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Im Zirkus der Rekonstruktionen - Asisi Panorama

von Verena Straub (13.10.2011)


Im Zirkus der Rekonstruktionen - Asisi Panorama

Kommentar zu Yadegar Asisis Panorama im Pergamonmuseum

Auf der Museumsinsel scheint momentan ein interner Wettstreit ausgebrochen zu sein: Welches Museum schafft es in kürzester Zeit die längste Besucherschlange zu erzeugen? Während sich vor dem Bode-Museum schon seit Wochen die Touristen die Beine in den Bauch stehen, um den “Gesichtern der Renaissance” in die Augen blicken zu können, macht nun das Pergamonmuseum in Sachen Schlange Konkurrenz. Seit dem 30. September ist dort Yadegar Asisis 360°-Rekonstruktion der antiken Stadt Pergamon zu sehen, deren Kitschfaktor die Besucherschlange jedoch bei Weitem überholt.

Beim Betreten bin ich mir nicht ganz sicher: Handelt es sich hier um eines der mediterranen Wandgemälde beim Griechen um die Ecke oder befinde ich mich inmitten einer fluoreszierenden Computeranimation? Nicht nur aufgrund der wacklig gebauten Aussichtsplattform kann einem bei diesem Anblick schwindlig werden. Hier meißeln Steinmetze neben rosa blühenden Bäumen, dort tanzen leichtbekleidete Mädchen und am Rande liegen ein paar besoffene Arbeiter in der Wiese, die sich - ganz antike Manier - am Wein ergötzen. Natürlich darf auch der bunt bemalte Pergamonfries nicht fehlen, sowie Kaiser Hadrian, der fachmännisch eine der antiken Baustellen besichtigt. Eingetaucht wird dieses Spektakel schließlich in eine Rundumbeschallung, die ebenso gut als Meditationsübung beim Esoterik-Seminar funktionieren würde. Von Vogelgezwitscher und Hundegebell, über lachende Männerstimmen bis hin zu Engelschören soll ein Tag im Leben der antiken Stadt nachvollzogen werden: “Erleben Sie die Stadt Pergamon und die Vergangenheit als unerschöpfliche Quelle der Erkenntnis”, so Asisi.

Das klingt uns doch irgendwie in den Ohren. Spätestens seit der Diskussion um das Berliner Schloss scheint die detailgetreue Rekonstruktion der Vergangenheit wieder hoch im Kurs zu stehen. Immerhin hat der Wiederaufbau des Schlosses mit der 1:1 Rekonstruktion der barocken Fassaden erst kürzlich wieder eine überwältigende Mehrheit im Berliner Senat erzielt. Wenn das so weitergeht, verwandelt sich Berlins historisches Zentrum allmählich in einen begehbaren Erlebnispark der Rekonstruktionen, ganz nach dem Vorbild Disneyland.

Was in Asisis Panorama als wissenschaftliche “Rekonstruktion einer antiken Stadt” verkauft wird, lässt sich jedoch schnell als Präsentation einer verklärten Antikensehnsucht erkennen. Jeder drittklassige Sandalenfilm bietet authentischere Einblicke in den antiken Alltag. Umso erstaunlicher ist es daher, dass das multimediale Environment in der Presse fast ausschließlich gefeiert wird. In der FAZ wird etwa verkündet: “Gewiss, im Pergamonmuseum ist die Teilrekonstruktion des weltberühmten Altars zu sehen, umgeben von den originalen Reliefs (...) Doch nun, im Panorama, sieht man all dies als Teil einer hinreißenden, sorgfältig geplanten Residenzstadt.” Dass die idealisierte Fantasie-Rekonstruktion als Steigerung und sogar Verbesserung der Originale gewertet wird, zeugt von einem sentimentalen Historismus, dem es mehr um die eigenen Träume der Vergangenheit geht als um historischen Erkenntnisgewinn. Wer hätte denn nicht auch gerne mit den Steinmetzen in der Blumenwiese gelegen? Dabei kann man sich die lange Warteschlange vor dem Museum getrost sparen und sich die Stadt Pergamon direkt ins Wohnzimmer holen. Den Soundtrack zum “Tag im Frühjahr 129 n.Chr.” gibt es nämlich für 5,90€ im Museumsshop zu kaufen. Könnte man so etwas nicht auch für das 590 Millionen schwere Stadtschloss in Betracht ziehen?

“Pergamon. Panorama der antiken Metropole” ist noch bis zum 30. September 2012 zu sehen.

Öffnungszeiten “Panorama”:
täglich 9-18 Uhr, Do 9-21 Uhr

Pergamonmuseum,
Am Kupfergraben 5
10117 Berlin

www.smb.museum

Verena Straub

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Im Zirkus der Rekonstruktionen - Asisi Panorama
Kommentar zu Yadegar Asisis Panorama im Pergamonmuseum
Beim Betreten bin ich mir nicht ganz sicher: Handelt es sich hier um eines der mediterranen Wandgemälde beim Griechen um die Ecke oder befinde ich mich inmitten einer fluoreszierenden Computeranimation?

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