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Carsten Nicolai "Rota" in der Schering-Stiftung (3.7.-26.9.09)

von Verena Straub (07.07.2009)


Carsten Nicolai

Unter dem Flicker-Effekt versteht man – laut Internationalem Elektrischen Wörterbuch – den subjektiven Eindruck einer Instabilität der visuellen Wahrnehmung, hervorgerufen durch einen Lichtreiz, dessen Leuchtdichte oder Spektralverteilung mit der Zeit schwankt.
Das Flicker-Phänomen dient auch dem Künstler Carsten Nicolai als Ausgangspunkt für seine Installation „rota“, mit welcher der neue Projektraum der Schering-Stiftung eröffnet wird.

In der Mitte des Raumes rotiert unentwegt ein Zylinder um seine eigene Achse. Durch wabenförmige Perforationen an der Oberfläche strahlt kaltes Licht aus seinem Innern, was aufgrund der Rotation eine stroboskopische Wirkung erzeugt. Je nach Geschwindigkeit der Umdrehung entstehen dabei verschiedene Frequenzen flickernder Lichtimpulse.
Dass dieser pyhsikalische Effekt kulturell und künstlerisch adaptiert wird, ist nicht neu.
Bereits Ende der 1950er Jahre entwarfen die Beatnik-Künstler Brion Gysin und Ian Sommerville die sogenannte „Dreammachine“ - eine Apparatur die mit eben jenem Stroboskopeffekt spielt und dabei – meist in Verbindung mit Drogen – dessen bewusstseinserweiternde Wirkung auf die menschliche Psyche austestet.

Nicolai will den Projektraum der Stiftung jedoch keineswegs in eine psychedelische Hypnosekammer verwandeln, in der die Besucher reihenweise in Trancezustände verfallen.
Vielmehr scheint es ihm zunächst um eine nüchtern wissenschaftliche und experimentelle Erforschung dieses Effekts zu gehen. An einer Wand hängt eine Tabelle, die in objektiv-mathematischer Manier die jeweiligen Wirkungen bei unterschiedlicher Frequenz auflistet. Frequenzband delta mit einer Frequenz von 0,5 - 4,0 Hz kann den Menschen in einen Zustand des Tiefschlafes versetzen, während Frequenzband gamma mit 38 - 70 Hz etwa Erregtheit und Hyperaktivität hervorrufen kann. Dazwischen liegen Hypnose, Kreativität, Hektik, Stress oder sprunghafte Gedankenführung.
Welcher Besucher verspürt da nicht ein leichtes Unbehagen, wenn ihn die Schering-Stiftung in dieses experimentelle Versuchslabor einlädt, in dem der Rotations-Takt des Apparates scheinbar die eigene Gehirntaktung beeinflusst oder gar übernimmt?

In der Tat steht man bisweilen wie hypnotisiert vor diesem Apparat, der neben kühler Wissenschaftlichkeit etwas zutiefst Romantisches verströmt. Bei langsamer Umdrehung tanzen weiße Lichtflecken an den Wänden – wie Lichtreflexe von einer Discokugel. So ganz fehlgeleitet kann diese Analogie nicht sein, wenn man an Carsten Nicolais Experimente im Bereich der elektronischen Musik denkt, die er unter dem Pseudonym „alva noto“ realisiert.
Viele seiner künstlerischen Werke sind an der Schnittstelle zwischen Akkustik und Visualität anzusiedeln – so auch „rota“: Durch Fotozellen am Zylinder werden die Lichteffekte abgenommen und in elektrische Töne umgewandelt, was den visuellen Stroboskopeffekt im Raum als Rhythmus hörbar macht.

Man hat es also mit einem Werk zu tun, das viele Wahrnehmungsmuster zugleich anspricht: Zur raumgreifenden physischen Präsenz des Zylinders kommt die visuelle Reizung durch die Lichteffekte hinzu, gepaart mit akkustisch-elektronischen Signalen. Resultat ist gewissermaßen eine Überreizung, oder eben „Instabilität“ der subjektiven Wahrnehmung, der man sich am liebsten entziehen möchte. Jedoch, der Puls der Maschine „zerrt“ unentwegt an einem, zieht alle Sinne hinein in diese rotierende Wundermaschine, der man sich kaum verweigern kann.
Im Zentrum von „rota“ steht folglich die Frage nach dem eigenen Erleben von Wahrnehmung – eine Frage, die wissenschaftliches Experiment mit künstlerischem Interesse vereint. Als Projektraum, der „Kunst als Forschung“ fördern will, hat die Schering-Stiftung mit Nicolai daher eine äußerst „einleuchtende“ Wahl getroffen.

Abbildung:
- Carsten Nicolai,"rota"
rotierender Zylinder mit perforierter Edelstahloberfläche, Lichtquelle, Sound, 260 x 168 x 168 cm, 2009
courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin und PaceWildenstein/ VG Bild-Kunst, Bonn 2009
- Carsten Nicolai, Projektskizze zur Arbeit "rota"
rotierender Zylinder mit perforierter Edelstahloberfläche, Lichtquelle, 260 x 168 x 168 cm, 2009
courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin und PaceWildenstein/ VG Bild-Kunst, Bonn 2009


Öffnungszeiten:
Mo-Sa 11-18 Uhr

Schering Stiftung
Unter den Linden 32-34
10117 Berlin

scheringstiftung.de/

Verena Straub

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Presse: Carsten Nicolai bei Wikipedia

Presse: Ich glaube, es wirkt schon: Carsten Nicolai baut in Berlin eine Traummaschine Daniel Völzke / Monopol (3.7.09)

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