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Ausstellungsbesprechung: „db“ – Ryoji Ikeda im Hamburger Bahnhof

von Vivi Kallinikou (31.01.2012)


Ausstellungsbesprechung: „db“ – Ryoji Ikeda im Hamburger Bahnhof

Ein grafisches Statement führt in die erste deutsche Einzelausstellung des japanischen Komponisten und Bildenden Künstlers Ryoji Ikeda ein: “dark – bright, deaf – blind, […] dimension – boundary, […] disorder and balance, […] do and be”. Es beschreibt nicht nur spielerisch mögliche Raumerfahrungen beim Betreten seiner eigens für den Hamburger Bahnhof konzipierten Klang-Licht-Installation, sondern stellt Antonyme oder dialogische Wortpaare mit den Titelbuchstaben d und b gegenüber. Sie liefern Denkanstöße und Ansätze für ein erstes Raumverständnis.

Ryoji Ikeda gehört zu den international führenden elektronischen Komponisten und Künstlern. Er orchestriert aufwendige Live-Performances und Installationen mit Klang und Licht, mathematischen Begriffen und physikalischen Phänomenen, dabei reduziert er akustische und visuelle Formen auf ein Minimum. So nutzt er für seine Modellierungen Schallwellen, Soundimpulse, Lichtpixel oder Zahlendaten.


Die beiden symmetrischen Räume im Obergeschoss des Hamburger Bahnhofs werden erstmalig kompositorisch miteinander verbunden und als komplementäre Räume bespielt. Mit dem Titel „db“ greift die Ausstellung die Symmetrie der Gesamtkomposition auf und verweist auf die komplementäre Verbindung der beiden Räume und ausgestellten Werkreihen.

Ryoji hat einen weißen und einen schwarzen Raum jeweils als Pendant zueinander entworfen. Raum und Zeit werden von Licht, Klang und dem Besucher modelliert. Ein schwarzer Parabol-Lautsprecher gibt eine Sinuswelle, der einfachste musikalische Baustein, in den weißen Raum ab. Jede Bewegung des Besuchers verändert das Klangfeld.
Ein Scheinwerfer, normalerweise für Außenräume eingesetzt, wirft im schwarzen Raum einen besonders lichtstarken Strahl durch den gesamten Raum. Er trifft durch ein Loch in der Zwischenwand das Raumende und wird als Kreis wahrgenommen. Auch hier verändert die Bewegung des Besuchers den Raum, Reflexionen und Schatten füllen ihn.

Zwei ebenfalls sich komplementär zueinander verhaltende Werkreihen, „die irreduzible Zahl [n°1-10]“ (2009) und „die transzendentale Zahl [n°4] (2012), begleiten die zentralen Arbeiten. Im weißen Raum hängt eine zehnteilige schwarz auf schwarz gedruckte Pigmentserie an der Wand, 1,5 Millionen Ziffern einer irreduziblen Zahl in einem festgehaltenen Zustand auf jeder Platte. Je nach Entfernung und Winkel wirken sie wie vor der Wand oder in die Wand eingelassen. Irreduzible Zahlen sind unzerlegbare, natürlich Zahlen. In voller Länge ausgeschrieben, sind sie potenziell endlich, aber erst in einer sehr fernen Zukunft möglich.
Im schwarzen Raum stehen ihnen zehn Videoprojektionen von „die transzendentale Zahl“ mit unendlichen Zahlenreihen in schneller digitaler Bildfolge gegenüber, die während der Ausstellungsdauer berechnet werden. Klänge sind mit den Arbeiten kombiniert: Impulse, reduzierte musikalische Elemente, werden bei jedem Stillstand des Bildes abgegeben, ein zweiter Ton untermalt die Bildfolge während der Berechnung der transzendentalen Zahl.

Beide Werkreihen thematisieren die potenziell unendliche Zahlenreihe auf Basis mathematischer Forschung. Ryoji Ikeda gewährt jeweils einen Einblick in die Unendlichkeit der Zahlen. Seine Komposition der symmetrischen Räume versteht sich als Einsicht in die Unendlichkeit von Raum und Zeit, aber auch in die Endlichkeit und Grenzen menschlicher Existenz.

Er wandelt Klang, Licht und Welt in Sinuswellen, Pixel und Daten um und untersucht in seinen Arbeiten die Möglichkeit einer noch minimaleren Darstellungsweise. „db“ ist laut Eigenaussage seine minimalistischste Ausstellung.
Bei aller Strenge und Reduktion zeigt Ryoji in einem spielerischen Umgang, dass es ihm primär aber nicht um eine wissenschaftliche Systematik oder Logik geht. Visuelle und akustische Erfahrungen der Besucher stehen in „db“ im Vordergrund.

Entscheidend für Ryojis Arbeit ist der erste Eindruck: Die Überforderung beim Anblick des weißen Raumes beispielsweise, wenn der Besucher seinen Sinnen trotz des intensiven Lichts nicht traut und optische Täuschung und Klänge auf falsche Fährten locken. In einem zweiten Schritt analysiert er Machart und Konstruktion der Arbeit und kann sich an den eingebauten Spielereien des Künstlers erfreuen. Es bedarf eines langen und wiederholten Aufenthaltes, um Ryojis Komposition und Verständnis, vor allem aber ein eigenes Konzept von Raum und Zeit, Klang und Licht vollends zu verstehen und zu entwickeln. Das Raumerlebnis ist faszinierend und verstörend zugleich.

„db“ findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Musikwerke Bildender Künstler“ in 13. Folge als Zusammenarbeit der Freunde Guter Musik Berlin mit der Nationalgalerie – Staatliche Museen zu Berlin statt. Die Ausstellung läuft vom 28. Januar bis 9. April 2012 und wird von einer Broschüre begleitet.

Abbildungen: Ryoji Ikeda db, 2012 Ausstellungsansicht Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin, 2012 Foto: Uwe Walter Ryoji Ikeda, courtesy Freunde Guter Musik Berlin

Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, Stattliche Museen zu Berlin
Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin
Ausstellungsdauer: 28. Januar bis 9. April 2012
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18 Uhr, Sa 11-20 Uhr, So 11-18 Uhr
hamburgerbahnhof.de/

Vivi Kallinikou

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Daten zu Ryoji Ikeda:


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