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Von einem Ausflug nach Hannover: Gursky, Rauch und Wall in der kestnergesellschaft

von Theresa Hartherz (08.08.2014)
vorher Abb. Von einem Ausflug nach Hannover: Gursky, Rauch und Wall in der kestnergesellschaft

Neo Rauch Nachhut, 2011 Bronze, schwarz patiniert 193 x 95 x 175 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2014 Courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, David Zwirner, New York/London Foto: Uwe Walter, Berlin

Die hängenden Schultern lassen vermuten, wie schwer die gefüllten Benzinkanister in seinen Händen liegen. Der Ausdruck des Mannes ist in sich gekehrt, der Blick gen Boden gerichtet. In der Bewegung erstarrt, ruht Neo Rauchs „Nachhut“ (2011) derzeit in der kestnergesellschaft. Frontal vor der Bronzeplastik stehend, erscheint sie dem Betrachter, wie das Abbild eines gewöhnlichen, müden Arbeiters oder Soldaten. Doch genügt ein Schritt zur Seite und schnell wird klar: dies Wesen ist nicht von unserer Welt. Der Mann mit dem halben Raubkatzen-Körper ist eine der wenigen Plastiken Rauchs und bildet den Auftakt der Ausstellung „Andreas Gursky | Neo Rauch | Jeff Wall“.

Während man sich beim Betreten des Ausstellungsraumes vielleicht noch fragt, wie es zu dieser ungewöhnlichen Künstlerzusammenstellung kommt, bietet sich zumindest auf formaler Ebene schnell eine mögliche Lösung an. Denn Rauchs Raubkatzenmann ist nicht nur einmal vertreten, sondern durchstreift auch eine von Gurskys neueren Arbeiten, die in der Schau präsentiert werden.

„Lehmbruck I“ (2013) und „Lehmbruck II“ (2014) zeigen zwei Aufnahmen des Atriums des Duisburger Lehmbruck Museums. In und um dieses ordnete Gursky mittels digitaler Fotomontage eine fiktive Sammlung zeitgenössischer Werke und richtet seinen Blick unter anderem auf die Institution Museum. Ein bisschen, wie bei einer Familienaufstellung, stehen die Werke mit Abstand und dennoch zusammengehörig im Raum. Hier hängt Gerhard Richters „Ema“, dort steht Duane Hansons „Woman with a Purse“ gelangweilt an der Wand und gedankenverloren zeigt sich die Abbildung einer John de Andrea-Frau im Hintergrund. Damien Hirsts Hai, Joseph Beuys Filzanzug, dazwischen – mit einer gewissen Beglaubigungsfunktion – Wilhelm Lehmbrucks „Gestürzter“, – und: ein Leuchtkasten mit Jeff Walls „The Well“. Da ist er, der Dritte im Bunde. Walls zufällig wirkende, jedoch stets inszenierte Fotografien sind im ersten Ausstellungsraum durch seine Arbeit “Cold Storage, Vancouver” (2007) vertreten. Es ist eine Industriearchitektur zu sehen, deren vereiste Decke den Raum sakral anmuten lässt. Mit der kühlen, beeindruckenden Ruhe, die dieses Werk ausstrahlt, nimmt es eine stimmige Verbindung zu Gurskys Lehmbruck-Bildern auf. Die Weichen sind gestellt, aber was ergibt sich aus dieser Zusammenführung?
Jeff Wall, Cold storage, 2007, Silbergelatine-Abzug, 258,8 x 319 cm, Courtesy: der Künstler

Kurator Heinrich Dietz erkennt in den Lehmbruck-Bildern eine Aktualisierung des Paragone - einen Wettstreit der Künste - und erklärt damit auch die Anordnung der Kunstwerke im Ausstellungsraum – das Nebeneinander von Skulptur und fotografierter Skulptur, macht einen direkten Vergleich zwischen beiden Medien möglich. Dietz verortet die Verbindung zwischen den Künstlern in ihrem jeweiligen Umgang mit der Tradition des figurativen Bildes und deren Weiterentwicklung. Traditionell mit der Malerei verknüpfte Mittel, Kategorien und Konventionen seien bei allen dreien in anderen Medien fortgeführt und neu modelliert. Hierbei geht Dietz insbesondere auf das Werk-Betrachter-Verhältnis ein und argumentiert auf der Grundlage von Michael Frieds (Kunstkritiker und -historiker) vielfach umstrittenem Aufsatz „Art and Objecthood“ (1967). In seinen Ausführungen kritisierte Fried „die bloße Objekthaftigkeit der Kunstwerke der Minimal Art, die dem Betrachter keine Möglichkeit zur ´Absorption` böten, sondern lediglich auf sich selbst verweisen und nur im Verhältnis des Betrachters zu dem Objekt aufgehen“. Fried sieht die Qualität in Gurskys und Walls Fotografien darin, dass sich die Protagonisten ihrer Werke der anwesenden Kamera nicht bewusst zu sein scheinen. Walls „Men move an enginge block“ (2008), genauso wie die Arbeitenden auf Gurskys „Nha Trang“ (2004), sind Teil einer in sich geschlossenen Welt, die aufgrund dieser Geschlossenheit eine Anziehungskraft entfalte. Der Betrachter bekommt so die Möglichkeit, in eine ihm nicht zugängliche Welt hineingezogen zu werden.

Die Ausstellung in der kestnergesellschaft ergänzt gewissermaßen die Ausführungen Frieds um eine weitere Position. Gleichzeitig stellt sie das Spannungsverhältnis in Frage - das sich zwischen dem offensichtlich agierenden Abbildenden und dem dieses scheinbar nicht bemerkenden Abgebildeten entwickelt -, welches Fried dezidiert als fotografische Qualität beschreibt. So nehmen auch Rauchs gezeichnete Figuren selten direkten Kontakt zum Betrachter auf, verweilen vielmehr in ihrer eigenen Welt und halten ihn so auf Distanz. Und so trottet auch der Raubkatzenmann zur Skulptur erstarrt zwar durch den Raum, jedoch ohne seine Absicht oder Herkunft für den Betrachter begreifbar zu machen.

Die sehenswerte Ausstellung kombiniert bisher nur vereinzelt präsentierte Zeichnungen und Skulpturen Neo Rauchs mit den gut bekannten „fast dokumentarischen“ Arbeiten Jeff Walls und neusten Werken Andreas Gurskys.

Andreas Gursky | Neo Rauch | Jeff Wall
25. Juli - 26. Oktober 2014

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen 11-18 Uhr
Donnerstag: 11-20h
Montag geschlossen

kestnergesellschaft
Gosedirede 11
30159 Hannover
kestnergesellschaft.de


Theresa Hartherz

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Ausstellungsbesprechung: Die hängenden Schultern lassen vermuten, wie schwer die gefüllten Benzinkanister in seinen Händen liegen. Der Ausdruck des Mannes ist in sich gekehrt, der Blick gen Boden gerichtet. In der Bewegung erstarrt, ruht Neo Rauchs „Nachhut“ (2011) derzeit in der kestnergesellschaft.

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