosoph im Bunde, Peter Sloterdijk, hatte in seinem Vortrag den Versuch einer "politischen Linguistik" unternommen und den Begriff der Diplomatie unter sprachtheoretischen Gesichtspunkten beleuchtet. Dabei bezeichnete er den Diplomaten als Teil einer "politischen Bohème", der "in sicherer Entfernung von der Kette der Wertschätzung" agiere und definierte die Sprache der Diplomatie als Addition von "Eloquenz + Inhaltsleere". Gleichzeitig jedoch konnte auch Sloterdijk der Diplomatie etwas Positives abgewinnen: so könne sie letztlich als "Laboratorium für Zivilisierung und Höflichkeit" dienlich sein, die wiederum Voraussetzungen für das friedliche Zusammenleben von Staaten bilden. Daß es in der anschließenden Diskussion nicht nur deswegen heiß herging, weil Sloderdijk Diplomatie als "organised hypocricy" bezeichnet hatte, versteht sich von selbst.
Im Anschluß an die Veranstaltung wurde dann noch eben die Botschaft von Elgaland - Vargaland, einem imaginären Reich unter der Herrschaft der Künstler Carl Michael von Hausswolff und Leif Elggren, eröffnet.

Ähnlich anregend dürfte es bei den weiteren "Baustellen - Events" im Haus der Kulturen der Welt zugehen, bei denen Themen wie >mein Haus - zum Verhältnis von Mobilität und Architekturen< (2. + 3. Dezember 2006), >meine Kritik zur Kunst als Mittel autonomer Kritik< (24. und 25. Februar 2007) oder >mein Markt zur Kultur und Ökonomie des Austauschs< (Mai 2007) behandelt werden.

Betreten der Baustelle erlaubt. Eltern haften für ihre Kinder.


>Meine Baustelle<
Feste, Konzerte, Lesungen, Performances, Debatten und Vorträge
21.10.2006 - 30.06.2007

Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin
info@hkw.de

Bei allen Veranstaltungen ist der Eintritt frei, Reservierungen werden aber empfohlen.

Information und Reservierung:
Haus der Berliner Festspiele, Schaperstraße 24, Berlin
Telefon 030/25 48 92 54
Montag - Samstag von 14 - 18 h


Stefanie Ippendorf

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