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Rudolf Stingel "Live" in der Neuen Nationalgalerie

von Anna Heckmann (15.02.2010)
vorher Abb. Rudolf Stingel "Live" in der Neuen Nationalgalerie

Seit dem 10. Februar 2010 sind in der Neuen Nationalgalerie eine raumbezogene Installation und vier großformatige Gemälde des in New York lebenden Schweizer Künstlers Rudolf Stingel (geb.1956) zu sehen, die dieser eigens für die Neue Nationalgalerie entworfen hat. Nach der Ausstellung von Thomas Demand wurde damit ein weiterer Künstler eingeladen, der sich in einer ortspezifischen Arbeit mit der Architektur Mies van der Rohes auseinandersetzt.

Wer in den nächsten Monaten die Neue Nationalgalerie betritt muss vielleicht den Impuls unterdrücken, sich vor dem Eintreten die Füße abzustreifen: in der nüchternen Glashalle Mies van der Rohes liegt ein in Schwarz- und Grautönen gehaltener, opulent-ornamentaler Teppich, der die gesamte Bodenfläche des Obergeschosses bedeckt. Ergänzt durch einen prunkvollen Kronleuchter in der Mitte des Raumes, gewinnt er dem strengen Bauhaus-Tempel ganz neue Qualitäten ab. Mit respektvoller Ironie weckt Stingel abwechselnd die Assoziationen eines festlichen Ballsaales oder eines gemütlichen Wohnzimmers und lenkt den Blick auf die dezent dekorativen Elemente in Mies van der Rohes Architektur.

Vorbild für die Ornamente war ein indischer Agra-Teppich aus dem 19. Jahrhundert. Der Künstler hat seine Farben verändert, das Muster um ein Vielfaches vergrößert und unscharf verschwimmen lassen. Bei direktem Blick auf den Boden wird durch diesen Eingriff das zusammenhängende Ornament zu einem abstrakten, malerischen Gewirr verschiedener Grautöne. Rudolf Stingel "legt sich gerne mit der Malerei an", wie er sagt: für die Neue Nationalgalerie hat er einen gemusterten Teppich zu einem abstrakt-expressionistisches Allover manipuliert und direkt auf dem Boden ausgelegt. Sogar die Besucher werden sich auf der "Auslegeware" mit der Zeit malerisch verewigen, indem sie mit dreckigen Schuhen ihre Spuren hinterlassen.

Im Untergeschoss stößt der Besucher auf vier Ölgemälde die in ihrem Hyperrealismus zunächst wie extrem vergrößerte schwarz-weiß Fotografien wirken. Sie zeigen die Stafelalp bei Davos und die Gipfel der Meraner Berge, der Heimat des Künstlers. Als riesige, teils schneebedeckte Felsformationen, die kaum Platz für Himmel lassen, türmen sie sich in der Monumentalität romantischer Landschaftsmalerei vor dem Betrachter auf. Als Vorlage dienten drei private Schnappschüsse von Stingels Vater, sowie eine Fotografie des Künstlers Ernst Ludwig Kirchner, das den Blick aus der Berghütte wiedergibt, in der er 1938 Suizid begangen hat.

Stingel hat diese Fotografien in einem überdimensionalen, fotountypischen Format eins zu eins reproduziert. Anders als im Falle eines Gerhard Richter oder Franz Gertsch, an deren Fotorealismus man hier zunächst denken mag, greift Stingel weder dramaturgisch noch kompositorisch in seine fotografische Vorlage ein. Die Wirkkraft seiner Gemälde beruht vielmehr gerade in ihrer getreuen Wiedergabe, die sich selbst auf die Patina der alten, erinnerungsbehafteten Fotografien erstreckt. Der Künstler zeigt uns die auf Reproduktionsfehlern beruhenden Lichtpunkte, das langsame Ausbleichen, die Kratzer und Flusen, ja selbst Fingerabdrücke, die Ernst Ludwig Kirchner auf seinem Foto hinterlassen hat.

Auf der Suche nach den Details der vermeintlichen Fotografie nähert sich der Betrachter an. Dabei muss er feststellen, dass die zuvor so präsenten Meraner Berge ähnlich wie der Teppich im Obergeschoss zunächst zu abstrakten Ornamenten zerfallen, um sich schließlich als ein völlig anderes Medium, als Malerei, zu entpuppen und damit die Suche nach fotografischer Authentizität mit einer malerischen Wahrheit zu konfrontieren. Der Künstler stellt die Medienzuordnungen auf den Kopf, er verweist auf auratische Fotografien und auf die reproduzierende Kraft der Malerei. Er verschmilzt verschiedene Reproduktionsschritte, Zeitpunkte und Urheber zu einer nostalgischen Metapher persönlicher Erinnerungen, deren Details durch die Zeit verblassen und auf denen sich allmählich Staub abzulegen beginnt.

Rudolf Stingel visualisiert in der Neuen Nationalgalerie seine Grundüberzeugung über das Wesen von Malerei und die Entwicklungspotentiale des problematischen Mediums: um ihm neue Perspektiven zu eröffnen, darf es nicht nur um rein retinale Qualitäten, um die expressionistische Geste, pittoreske Schönheit oder Komposition gehen. Wie der Teppich zeigt, kann das künstlerische Konzept selbst im Bereich der Malerei die Herstellung durch Künstlerhand ersetzen. Gleichzeitig führt Stingel buchstäblich vor Augen, dass die Alternative kein asketischer Konzeptualismus oder Minimalismus sein muss, sondern er findet einen neuen Weg zum Ornamentalen und Dekorativen, das wichtiger Bestandteil der von ihm verfolgten konzeptuellen Malerei ist.

Ausstellungsdauer: 10. Februar bis 24. Mai 2010

Öffnungszeiten:
Mo geschlossen
Di / Mi / Fr 10:00 Uhr - 18:00 Uhr
Do 10:00 Uhr - 22:00 Uhr
Sa / So 11:00 Uhr - 18:00 Uhr

Neue Nationalgalerie
Potsdamer Straße 50
10785 Berlin

Rudolf Stingel

Anna Heckmann

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