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In Search of Europe - Kunstraum Kreuzberg / Bethanien

von Inge Pett (02.11.2013)
vorher Abb. In Search of Europe - Kunstraum Kreuzberg / Bethanien

Ahmed Salem/Maher Sherif/Aliaa Elgready, Iskenderiyan Standards, Two pages from Iskenderiyan Standards literary anthology, 2013

„Europäische Standards? Fuck! Was ist falsch mit unseren Standards?“ So entfuhr es dem ägyptischen Künstler Ahmed Salem, als ihn Daniela Swarowsky vom „Zentrum Moderner Orient“ (ZMO) auf verpasste Fristen und säumige E-Mail-Antworten hinwies. Salem, so mahnte sie, solle sich bitte an europäischen Standards orientieren.

Dem aus der ägyptischen Hafenstadt Alexandria stammenden Künstler kam dies zunächst kleinlich vor. Dann aber begann er, den Mentalitätsunterschied zu reflektieren und gemeinsam mit den Künstlern Maher Sherif und Aliaa Elgready aufzuarbeiten. Und so lautet der Titel ihrer ironischen Arbeit „‘Foreign Agendas‘ and ‚Iskenderiyan Standards‘“. Sie ist Teil der Ausstellung „In Search of Europe? Auf Augenhöhe in einer ungleichen Welt“, die im Kunstraum Kreuzberg / Bethanien bis zum 12. Januar 2013 zu sehen sein wird. „Iskenderianisch“ steht übrigens im lokalen Dialekt für „alexandrisch“.

Europa durch fremde Augen sehen

Mindestens 200 Jahren lang hat Europa eine Sonderstellung in der Welt eingenommen – und sich daran gewöhnt, dass europäische Standards weltweit als das Maß der Dinge gelten. Doch wie nimmt der „Rest der Welt“ Europa heute wahr? Und haben Migration und Globalisierung den Gegensatz von Europa und Nicht-Europa nicht längst verwischt?

Um Fragen wie diesen nachzuspüren, begaben sich sechs ZMO-Wissenschaftler gemeinsam mit Künstlern aus Afrika, dem Mittleren Osten und Gebieten des früheren Osmanischen Reiches auf eine vierjährige „Suche nach Europa“. Schnell fanden sie heraus, dass das mit der Augenhöhe gar nicht so einfach ist. Wie etwa kann es gelingen, seinen eurozentrischen Blickwinkel aufzugeben, wenn ein Projekt in Berlin geplant und von der deutschen Regierung finanziert wird? Ist eine Schieflage da nicht vorprogrammiert?

„Besonders wichtig war die Bereitschaft, sich selbst immer wieder in Frage zu stellen“, erklärt die Kuratorin Daniela Swarowsky. Auch Samuli Schielke betont die Wichtigkeit, sich als Europäer mit anderen Augen bewerten zu lassen. „Europa lebt nicht so, wie es lehrt“, sagt der wissenschaftliche Leiter des Projektes.


Esra Ersen, Hotel Balkan Sofia, 2013

Die kreative Kraft des Sich-aneinander-Reibens

Die im Austausch von Kunst und Wissenschaft entstandenen Arbeiten spiegeln ein Panorama, das so komplex ist wie Europa. Denn es ist auch aufgeklärt-abendländische Kultur, zu reflektieren und sich den Spiegel vorhalten zu lassen. Und der zeigt Wahrnehmungen von Selbstgerechtigkeit ebenso wie Selbstrelativierung.

„Ist das Wissenschaft oder kann das weg? A Footnote“ fragt etwa selbstironisch Leyla von Mende in ihrem Katalogbeitrag. Gemeinsam mit der türkischen Künstlerin Esra Ersen ist sie dem osmanischen Erbe der bulgarischen Hauptstadt Sofia nachgegangen. Dabei schlugen die beiden Frauen zunächst voneinander abweichende Wege ein. Kooperationen, so zeigte sich, werden nicht zwangsläufig durch Harmonie fruchtbar, sondern gerade durch Reibungen, Missverständnisse und Klärungsprozesse.
Das Ergebnis der internationalen Kooperationen ist in einer Bandbreite von kritischen, humorvollen, informativen und poetischen Filmen, Fotografien, Installationen und Gemälden zu begutachten.

Anissa Michalon, Teatime during the construction of a house, 2013

Ethnische Inseln mitten in Europa

Wie sich in Europa außereuropäische Parallelwelten ausbilden, haben beispielsweise die Wissenschaftlerin Aissatou Mbodj-Pouye und die Fotografin Anissa Michalson erforscht. Ihr Thema ist die Erinnerungskultur westafrikanischer Migranten in Pariser Asylantenheimen, sogenannten Foyers. In den 60er Jahren ließ die französische Regierung diese Unterkünfte ursprünglich für ausländische, vor allem aus Afrika stammende Arbeitskräfte errichten. Diese haben in den Foyers längst dorfähnliche Strukturen eingeführt, denn viele von ihnen bewohnen mit ihren Familien bereits in dritter Generation dasselbe Heim. So ist ein Stück Afrika in Frankreich entstanden.

Der aus Mozambique stammende Maler Gemuce wiederum zeigt in seiner großformatigen Serie „Alignment of Values“ Menschen verschiedener Altersgruppen, Geschlechter und Religionen, die sich einer Mauer gegenüber sehen. Während einige die Welt hinter der Mauer negieren, versuchen andere den Beton zu überwinden und Schneisen zu schlagen. In einer Aktion überlässt der Künstler dem Publikum eine neue Hängordnung der Gemälde: „Ich bin neugierig auf die Geschichten, die dabei entstehen werden.“

Natürlich kann die Ausstellung keine erschöpfenden Antworten geben. Und sie will es gar nicht. „Auch die Kehrseite hat ihre Kehrseite“, lautet ein asiatisches Sprichwort. Immerhin macht das wiederholte Wechseln der Perspektive den Kopf geschmeidig. Es hilft, das Fremde an der eigenen Welt besser zu verstehen, hin und wieder eine andere Brille aufzusetzen. Das darf dann auch mal die iskenerianische sein.

Ausstellungsdauer: 2. November 2013 bis 12. Januar 2014

Kunstraum Kreuzberg/ Bethanien
Mariannenplatz 2
10997 Berlin
insearchofeurope.de/de/landingpage/

Inge Pett

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