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6. Salon für Kunst und Sprache (durchgestrichen)

18 Uhr: „Mal angenommen, es gäbe keine Sprache. Wäre Kunst dann auch weg? ... Mit Jörg Begler, Hanne Stohrer, Eva Sturm. oqbo | raum für bild wort ton | Brunnenstraße 63 | 13355 Berlin

Vom Suchen, Finden und sich Verlieren. Das Gallery Weekend ist vorbei. Was bleibt davon hängen?

von Verena Straub (30.04.2013)
vorher Abb. Vom Suchen, Finden und sich Verlieren. Das Gallery Weekend ist vorbei. Was bleibt davon hängen?

VALIE EXPORT, Fragmente der Bilder einer Berührung, 1994, installation, exhibition view, Galerie ŻAK | BRANICKA, Berlin | © VALIE EXPORT, photo: Elisa Schönherr, courtesy Charim Galerie Wien, Galerie ŻAK | BRANICKA, Berlin

Ein pendelnder Lichtschein im Dunkeln einer Kirche. Wie ein riesengroßes Orakel dreht die Glühbirne ihre Kreise und taucht den hohen Raum in ein diffuses, geheimnisvolles Licht. Auf den kahlen Wänden tanzen die Schatten der Besucher, die andächtig, ja fast ehrfürchtig um die baumelnde Birne herum stehen, während das keuchende Rauschen der Lautsprecher direkt aus der Unterwelt zu kommen scheint. Nein – wir befinden uns weder in einer Mitternachtsmesse noch auf einem okkultistischen Treffen, sondern mitten auf dem Gallery Weekend, das Berlin am vergangenen Wochenende in einen Pilgerweg des Kunstmarkts verwandelt hat. 51 Galerien öffneten drei Tage lang ihre Türen. Drei Tage, an denen das Publikum in schwarzen Sammeltaxis quer durch die Stadt chauffiert wurde. Unter anderem zur Galerie von Johann König, der mit Alicja Kwades Licht- und Soundinstallation eine Kreuzberger 60er Jahre Kirche in einen düsteren Galerieraum verwandelt. Was bleibt von dieser gigantischen Kunst-Wallfahrt hängen? Was bleibt, nachdem die Party zu Ende ist?

Das elektronisch betriebene foucaultsche Pendel von Alicja Kwade (geb. 1979 in Polen, lebt in Berlin) ist ein idealer Stichwortgeber für die eindrucksvolle Installation von VALIE EXPORT, die bei Żak/ Branicka zu sehen ist. Auch hier spielen Glühbirnen eine Hauptrolle. An maschinell gesteuerten Stangen hängen sie kopfüber von der Decke und werden fortwährend in hohe Glasbehälter eingetunkt, die mit Milch, Wasser oder Altöl gefüllt sind. Wie bei Kwade wohnt dem glimmenden Draht auch hier etwas Lebendiges inne. Die surrenden Motore und Metallstangen, mit denen die Glühbirnen in die Flüssigkeiten gezwängt werden, vermitteln ein Gefühl von Brutalität. Elektrischer Strom und Wasser: ist das nicht eine explosive, tödliche Kombination? Das zäh herabfließende schwarze Öl und der milchige Film, der die Leuchtkörper umhüllt, verströmen gleichzeitig eine Sinnlichkeit, die fast schon sexuell scheint. Die poetische Schönheit wird in ein metallenes Gefängnis der Wiederholungen gesteckt.

Neben einer bekannten Künstlerin wie VALIE EXPORT (geb. 1940 in Linz, lebt in Wien) sind es vor allem die Positionen jüngerer Frauen, die zu den Entdeckungen des Gallery Weekends zählen. Gleich zwei Galerien präsentieren Künstlerinnen, die sich auf ganz eigenwillige Weise der Collage widmen. In der Friedrichstraße präsentiert Meyer Riegger Arbeiten der tschechischen Künstlerin Eva Kotátková (geb. 1982 in Prag, lebt in Prag). Auf ihren Bildern tummeln sich Zirkusakrobaten in absurder Verrenkung mit Zebras und einsam da hockenden Nasen. Die ausgeschnittenen Beine, Gesichter und fliegenden Körper werden mit weißen Linien zusammengehalten, die Kotátková als konzeptuelles Netz über all ihre Arbeiten spannt. Eine Fotoserie zeigt zwei Tänzer, deren Blickrichtungen und Körperbeziehungen durch weiße Striche sichtbar werden. Manchmal agieren sie als Bänder, manchmal als Risse. Wie eine Tanznotation legt sich die Zeichnung über die strengen Schwarzweißbilder – und verschmilzt mit der Welt der Dargestellten.

Özlem Altin, »Cathartic ballet«, installation view, Courtesy: Circus, Berlin 2013, Fotograf: Andrea Rossetti


Wesentlich malerischer sind die Collagen der Berliner Künstlerin Özlem Altin (geb. 1977 in Goch), die in den Räumen der Galerie Circus präsentiert werden. In einem Kreuzberger Hinterhof, zwischen ehemaligen Kfz-Werkstätten und Schutthalden versteckt, ist die kleine Galerie eine atmosphärische Rarität. Mit feinsinnigem Gespür sind die Installationen, Fotokopien und Collagen zu einer leisen Choreographie angeordnet, die sich wie von selbst in die Räume einschmiegt. Die kleinformatigen Fotografien verstecken sich hinter dicken Farbschichten, die pastos in den Vordergrund drängen - und hier und da ein verlorenes Auge hervorluken lassen. Ebenso verloren wirkt das überlagerte Doppelportrait des amerikanischen Schachweltmeisters Bobby Fischer, dessen Hände wie transparente Lichterscheinungen auf seinem Gesicht herumgeistern. Schicht um Schicht lehnen sich währenddessen dicht bespachtelte Pappen und gebogene Platten im Raum gegen- und aneinander. Ganz so als würden sie sich nur mal eben ausruhen.


