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John Heartfield und Klaus Staeck in der Berlinischen Galerie (29.5.-31.8.09)

von Verena Straub (03.06.2009)


John Heartfield und Klaus Staeck in der Berlinischen Galerie (29.5.-31.8.09)

Auf einem Ausstellungsplakat von 1929 sehen wir den Künstler John Heartfield, der den Kopf des dümmlich lächelnden Polizeipräsidenten Zörgiebel mit einer Schere bedroht: “Benütze Foto als Waffe” - Die Überschrift dieses Plakats könnte genauso gut als Symbol für das gesamte künstlerische Schaffen Heartfields wie auch Klaus Staecks herhalten.
Am Wochenende wurden in der Berlinischen Galerie mit John Heartfield (1881-1968): "Zeitausschnitte" und Klaus Staeck (geb. 1938): "Schöne Aussichten" die Ausstellungen zweier Künstler eröffnet, die mit messerscharfen Fotomontagen gesellschaftliche Zustände ihrer Zeit entlarven und kritisieren. Was die beiden Künstler verbindet - so macht die gelungene Gegenüberstellung deutlich - ist das Einmischen ins Zeitgeschehen, das den engen Rahmen des Galerieraumes verlässt. Mithife einprägsamer Bildformulierungen, die nicht selten angreifen, provozieren oder irritieren, wollen beide Künstler eine möglichst breite Öffentlichkeit erreichen und mit ihrem Recht zu widersprechen zugleich die Freiheit der Kunst behaupten.

John Heartfields politische Fotomontagen, in denen er das Scheitern der Weimarer Republik ebenso wie den Untergang der Hitler-Diktatur vorweggenommen hat, sind teilweise fester Bestandteil des Bildgedächtnisses der Nachkriegsgeneration geworden. Die bekannte Montage "Millionen stehen hinter mir" zeigt bereits 1932 eine Hitlerkarikatur, in der der "Sinn des Hitlergrußes" als Bitte um Geldspenden von großen Konzernen uminterpretiert und zugleich durchschaut wird.
Heartfield nutzt für seine Montagen Bilder aus der zeitgenössischen Presse und wendet sich gleichzeitig gegen sie. Bewaffnet mit Schere und Klebstoff "schneidet er die Zeit aus" und montiert sie zu neuen Zusammenhängen, die Widersprüche aufzeigen, Lügen entlarven und Kritik an vorherrschenden Systemen ausüben. Es sind Röntgenbilder der Zeit, die in ihrer Schärfe Wahrheiten auf den Punkt bringen, wie sie sich kaum jemand auszusprechen wagte.
Präsentiert werden unter anderem selten gezeigte, kostbare Collagen aus dem Besitz der Akademie der Künste, die in den Jahren 1918-1938 vor allem als Illustrationen und Titelbilder für die "Arbeiter Illustrierte Zeitung" entstanden sind.

So sehr Heartfield in diesen kritischen Satiren blinde Gefolgschaft und bürgerliche Stumpfsinnigkeit anprangert, so idealistisch traumverloren wirken hingegen die sozialistischen Propagandaplakate, die er als Mitglied der KPD und begeisterter Verteidiger der Sowjetunion entwarf. Wenn wir auf einem Plakat zum 15-jährigen Jubiläum der Sowjetunion lesen: "Wir schwören: In der Stunde der Gefahr lassen wir unser sozialistisches Vaterland nicht im Stich" oder wenn durch sozialistische Stereotypenbilder – zwei glücklich lachende Bauernkinder, ausgerüstet mit Hammer und Sichel – eine heile Welt propagiert wird, drängt sich schnell die Frage auf: Ist das der gleiche Heartfield, den wir als erbarmungslos kritischen, alles hinterfragenden Satiriker kennen?
Beide, so widersprüchlich wirkende Seiten werden in der Ausstellung einander gegenübergestellt, was ein dynamisches Bild des Künstlers zeichnet und zusammen mit seinen Gestaltungen für Bucheinbände zu einer facettenreichen Retrospektive gebündelt wird.

Klaus Staeck - der häufig als künstlerischer Ziehsohn Heartfields angesehen wird - ist insbesondere bekannt für seine politisch motivierten Plakate, die er seit den 1960er Jahren entwarf. Auf ihnen verknüpft er prägnante, oft politisch orientierte, Parolen mit kontrastierenden Bildern. Anhand scheinbar einfacher Mittel schafft er - ähnlich wie Heartfield - Bildformulierungen, die ironisch und zugleich demaskierend funktionieren. So etwa das Plakat “Im Mittelpunkt steht immer der Mensch”, auf dem anstelle eines menschlichen Kopfes ein Waren-Strichcode zu sehen ist. Oder Formulierungen wie “Jeder zweite Abgeordnete ist eine Frau” vor dem Hintergrund einer rein männlich besetzten Abgeordnetenbank, was das Geschlechterverhältnis in Sprache und fotografischer Realität gleichermaßen auf den Punkt bringt.

"Freiheitsrechte verkümmern, wenn man keinen Gebrauch von ihnen macht." Klaus Staeck sieht hierin nicht nur eine eigene Verantwortung seiner Kunst, sondern auch eine öffentliche Pflicht, die eine demokratische Gesellschaft ausmacht.
Gerade im Jubiläumsjahr der bundesdeutschen Verfassung mit ihrer Formulierung der künstlerischen Freiheit – was im Gropius-Bau derzeit mit 60 bedeutenden Werken glorios und zugleich umstritten gefeiert wird – ist es wichtig auch diejenigen Positionen hervorzuheben, die sich offen um eine Bewahrung dieser demokratischen Kunstfreiheit bemühen. Als Aufforderung zur Demokratie lässt sich die Doppelausstellung Heartfield-Staeck daher in besonderer Aktualität und Brisanz betonen – und vor allem anschauen.

Öffnungszeiten:
täglich (außer Dienstag) 10 - 18 Uhr

Berlinische Galerie
Alte Jakobstraße 124 - 128
10969 Berlin
berlinischegalerie.de


Verena Straub

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Daten zu Klaus Staeck:


- documenta 7 1982
- documenta 8 1987
- MoMA Collection
- nbk Berlin
- ZKM Sammlung Karlsruhe


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Titel zum Thema Klaus Staeck:

Ich glotz TV: Kunst findet nicht im Saale statt! Der Plakatkünstler Klaus Staeck
Fernsehtipp: Wieder ein Tag, den wir vorwiegend im trauten Heim verbringen müssen.

Nichts ist erledigt!
7.6. letzter Ausstellungstag: hier nochmals unsere Ausstellungsbesprechung

nie mehr amazon - Plakate von Klaus Staeck im Berliner Stadtraum
Ausstellungsbesprechung: Die Gesellschaft an ihre Verantwortung erinnern und zum Nachdenken bringen, dieser Aufgabe geht Klaus Staeck seit vier Jahrzehnten nach.

John Heartfield und Klaus Staeck in der Berlinischen Galerie (29.5.-31.8.09)
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