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Aus Figur mach Form, aus Form mach Figur. François Morellet figuratif – Gunda Förster konkret

von Vivi Kallinikou (21.01.2013)
vorher Abb. Aus Figur mach Form, aus Form mach Figur. François Morellet figuratif – Gunda Förster konkret


© Gunda Förster

Als ich noch zur Schule ging tauschten und sammelten wir Murmeln, vor allem aber trugen wir mit ihnen Wettbewerbe aus, deren Regelwerk umfangreicher war, als die Verzierungen unserer Kugeln. Sie glänzten in blau oder gelb, waren gepunktet, gestreift, aus Glas, Ton oder Kunststoff und, abhängig von ihrem Material, ihrer Erscheinung und Größe, unterschiedlich viel wert. An diesem Eröffnungsabend der Doppelausstellung „François Morellet figuratif – Gunda Förster konkret“ bewegt sich der Besucher zwischen über 30000 ausgestellte Glasmurmeln, im bunt und grell erleuchteten Kunst-Raum. Es ist ein schmaler Grat zwischen Traum und Wirklichkeit, Erinnerung und Imagination.

Anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages am 22. Januar wurde in der aktuellen Ausstellung im Kunst-Raum des Deutschen Bundestages eine Gegenüberstellung zweier Künstler gewagt: Sie, Gunda Förster, Berlinerin, fotografiert, arbeitet mit Video- und Objektinstallation – er, François Morellet, Franzose, ein Schwergewicht der Konkreten Kunst. Gemeinsam ist ihnen der Raum als Bestandteil ihrer Arbeit und die Auseinandersetzung mit Licht. Beide sind mit ihren Arbeiten bereits in der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages vertreten. Morellet (*1926 in Cholet, Frankreich) und Förster (*1967 in Berlin) wurden vom Beirat des Deutschen Bundestages eingeladen, ein Ausstellungskonzept in den Räumen zu realisieren, jeder für sich alleine und doch aufeinander bezogen.
Nicht zuletzt im Ausstellungstitel, der von den Künstlern gewünscht war, kommentieren die Ausstellungsmacher ironisch das Spannungsverhältnis zwischen den beiden, indem sie die Bedeutung der genutzten, simplen, für jeden Betrachter zugängliche Materialien und Gegenstände verschieben. Dabei verfolgen Förster wie Morellet eine seriell durchgehaltene Idee in der Herstellung ihrer Arbeiten, bei der sie ihre eigene künstlerische Individualität und Subjektivität zurücknehmen.

Gunda Förster gelingt das im Obergeschoss des Kunst-Raumes mit ihren Murmelinstallationen. Die erste Murmel (2013), erstrahlt in Kobaltblau hinter einem Glaskasten, erhoben auf einem kleinen Podest. Sie ist die einzige mundgeblasene Glaskugel in der Ausstellung, eine Rarität nicht nur vor Ort, sondern grundsätzlich, denn in Deutschland werden Murmeln nicht mehr hergestellt. Die 32.000 im Raum ausgestellten kommen aus Mexiko und China, sie sind in 18 verglasten Leuchtkästen mit den Ausmaßen 89x8 cm zufällig angeordnet. Die meisten sind blank, zwischen ihnen finden sich farbige, eingefasste und verzierte Murmeln. Die Lichtquadrate hängen an der Wand oder liegen auf dem Boden, darin verlieren die Murmeln ihre Materialität, funkeln wie Wasser, verweigern einen Zugriff und werden lediglich Oberfläche – und damit konkret. Diesem Bild stellt Förster ein 180x270 cm großes Leuchtpodest gegenüber, auf dem 2000 Glasmurmeln in allen möglichen, zufällig ausgewählten Variationen ausliegen. Der Betrachter partizipiert, er bewegt und wirft die industriell gefertigte Kugeln hin- und her und wird im entfernten Sinn selber zum Künstler.

Bild nach Ausstellungsende entfernt
© François Morellet, Courtesy Galerie m Bochum, Ready remake n°1, 29 tubes de néon blanc et acrylique sur toile sur bois 3/3, 2012

François Morellets Arbeiten hängen im Erdgeschoss über Eck. Industriell gefertigte weiße Neonröhren, auf deren Produktion er keinen Einfluss hat, sind aufeinander montiert und ergeben grell erleuchtete Rechtecke. Als wichtiger Vertreter der Konkreten Kunst hat sich Morellet dem Objekt und ausschließlich dem Objekt verpflichtet. Die weißen Leuchtröhren verweisen folglich nur auf sich, sie wollen keine Stimmung wiedergeben, lediglich einen Gedanken materialisieren. Weilt man einen Augenblick vor den Lichtobjekten, werden plötzlich Formen sichtbar. Die Neonröhren sind so gebogen, dass sie schemenhaft die Grundrisse von Kunstikonen formen. So ist ein Marinebild von Monet abgebildet, Duchamps „Fontäne“ findet sich gleich in zweifacher Ausführung und auch die „Merda d´Artista“ von Manzoni ist zitiert. Morellet bricht mit seiner Tradition und bildet plötzlich etwas ab, er wird figurativ. Eine weitere Arbeit von Morellet befindet sich im Mahnmal des Deutschen Bundestages. Die Wandelbare Wand materialisiert eine Erinnerung an die deutsche Geschichte durch ihre Assoziation zur Öffnung der Mauer und damit eine Begegnung zwischen Ost und West.

Das Objekt bleibt im Kunst-Raum diesmal Objekt, die Rezeption dem Zuschauer überlassen, während er sich im Licht zwischen Imagination und Erinnerung bewegt. Die Doppelausstellung sei vor allem denjenigen unter uns ans Herz gelegt, die den Kunst-Raum noch nie besucht haben. „François Morellet figuratif – Gunda Förster konkret“ läuft seit dem 16. Januar bis zum 5. Mai 2013 und ist die vorerst letzte Ausstellungen im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus sein, ein Umzug steht an.

François Morellet figuratif – Gunda Förster konkret
Kunst-Raum im Deutschen Bundestag
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
Schiffbauerdamm
10117 Berlin
Ausstellungsdauer: 16.1. – 5.5.2012
Öffnungszeiten: Di – So 11 – 17 Uhr
Eintritt frei
www.kunst-im-bundestag.de
www.mauer-mahnmal.de

Vivi Kallinikou

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