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Wolf Vostell: Das Theater ist auf der Straße

von Eva Biringer (15.07.2010)


Wolf Vostell: Das Theater ist auf der Straße

Wolf Vostell: Das Theater ist auf der Straße
„Ich nehme mir nicht vor, es Ihnen leicht zu machen.“ Wolf Vostell mutet den Teilnehmern seiner Happenings, die er als „Widerhaken im Bewusstsein“ versteht, einiges zu. Einen Spaten in die Hand zu nehmen, um damit Erde umzugraben, gehört noch zu den harmloseren Anweisungen. Nach dem Happening ist vor dem Happening - das Ende ist erst der Anfang des Reflexionsprozesses, der den Zuschauer und Teilnehmer zu einer aufmerksameren Wahrnehmung anleiten soll.

Der anlässlich der Leverkusener Ausstellung „Das Theater ist auf der Straße. Die Happenings von Wolf Vostell“ im Museum Morsbroich erschienene Katalog ist die erste umfassende Publikation zu Vostells Happenings.

Wolf Vostell (1932-1998) hat nicht nur „das Theater auf die Straße“ geholt, sondern die europäische Aktionskunst grundlegend verändert und ist der oft postulierten Vereinigung von Kunst und Leben ein ganzes Stück näher gekommen.
Häufig wurden die Aktionen speziell für einen bestimmten Raum konzipiert und thematisiert, wie die Aktion „Skelett“ aus dem Jahr 1954 zeigt, die in Wuppertal stattfand und die Teilnehmer unter anderem dazu aufforderte, hundert Skelette „von tieren und menschen auch rohes fleisch und innereien ohne erklaerung“ in die Wupper zu legen oder diese rot zu färben.
Über solche Anweisungen, den abgedruckten Schreibmaschinendokumenten im Katalog zu entnehmen, freut sich der Vostell-Kenner ebenso wie derjenige, der wenig vertraut ist mit seinem Werk.

Mit seinen medienkritischen Aktionen, wie etwa den “Fernseh-Dé-Collagen für Millionen“, einer Anleitung zum aktiven TV-Konsum, die den Zuschauer auffordert, Personen auf dem Bildschirm zu küssen, sich vor dem Gerät die Zähne zu putzen oder an die „unbewältigte Vergangenheit zu denken“, setzte Wolf Vostell Maßstäbe. Neben der Bewusstmachung des manipulativen Potentials der Medien strebt er eine bewusste Selbstwahrnehmung seiner Rezipienten an. Gerade heute, wo die Gesellschaft von einer noch weitaus umfassenderen Revolution, nämlich der des Internets, betroffen ist, wünscht man sich einen wie Vostell, der sensibilisiert und Bewusstsein schafft für das Machtpotential des medialen Overkills.

Auf über dreihundert Seiten kann man sich in Vostells Werk vertiefen. Vier Aufsätze beleuchten dabei, auf Spanisch und Deutsch (die Ausstellung wird Ende des Jahres noch in Consorcio Museo Vostell Malpartida gezeigt), verschiedene Aspekte seines Werks.

Fritz Emslander beschäftigt sich mit der zeitlichen Komponente der Happenings und dem daraus resultierenden Problem der Dokumentation. Vostell war sich des Problems der Nicht-Fixierbarkeit seiner Kunst bewusst und suchte nach Wegen, ein breiteres Publikum zu erreichen. Stets betonte er die Einzigartigkeit seiner Aktionen und sprach sich folglich vehement gegen eine Wiederholung aus. Die Ausstellung im Museum Morsbroich (6. Juni bis 15. August 2010) zeigt deshalb neben den Anweisungen und schriftlich fixierten Abläufen der Happenings die dazugehörigen Skizzen, Filmdokumente und Fotografien.
Daran anknüpfend stellt José Cortés Morillo in seinem Beitrag „Schöpfen, Bewahren, Wachsen“ das „Happening Archiv Vostell“ vor.
Friedrich Wolfram Heubach, der selbst an einigen von Vostells Happenings teilnahm, spricht hingegen aus persönlicher Erfahrung und untersucht dabei den Terminus „Happening“.

José Antonio Agúndez García schlägt in seinem Beitrag den Bogen zu Marcel Duchamp, der mit seinem Readymade "Fountain" ein Pissoir zum Kunstwerk erklärte, während Vostell gewissermaßen den Vorgang des Urinierens selbst in den Mittelpunkt rückte und so eine neue ästhetische Kategorie, das „vie trouvée“ begründete. Garcías bezeichnet sich in seinem äußerst lesenswerten Beitrag selbst als „Versuchskaninchen“ Vostells, da er aus unmittelbarer Erfahrung von seinen Begegnungen mit dem Künstler erzählt. Der Autor hatte Vostell während seiner Promotion kennengelernt.
Abgerundet wird der Textteil von einem Interview mit Mercedes Guardado Olivenza Vostell, der Witwe des Künstlers. Sehr persönlich spricht sie über ihre Erinnerungen und betont im Gegensatz zu den anderen Autoren, die Ereignishaftigkeit als wichtigsten Teil der Arbeit ihres verstorbenen Mannes.

Die dem Textteil folgenden Abbildungen dokumentieren einen Großteil der in der Ausstellung gezeigten Exponate wie Fotografien, Skizzen, Zeichnungen und schriftliche Entwürfe. Leider sind diese teilweise so unleserlich klein abgedruckt, dass es Mühe macht, sie zu entziffern.

Dem Katalog beigelegt ist ein kleiner roter, mit „empfehlungen“ überschriebener Zettel. Ursprünglich lag dieser einer Publikation von 1965 bei, nun wurde er durch den Kerber Verlag aktualisiert. „hinterlegen sie ein exemplar im safe ihrer bank“ heißt es da oder „lesen sie jeden tag eine verschiedene seite des buches 20-mal“. Und schließlich: „bedanken sie sich beim kerber verlag für dieses buch.“

Wir sagen: Danke.

Das Theater ist auf der Straße. Die Happenings von Wolf Vostell
Hrsg. José Antonio Agúndez García, Fritz Emslander und Markus Heinzelmann
Kerber Verlag, Bielefeld 2010
Preis: EUR 44, 80
ISBN 978-3-86678-431-4

Eva Biringer

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Spätestens durch seine beiden einbetonierten Cadillacs "in Form der nackten Maja“ von 1987 auf dem Rathenauplatz am westlichen Ende des Kurfürstendamms war der Künstler Wolf Vostell auch außerhalb der Kunstszene bekannt.

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