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Das Archiv des Erlebten – Routenverfolgung im mobilen Zeitalter

von Teresa Reichert (25.11.2011)


Das Archiv des Erlebten – Routenverfolgung im mobilen Zeitalter

Tracing Mobility im Haus der Kulturen der Welt

Ausstellungsbesprechung: Tracing Mobility

Jeden Tag, bei jedem Schritt, den sie gehen sobald sie ihre Wohnung verlassen, tragen die Künstler Sophia New und Daniel Belasco Rogers, bekannt als „plan b“, ein Navigationsgerät bei sich, das ihre Wege aufzeichnet. Während der Öffnungszeiten der Ausstellung „Tracing Mobility“ im Haus der Kulturen der Welt zeichnen sie mit Bleistift die Spuren nach, die sie in den letzten fünf Jahren in ihrer Wahlheimat Berlin elektronisch hinterlassen haben. Manche der abgelaufenen Wege, wie ihr Nachhauseweg, erscheinen dabei dick und dunkelgrau auf der Zeichnung, andere, wie die Fahrt zu IKEA, als vereinzelte dünne Linie. Jeder Schritt wird so nicht nur gespeichert, sondern auch durch den Akt der Zeichnung wiederholt. Die Überwachung ihrer Schritte ist beiden dabei stets bewusst und doch wird er, wie bei den meisten von uns in Zeiten von Überwachungskameras und Datenkollektion im Internet, zur Alltäglichkeit.

Die sich verändernde Wahrnehmung von alltäglich Erlebtem, von Entfernung und Nähe, von Zeit und Raum sind die Themen der seit Mittwoch eröffneten Ausstellung im HKW. 16 internationale Künstler wurden eingeladen zu untersuchen, wie elektronische Netzwerke und mobile Medien unser Leben nachhaltig verändern. Wie hat sich unser Gefühl von Distanz gewandelt, seit wir ständig mit Leuten in New York vernetzt sein können; wie anders reisen wir seit Google Maps uns den schnellsten Weg, samt Fotos, vorschlägt und wie hat sich unser Tagesablauf verändert, seit wir so vieles per Mausklick von zu Hause erledigen können?

Ein Weg mit dieser sich verändernden Realitätswahrnehmung umzugehen, scheint das fast krampfhafte Festhalten an Geschehenem und Erlebtem zu sein. Und der neue Trend, dieses sofort mit anderen teilen zu wollen. Der britische Künstler Simon Faithfull, der gleich drei Arbeiten in der Ausstellung präsentiert, skizziert mit Hilfe einer selbstentwickelten App auf seinem iPhone in seiner Arbeit „Limbo – An Expanding Atlas of Subjectivity“ (2011) alles, was ihm vor die Augen kommt und interessant erscheint, und verschickt die Bilder per Twitter und Facebook. Doch nur im Digitalen Raum sollen die Bilder nicht existieren: Die Zeichnungen werden vor Ort ausgedruckt und an einen mit demselben Programm kreierten Stadtplan Berlins gepinnt.

Dieses Aufbewahren und Archivieren von Erlebtem zieht sich wie ein Leitfaden durch die Ausstellung. Plan b archivieren seit Jahren nicht nur ihre täglichen Wege, sondern auch ihre SMS. Die der letzten fünf Jahre werden während der Ausstellungsdauer auf eine lange und wachsende Papierrolle gedruckt. Dies wirft die Frage auf, ob durch die immer schnellere Verarbeitung von Informationen und den sekundenschnellen Austausch von Kommunikation der Eindruck besteht, die Dinge nicht richtig erlebt zu haben und somit mit Hilfe von Aufzeichnungen erneut durchleben zu müssen. Besteht eine Angst vor dem Vergessen und vergessen werden? Wie viel kann man festhalten, wie viel durch neue Technologie speichern und wieder erleben? Oder besteht andersherum der Wunsch nach authentischer Erfahrung – barfuss durch nasses Gras laufen und die Nässe wirklich spüren (und es dann per Facebook-Status mit der Welt zu teilen).

Mit Erinnerungen und Erfahrungen von nicht selbst Erlebtem beschäftigen sich Janet Cardiff und George Bures Miller in ihrer Installation „Road Trip“ (2004). Sie benutzen einen klassischen Dia Projektor und gefundene Fotos zur Rekonstruktion einer Reise von Millers nie gekanntem Großvater vom kanadischen Calgary nach New York. Ihre Stimmen sind über Lautsprecher zu hören, das Wechseln der Dias korrespondiert mit ihrem Gespräch. Dabei bleibt unklar, welche Erinnerungen ihnen durch Aufzeichnungen bekannt sind, was dazu erfunden und was falsch verstanden wurde.

Ähnlich beschäftigt sich Simon Faithfulls zweite Arbeit in der Ausstellung mit der Notwendigkeit der eigenen Anwesenheit für das real empfundene Geschehen. In seinem Film „Going Nowhere“ (1995) entfernt sich der Künstler immer weiter von seiner Kamera im Schnee. Fast scheint es so als wolle Faithfull seine eigene Abwesenheit sowie die Suche nach dem Nirgendwo festhalten. In seinem anderen Video „Going Nowhere 2“, das dem ersten gegenüber gestellt ist, läuft der Künstler wieder von der Kamera weg, diesmal jedoch auf dem Meeresgrund, ohne Sauerstoffgerät. Vielleicht gibt es trotz Google Earth noch einige Orte die uns weiterhin unzugänglich sind.

Fotos: Teresa Reichert

Tracing Mobility: Cartography and Migration in Networked Space
Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
10557 Berlin
tracingmobility.org
Ausstellungsdauer: 24.11. – 12.12.2011
Öffnungszeiten: Mi – Mon 11 – 19 Uhr, Eintritt frei

Teresa Reichert

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