Nevin Aladağ (NA/P 10), "Best Friends", 2012, C-print, Ed. of 3, 115 x 80 x 6 cm / 45 1/4 x 31 1/2 x 2 1/3 in, Courtesy: Wentrup Gallery, Berlin


Ein paar Straßen weiter zeigt die Galerie Wentrup die Arbeiten der türkischen Künstlerin Nevin Aladağ (geb. 1972 in Van, lebt in Berlin). Darunter eine der wenigen Videoarbeiten, die während des Gallery Weekends zu sehen waren. Die Dreikanal-Installation „Session“ entwirft ein musikalisches Selbstportrait des Emirats Sharja. Ein Musikclip, dessen Urheber die Landschaft selbst ist. Trommeln, Tamburine, Schellen und Rasseln werden von der Künstlerin vor Ort so aufgestellt, dass sie von der Natur selbst „gespielt“ werden. Ein Tamburin rollt rhythmisch klopfend über gepflasterte Straßen, ein Ast wird vom Wind wie ein Trommelschlägel geführt. So werden Rhythmen erzeugt, ganz ohne die sichtbare Anwesenheit eines Menschen. Diese grinsen uns stattdessen von der gegenüberliegenden Wand entgegen. Für ihre Serie „Best Friends“ hat Nevin Aladağ beste Freunde auf der Straße angesprochen und sie im Doppelportrait abgelichtet. Hier zwei Mädchen mit zerrissenen Jeans, identischen Sneakers und Stoffbeuteln, dort zwei Jungs mit Sonnenbrillen, beide Hände cool in die Hosentaschen gesteckt: Sie lächeln wie Zwillinge in die Kamera und wirken dabei wie Klone, die sich ihres Klons gar nicht bewusst sind. So amüsant die Teenie-Portraits auf den ersten Blick wirken: Sie lassen tief blicken, in die intimen Zusammenhänge von Freundschaft, Identität und Stil. Wer bin ich und wer bist du? Irgendwo dazwischen liegt wohl der Dresscode.

Während sich das Kunstpublikum in der Auguststraße und um die Potsdamer Straße am Wochenende die Beine in den Bauch stand, fanden die eigentlichen Kunsterlebnisse in Kreuzberger Kirchen und schmuddeligen Hinterhöfen statt. Gerade in Mitte musste man sich über die Auswahl der Galerien mächtig wundern. Dort fanden die interessantesten Eröffnungen meist ohne das „Gallery Weekend“-Label statt. So etwa die Solo-Schau des Olafur Eliasson Schülers Julian Charrière (geb. 1987 in Morges/ Schweiz, lebt in Berlin). Seine fotografisch dokumentierten Versuche, in Island einen Eisberg zu verbrennen oder alle Länder der Welt in 195 Miniaturbildchen zu bannen, zählen zu den schönsten Sinnsuchen, denen man am Wochenende begegnen konnte. Wirklich gefunden hat man dieses Jahr nur vereinzelt, nur am Rande und fernab der abgetretenen Pilgerwege. Suchen lohnt sich also weiterhin.

Galerie Johann König: Alicja Kwade, „Nach Osten“, 27.4.-26.5.2013
St. Agnes Kirche, Alexandrinenstr. 118-121, 10969 Berlin, Samstag+Sonntag: 11-18 Uhr
johannkoenig.de

Galerie Żak/ Branicka: VALIE EXPORT, „Bilder der Berührung“, 26.4.-15.6.2013
Lindenstr. 35, 10969 Berlin, Dienstag-Samstag: 11-18 Uhr
zak-branicka.com

Galerie Meyer Riegger: Eva Kotátková, „They are coming“, 26.4.-8.6.2013
Friedrichstr. 235, 10969 Berlin, Dienstag-Samstag: 11-18 Uhr
meyer-riegger.de

Galerie Circus: Özlem Altin, „Cathartic ballet“, 27.4-15.6.2013
Obentrautstraße 21, Haus 17, 10963 Berlin, Mittwoch-Samstag: 11-18 Uhr
circusberlin.de

Galerie Wentrup: Nevin Aladağ, „Session“, 27.4.-8.6.2013
Tempelhofer Ufer 22, 10963 Berlin, Dienstag-Samstag: 11-18 Uhr
wentrupgallery.com

Galerie Dittrich & Schlechtriem: Julian Charrière, „On the Sidewalk, I Have Forgotten the Dinosauria“, 26.4.-15.6.2013
Tucholskystr. 38, 10117 Berlin, Dienstag-Samstag: 11-18 Uhr
dittrich-schlechtriem.com

Verena Straub

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Titel zum Thema Gallery Weekend:

Gallery Weekend Berlin 2019 - Teilnehmende Künstler*innen
Betrachtet man die am Gallery Weekend 2019 teilnehmenden Künstler*innen fallen besonders diejenigen auf, die auch in der Vergangenheit schon bei der jährlich wiederkehrenden Veranstaltung präsentiert wurden, wie u.a.: ...

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