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Boris Mikhailov. Time is out of joint. Fotografien 1966 – 2011

von Vivi Kallinikou (29.02.2012)


Boris Mikhailov. Time is out of joint. Fotografien 1966 – 2011

Boris Mikhailov, Luriki, 1981, Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin

Ausstellungsbesprechung: Extreme Zeiten erfordern extreme Maßnahmen

Ins Gefängnis musste er nicht, aber er hatte immer das unangenehme Gefühl unter Beobachtung zu stehen, sagt Boris Mikhailov über seine Arbeit in der Sowjetunion. Er trat als Fotograf nie öffentlich auf, Fotografie galt schließlich nicht als Kunst. Erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion begann seine Karriere als anerkannter Künstler, Stipendien führten ihn ins Ausland, wo er fotografieren und ausstellten konnte, 1996 – im Rahmen des DAAD Künstlerprogramms – auch nach Berlin. Er kehrte 2002 in die Stadt zurück und pendelt seitdem zwischen Berlin und seiner Heimatstadt Charkow. Die Berlinische Galerie widmet dem 1939 geborenen Ukrainer mit der Ausstellung „Time is out of joint“, in der über 300 Fotografien zu sehen sind, die erste umfassende Werkschau in Deutschland.

Nach seinem Studium arbeitet Boris Mikhailov zunächst als Ingenieur im Raketenbau. Von der Arbeit unbefriedigt, von künstlerischen Ambitionen zu kreativer Auseinandersetzung mit seinem Umfeld gezwungen, beginnt er einen Film über die Arbeit in seiner Fabrik zu drehen, dokumentiert Betriebsfeiern und andere Zusammenkünfte. Sehr bald will er mehr als bloße Dokumentation, versucht sich an Aktfotografie und entwickelt sie im Labor der Fabrik. Als der KGB in den frühen 60er Jahren die Aktfotos findet und beschlagnahmt, kündigt das regimetreue Unternehmen Mikhailovs Anstellung. Die Kündigung stellt sich später als der erste Schritt einer erfolgreichen Fotografenkarriere heraus.

Boris Mikhailov, ohne Titel (aus der Serie Case History), 1997-1999, Sammlung Berlinische Galerie, Berlin, Copyright the artist

Er übt fortan autodidaktisch den Umgang mit der Kamera, erprobt im Fotolabor verschiedene technische Methoden, experimentiert frei mit Überlappung von Diapositiven, verfremdet Fotografie durch Handkolorierung oder kombiniert sie mit Text. Seine Auseinandersetzung mit fotografischen Techniken, unterschiedlichen Stilen und die Verbindung von Dokumentation und konzeptueller Kunst machen seine Arbeit zu einer der wichtigsten Positionen der Gegenwartsfotografie und ihn zu einem der versiertesten Fotografen seiner Zeit, der ebenso schonungslos wie humorvoll ein Bild seiner Umgebung schafft.

Die Ausstellung „Time is out of joint“ ist als Werkschau konzipiert und vereint eine Auswahl von Mikhailovs frühen, experimentellen Bildern bis zu seinen jüngsten, in Berlin entstanden Arbeiten zwischen 1966 bis 2011. Die Ausstellungsmacher knüpfen an die Sammlungsbestände der Berlinischen Galerie an, gleichzeitig präsentieren sie den Bezug Mikhailovs zu Berlin und stellen mithilfe ausgewählter Werkgruppen umfassend sein Schaffen vor.

Boris Mikhailov, Rote Serie , 1968 - 75, Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin, Copyright the Artist

Der Architekt David Saik hat die Ausstellungsarchitektur gestaltet. Drei Räume und die Außenwand im Treppenhaus der Berlinischen Galerie werden mit 13 Werkreihen in unterschiedlicher Hängung bespielt. Der Fotograf wurde in die Konzeption der Ausstellung mit einbezogen und hat die Präsentationsmöglichkeiten seiner Arbeit bestimmt: Es finden sich Werkreihen in Rahmen, unter Passepartouts, direkt an die Wand montiert oder rahmenlos unter Glas.

"Time is out of joint", die Zeit ist aus den Fugen, zitiert Shakespears Hamlet (1. Akt, 5. Szene: „The time is out of joint; O cursed spite! / That ever I was born to set it right!“) und deutet auf den Umbruch der Zeit als Thema in Mikhailovs Arbeiten – die Schnittstelle Ost-West, das Ende der Sowjetunion, das Ende des Kalten Krieges.

Für die bekannte Werkreihe der Krankengeschichten „Case History“, an der Mikhailov von 1997 bis 1999 arbeitete, schießt er über 400 Porträts von Obdachlosen seiner Heimatstadt. Schonungslos inszeniert er Menschen am Rand der Gesellschaft, lässt sich ihre Wunden und gebrochenen Körper zeigen. Mit dieser Reihe sei es ihm ein ehrliches Bedürfnis gewesen, den Abgrund der ukrainischen Gesellschaft zu dokumentieren.

In der Serie „Red“ (1968-1975) kommentiert Mikhailov mit Kolorierungen ironisch den übermäßigen Gebrauch der Farbe Rot in der offiziellen Kultur der Sowjetunion; auf Bildern von Paraden haben Lenin und Breschnew intensiv rote Lippen. Es ist eine spielerische und regimekritische Reihe. In regimefernen Künstlerkreisen der Sowjetunion wurden Mikhailovs frühen Experimente, besonders die Serie „Superimpositions“ (auch 1968-1975) als künstlerische Neuheit gefeiert und auch auf den modernen westlichen Betrachter üben sie einen faszinierenden Reiz aus. Pornografische Serien wie „Wenn ich ein Deutscher wäre…“ von 1994 oder die Hautkrankheiten von Obdachlosen zeugen hingegen von einer verstörenden Ästhetik.

Boris Mikhailov, Superimpositions for the 60s/70s, 2005, Courtesy Galerie Barbara Weiss, Berlin, Copyright the artist

„Time is out of joint“ ist vom 24. Februar bis 28. Mai 2012 zu sehen. Ein Katalog und eine Handvoll Künstlergespräche begleiten die Ausstellung und bemühen sich um eine weitreichende Vermittlung.

Boris Mikhailov. Time is out of joint. Fotografien 1966 – 2011
Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jacobsstraße 124 – 128, 10969 Berlin
Ausstellungsdauer: 24.02. – 28.05.2012
Öffnungszeiten: Mi-Mo 10-18 Uhr
berlinischegalerie.de

Vivi Kallinikou

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Ausstellungsdauer: 24.02. – 28.05.2012
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