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Moritz Frei im ARD Hauptstadtstudio Berlin

von Teresa Reichert (16.12.2011)


Moritz Frei im ARD Hauptstadtstudio Berlin

Wie selbstkritisch ist das Erste deutsche Fernsehen? Und wie frei in seiner Meinungsäußerung darf ein Künstler heutzutage sein? Dies scheinen die großen, wenn auch nicht offiziellen Fragen der Ausstellung „Heute ist morgen schon gestern“ in dem ARD Hauptstadtstudio zu sein. Über einen Zeitraum von zwei Jahren begleitete der Künstler Moritz Frei die „Feste der Volksmusik“ der ARD mit seiner Kamera. 15 seiner so entstandenen Fotografien sind zurzeit, über 5 Etagen verteilt, in dem Berliner Sitz der ARD zu sehen.

Der 1978 in Frankfurt am Main geborene Künstler, der Fotodesign in Berlin und Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig studierte, will, so sagte er in seiner Eröffnungsrede, durch seine Bilder kein Werturteil fällen. Die Volksmusik ist ein heikles Thema, sie spaltet bekanntlich die Meinungen. Jedoch, so viele sich auch gegen sie wenden mögen, besonders in den letzten Jahren und nicht zuletzt durch den frischen Wind des Moderators Florian Silbereisen, erfreuen sich die Feste der Volksmusik wie immer großer Beliebtheit.

Freis Fotografien versuchen die Bildränder zu zeigen, den Übergang zwischen dem, was der Fernsehzuschauer auf dem Bildschirm sieht, und dem, was dahinter liegt. Er interessiert sich für das wenig glamouröse Treiben hinter den Kulissen. Auf seinen Bildern sind weiße Sofas zu sehen, die, wie um ihnen etwas Ruhe zu gönnen, auf den blauen Publikumsstühlen abgestellt wurden; ein Musiker steht etwas verloren im Dunst der Rauchmaschine, ein Moderator wartet müde aussehend auf der Bühne auf seinen Auftritt. Die Bühne erscheint dabei eher künstlich; aus Karton und Pappmaché gefertigte, römisch wirkende Säulen und Tore werden von der Seite fotografiert, sodass ihr hohles Inneres deutlich zu sehen ist. Jedoch ist dies nicht weiter überraschend. Auch den größten Fans der Volksmusik ist klar, dass es sich hier um eine Kulisse und nicht einen spätrömischen Weingarten handelt.

Die Detailaufnahmen hinter den Kulissen könnten in jedem beliebigen Studio einer Fernsehshow dieser Welt aufgenommen worden sein. Sie wirken unspezifisch. Nur manchmal erscheint ein bekanntes Gesicht aus der Volksmusikszene: Zwei adrett in rosa Dirndln gekleidete Damen (Maria und Margot Hellwig) posieren auf den Publikumsstühlen und auch Florian Silbereisen taucht auf, auf dem Weg zur Bühne. Diese wenigen identifizierbaren Aufnahmen wirken fast wie ein Beweis, dass es sich wirklich um Dreharbeiten zu Feste der Volksmusik handelt.

Dem Künstler scheinen die unspektakulären Seiten der Produktion der Fernsehshows, das im Detail überraschende oder komische, viel wichtiger zu sein. Er interessiert sich für die Hintergründe, das Versteckte und nicht für die Stars der Show. Vielleicht würden Moritz Freis Fotografien in einem neutraleren Ausstellungsraum, und sogar ohne Erwähnung des Namens der Show, besser zur Geltung kommen. Denn durch die Wahl des Ausstellungsortes ist man schnell versucht, ständig nach dem berühmten Werturteil zu suchen – traut er sich, er der als junger Mensch doch eine Meinung zu dieser Show haben muss, diese auch offen zu zeigen? Und, noch viel interessanter, traut sich die ARD diese Bilder dann auch auszustellen? Nein, sie trauen sich nicht. Es wird der sichere Mittelweg gewählt, es wird weder gelobt noch getadelt, weder wird die heile Welt der Volksmusik glorifiziert, noch wird sie kritisiert.

Freis fotografischer Stil erinnert dabei an die „Deadpan Photography“ von Andreas Gursky oder Stephen Shore. Seine Bilder wirken neutral, die Subjekte scheinbar emotionslos, der Fotograf abwesend und distanziert. Formal interessant sind die Fotos dadurch durchaus. Jedoch drängt sich der Gedanke auf, dass dies nicht alles sein kann, das in zwei Jahren Arbeit entstanden ist. Der Fotograf muss dem Treiben doch näher gekommen sein und kann über einen solchen Zeitraum hinweg keinen so distanzierten Abstand gehalten haben. Hat er nie das Gespräch zu Stars, Mitarbeitern oder Zuschauern gesucht? Hat er nicht versucht, ein wenig an der Fassade zu kratzen? Die Frage ist auch, ob man ein Millionengeschäft wie die „Feste der Volksmusik“ als Künstler so neutral darlegen kann. Täuscht Frei sich nicht, wenn er behauptet, er wolle kein Werturteil fällen? Nicht unbedingt gegen die Volksmusik im Speziellen, sondern gegen die Fernsehwelt im Allgemeinen. Er, der seit zwölf Jahren keinen eigenen Fernseher mehr besitzt.

Moritz Frei berichtete von mehreren hundert Fotografien, die während seiner Arbeit an der Serie entstanden, jedoch letztendlich nicht für die Ausstellung ausgesucht wurden – vielleicht sind dort die spannenderen Motive drauf.

Fotos: Teresa Reichert

Heute ist morgen schon gestern - Fotografien von Moritz Frei
ARD-Hauptstadtstudio
Wilhelmstraße 67a, 10117 Berlin
Ausstellungsdauer: 09.12.2011 - 03.02.2012

Teresa Reichert

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Titel zum Thema Moritz Frei:

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Ausstellungsbesprechung: Von Werturteilen und dem schönen Schein der Fernsehwelt
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