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Ein Forscherzirkus auf Reisen - BMW Guggenheim Lab

von Verena Straub (07.12.2011)
vorher Abb. Ein Forscherzirkus auf Reisen - BMW Guggenheim Lab

Das BMW Guggenheim Lab macht Station in Berlin

Bald ist es soweit. Im Mai 2012 (vom 24. Mai bis 29. Juli) eröffnen BMW und Guggenheim-Museum eine temporäre "Ideenschmiede" auf dem Pfefferberg in Berlin. Zeit, einen ersten Blick auf dieses “mobile Forschungslabor” zu werfen, das zwei Monate lang ein provisorisches Gebäude mit Workshops, Vorträgen und reichlich “Think-Tank”- Gerede einnehmen wird.

Mit aufgeblasenen Versprechungen preist sich das BMW Guggenheim lab als “multidisziplinäre Begegnungsstätte” und “Gemeindezentrum” an, mit dem Ziel “zukunftsweisende Lösungsansätze für das Leben in der Stadt” zu entwickeln. In einem Zweijahreszyklus reist der urbane Forscherzirkus um die Welt. Nach der Eröffnung in New Yorks Lower East Side letzten Sommer schlägt das Projekt nun also seine Zelte in Berlin auf, um von dort schließlich nach Mumbai weiterzureisen. Das Thema in allen drei Städten lautet: “Confronting Comfort”. Unter diesem Banner sollen “Lebensqualität, Wohlstandsstreben, soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit” in unseren Städten thematisiert werden.

Ein Blick auf die Website genügt, um die manische Do-it-yourself-Verheißung des “Labors” als rhetorische Blase zu entlarven. Bunte Mitmachaufforderungen im Twitter-Stil suggerieren pseudo-revolutionäre Partizipation, während die gestellten Fragen (“Wie würdest Du den Komfort in deiner Stadt verbessern?”) kaum über Belanglosigkeiten hinausreichen. Die vor ihrem Laptop euphorisch partizipierenden Wohlstandskinder fordern dementsprechend: “Sofas an jeder Straßenecke”, “mehr Expressbusse in Manhattan” und “Spaß”! Angesichts der Millionen von Arbeitslosen, die sich als Resultat der weltweiten Finanzkatastrophe nicht mal ein eigenes Sofa leisten können, wirken diese “innovativen Problemlösungen” für die “urbanen Herausforderungen unserer Zukunft” im besten Fall wie infantiles Geplapper, im schlechtesten wie makabre Scherze. Sieht so die innovative Ideenschmiede unseres Jahrhunderts aus?

Doch lassen wir einmal die farbigen Twitter-Ergüsse beiseite und blicken auf das tatsächliche Programm des BMW Guggenheim Labs, das in New York immerhin interessante Veranstaltungen versprach. Neben wissenschaftlichen Vorträgen und Workshops wurden dort auch lokale Künstler wie Clayton Patterson eingeladen, der sich mit der alternativen Geschichte des Stadtviertels beschäftigt und sich selbst als Aktivist gegen autoritäre Stadtstrukturen lehnt. Auch Dokumentarfilme über New Yorks Hausbesetzerszene wurden präsentiert, die sonst nur schwer einen Aufführungsort finden. Eingepfercht in einer Lücke zwischen zwei Gebäuden, wo vorher kaum mehr als ein paar Ratten hausten, bemühte sich das temporäre Lab sichtlich darum, in einen Dialog mit den Anwohnern und der lokalen Szene zu treten.

Natürlich kann man das zunächst lobenswert finden. Endlich begeben sich Unternehmen wie BMW und Guggenheim auf Straßenlevel und widmen sich den Bedürfnissen und Problemen der Stadtbewohner. Und doch stellt sich hier die entscheidende Frage: Brauchen wir tatsächlich “Gemeindezentren”, die von Autohäusern und globalen Franchise-Museen gesponsert werden? Brauchen wir hübsch designte Websites, um unsere Anliegen, 70 Zeichen lang, in einem engen Fragenkorsett formulieren zu können?

Sowohl in der Lower East Side als auch im Prenzlauer Berg existieren bereits zahlreiche selbstorganisierte Initiativen und Gemeindegruppen, die sich seit Jahren mit den Bedürfnissen der Anwohner, sowie den Problemen der Stadtentwicklung auseinandersetzen. Statt an bestehende Strukturen anzuknüpfen, stülpt das Lab seine eigenen Strukturen über. Statt lokale Bewohner zu befragen, reisen die amerikanischen Phd-Studenten lieber für ein paar Wochen selbst nach Kreuzberg, um uns im New Yorker Lab über die Berliner Gentrifizierung zu unterrichten. Ein paar Fotos von Kreuzberger Anti-Tourismus Graffitis hier, ein paar oberflächliche Zahlen da - und fertig die urbane Analyse des Mode-Kiezes. Auch die übrigen Vorträge, die ich vor Ort sehen konnte, kamen selten über assoziatives Brainstorming oder aufgeblähte Wortspielereien à la “glocalization” hinaus.

Was bei all der Erforschung des Trend-Themas “Gentrifizierung” vergessen wird, ist, dass das Lab selbst ein Symptom des Problems ist. Die lokalen Diskussionen rund um das BMW Guggenheim Lab in der Lower East Side (wie etwa in Nachbarschafts-Blogs sichtbar wird) zeigen, dass viele der Anwohner mit Ablehnung und Kritik reagierten. Anstatt lokale Unternehmen zu beschäftigen, vergab das Lab den Catering-Auftrag an ein Brooklyner Lokal und schadete somit den angestammten Restaurants. Und trotz aller Bemühungen um Offenheit, setzte sich das Klientel im New Yorker “Think Tank” doch wieder aus derselben elitären Clique zusammen, die man von Ausstellungseröffnungen mit Sektgläsern in der Hand kennt. “Confronting Comfort”: müsste das nicht vielmehr zu einer kritischen Selbstbefragung führen?

In New York scheint das Projekt kaum mehr als schnelllebige, bunt-schillernde Wegwerflösungen geschaffen zu haben; von der viel beschworenen Nachhaltigkeit keine Spur. Nun bleibt es abzuwarten, welche Reaktionen das Lab in ein paar Monaten auf dem Pfefferberg hervorruft. Man kann auf eine interessante Kontroverse hoffen.

bmwguggenheimlab.org

Verena Straub

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