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Schwerelos – Simon Faithfull, Carla Guagliardi im Haus am Waldsee Berlin

von Verena Straub (13.01.2009)


Schwerelos – Simon Faithfull, Carla Guagliardi im Haus am Waldsee Berlin

Unter dem Titel "Schwerelos" begegnen sich im Haus am Waldsee die Positionen zweier auf den ersten Blick sehr unterschiedlich arbeitender Künstler. Sowohl Faithfulls Videoexpeditionen als auch Guagliardis poetisch-physikalische Objekte verbindet dabei jedoch ein gemeinsames, wenn auch aus verschiedenen Blickwinkeln verfolgtes Interesse: die Suche nach den Bedingungen und Grenzen unserer Welt.

Simon Faithfull begibt sich in seiner Arbeit "Ice Blink"(2005) auf die Spuren des berühmten Polarforschers Ernest Shackleton, der in einer spektakulären Expedition 1914-16 ans Ende der Welt – zur Antarktis – vorgedrungen ist. Visionen vom Ende der Welt begegnen uns auch in Faithfulls Videoaufnahmen, die auf einer britischen Polarexpedition 2004/05 entstanden sind, welche der Künstler begleiten durfte. Dieselbe Walstation, die einst der Besatzung der "Endure" nach jahrelangem Feststecken im Eis letzte Rettung versprach, erscheint auf Faithfulls Aufnahmen als verlassener, grau-blauer Geisterort – vom rauhen Eiswind verwitterte und zerstörte Häuser dienen nun als Wohnort von Robben. Die Spuren von Menschen scheinen deplatziert in dieser unmenschlich wirkenden Gegend, die die Grenzen unseres (Über-)lebens aufzeigt.

Um das Ausloten der elementaren Bedingungen des Lebens geht es auch in den Arbeiten der brasilianischen Künstlerin Carla Guagliardi. Im Vergleich zu Faithfull verläuft ihr Blick dabei in genau entgegengesetzter Richtung – in das Innere von Körpern und deren Stoffwechselprozessen. Die Arbeit "Parcae" (1998) besteht aus einer mit Wasser gefüllten Glaskugel, die inmitten des Raumes zu schweben scheint. Durch drei Öffnungen in der Kugel verlaufen Stahl-, Kupfer- und Baumwollstränge, welche an den Wänden befestigt sind und die Kugel in Balance halten. Durch die Verdunstung des Wassers, das je nach Material der Haltestränge unterschiedlich schnell verläuft, verändert sich die Spannung der Stränge und die Position der Kugel in einer für den Betrachter unmerklichen Langsamkeit. Die Zeit wird zum elementaren Bestandteil Guagliardis Arbeiten, die sich wie ruhig atmende Lebewesen in Raum und Zeit verändern und doch – durch Austausch von Flüssigkeiten, durch Druck und Gegendruck – in sich geschlossene und stabile Systeme bilden. Es scheint, als gebe die Künstlerin ihr Werk als lebendigen Organismus frei, der sich selbst hält und erhält.

Die Autonomie des Kunstwerkes und dessen Entfernung vom Subjekt des Künstlers können wir, in anderer Art und Weise, wiederum bei Faithfulls Aktion "Escape Vehicle No.6" (2004) bemerken. Für diese Arbeit schickte er einen Stuhl zusammen mit einer Videokamera, die er beide an einen Wetterballon heftete, bis an die Grenze der Stratosphäre. Der Kamerablick löst sich vom Blick des Künstlers, der am Boden zurückbleibt und selbst zum Objekt der filmenden Versuchsanordnung wird. Der Stuhl – als Leerstelle für eine dem Menschen unmögliche Reise – baumelt über Häuser, Wolken und Landschaften, die immer kleiner werden bis die Rundungen der Erdkugel in Erscheinung treten, vor deren Hintergrund sich der Holzstuhl surreal abhebt.
Die wackligen Bilder dokumentieren die Welt jenseits der Grenzen unserer eigenen Wahrnehmungsmöglichkeiten und verbreiten zugleich eine unheimliche Faszination. Nicht zuletzt weil es Bilder ohne Betrachter sind – ungesehene Bilder die aus dem "Nichts" heraus aufgenommen wurden und ähnlich wie Guagliardis Objekte ein autonomes Eigenleben für sich beanspruchen.

Während in Faithfulls Arbeiten die globalen Grenzen unserer Welt erforscht werden, interessiert sich Guagliardi für die Bedingungen des Lebendigen im Mikrokosmos. Einem eher narrativen Ansatz begegnen wir bei "Ice Blink", hingegen erscheinen die Objekte Guagliardis in ihrer minimalen, zurückgenommenen Materialästhetik poetisch verdichtet. Gerade in ihrer Zusammenschau wirken dabei die Positionen beider Künstler als wechselseitige Anregung, die neue Zugänge zum jeweiligen Werk ermöglichen.
Erinnert die Herangehensweise bei Faithfull wie auch bei Guagliardi an die eines Forschungsreisenden bzw. einer Naturwissenschaftlerin, sind die Arbeiten beider Künstler doch keine Werke mit gravitätischem Ernst, sondern beinhalten stets ironische und spielerische Leichtigkeit, was die Kuratoren der gelungenen Ausstellung nicht zuletzt zum Titel "Schwerelos" inspiriert haben mag.

Ausstellungsdauer: 11. Januar – 22. Februar 2009
Öffnungszeiten : täglich 11 – 18 Uhr

Haus am Waldsee. Ort internationaler Gegenwartskunst
Argentinische Allee 30
14163 Berlin
hausamwaldsee.de

Verena Straub

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