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Berlin Daily 29.03.2024
CARDIAC; the heart is a muscle

19 Uhr: eine Performance, konzipiert und präsentiert von Katrina E. Bastian. Uferstudios_Studio 1 | Uferstr. 8/23 | 13357 Berlin

Eine Kaffeefahrt für die Kunst

von Verena Straub (03.09.2014)
vorher Abb. Eine Kaffeefahrt für die Kunst


Word Cloud: Was macht Projekträume aus? von: Séverine Marguin, Courtesy: Netzwerk freier Berliner Projekträume

Ein Merkmal der Berliner Off-Spaces ist, dass sie häufig im Off liegen. In versteckten Hinterhöfen, leerstehenden Läden ohne Nummernschild oder mobilen Containern, von denen man heute nicht weiß, ob sie morgen noch am selben Platz stehen. Regelmäßige Öffnungszeiten? Fehlanzeige. Und so steht man nach zahlreichen Irrwegen nicht selten vor geschlossenen Türen, will man die freien Projekträume der Stadt auf eigene Faust erkunden. Nicht so an diesem Freitagnachmittag. Punkt 14 Uhr sitze ich in einem komfortablen Reisebus, der mich und rund 40 andere Menschen – die meisten davon Politiker, Kunstraummacher und Journalisten – auf eine Kaffeefahrt quer durch die Berliner Projektraumszene karrt. Der frisch gebackene Staatssekretär für kulturelle Angelegenheiten Tim Renner hat die Aufgabe, die 7 Gewinner des seit 2012 jährlich ausgeschriebenen „Preises für künstlerische Projekträume und Initiativen“ persönlich auszuzeichnen.

Die erste Station befindet sich in Lichtenberg, wo sich after the butcher vor 8 Jahren in einer ehemaligen Metzgerei eingenistet hat. Wo früher Wurst über die Ladentheke ging, da erhalten junge Künstler heute eine Plattform für ihre Kunst. Während einer 24-Stunden-Aktion im Rahmen des Project Space Festivals hat Bianca Rampas den Raum mit dem gebrauchten Tanzboden des Berliner Staatsballetts ausgelegt. Auf demselben Boden, auf dem früher Dornröschen getanzt wurde, steht unsere Reisegruppe nun und betrachtet die Flip-Flop-Schuhe, die die Künstlerin aus dem Linoleum herausstanzte. Weiter geht’s nach Friedrichshain, wo uns die Betreiber der Raumerweiterungshalle schon mit Wodka-Shots und einer Videoperformance erwarten. Auf einem brach liegenden Stückchen Land steht die teleskopartige Containerhalle, die seit 2003 an wechselnden Orten von der Selbstuniversität e.V. für Veranstaltungen „meist mit queer-feministischem Fokus“ genutzt wird.
Das Problem, vor verschlossenen Türen zu stehen, hat man im Kreuzberger Projektraum OZEAN ausnahmsweise nicht. Die Kunstwerke, die hier in einer ehemaligen Autogarage gezeigt werden, sind nämlich durch ein massives Stahlgitter geschützt – und durch die Stäbe hindurch ganz ohne Aufsicht von morgens bis abends einsehbar. David Adamo und Nik Kosmas verwandeln den vergitterten Raum derzeit in eine historische Turnhalle mit Ringen, Tau und Sprossenwand, was unsere Truppe jedoch nicht davon abhält, bei Kaffee und Kuchen erst mal eine gemütliche Pause von der nun doch etwas ermüdenden Busfahrt zu nehmen. Nächstes Ziel ist das Geburtshaus von Kurt Tucholsky in Moabit. Dort entwickeln die Macher von Kurt-Kurt Projekte, die sich explizit mit ihrem Stadtteil auseinandersetzen. So zeigte die Ausstellungsreihe „Temporarily Available“ letztes Jahr ausschließlich Werke von Künstlern, die in Moabit wohnen, darunter Namen wie Katharine Grosse, Monica Bonvicini oder Hans-Christian Schink. Passend zum Kaffeefahrt-Gefühl erhält Tim Renner einen Luftballon als Werbegeschenk. Ein Relikt der allerersten Kurt-Kurt-Ausstellung mit der Aufschrift: „Es liegt etwas in der Luft“.

Auch in der als gemütliche Spritztour begonnen Busfahrt liegt allmählich etwas in der Luft. Nämlich die politischen Forderungen des Netzwerkes für Berliner Projekträume, die selbstbewusst durchs Bus-Mikro tönen und einmal mehr auf die prekäre Lage der freien Szene aufmerksam machen. Ein Großteil der kulturellen Arbeit, die in Berlin geleistet wird, findet hier statt. Meist unbezahlt. Und immer häufiger ohne Raum. Nur ein Tag vor der Bustour verkündete General Public die endgültige Verdrängung aus ihren Räumen. Der Projektraum gehörte 2012 zu den ersten Gewinnern des
Förderpreises. Mit den 30.000 € Preisgeld wollten die Betreiber die gestiegene Miete ausgleichen, was nach Verhandlungen mit dem Eigentümer jedoch scheiterte. In ihrer Pressemitteilung schreiben General Public: „Diese, für die gegenwärtige Situation in Berlin symptomatische Episode macht deutlich, dass ein Preis für künstlerische Projekträume und –initiativen als Maßnahme gegen die Verdrängung der Projekträume aus den innerstädtischen Quartieren und die prekäre Lage der freien Szene in Berlin keine adäquate Lösung ist. Leuchtturmprojekte wie ein Projektraumpreis können über die Dringlichkeit grundlegender struktureller Maßnahmen nicht hinwegtäuschen, die unabdingbar erforderlich sind, um die Stadt als einen Ort der Teilhabe für seine Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.“

Auch Matthias Mayer, der Gründer von Spor Klübü (türkisch für Sportclub) zeigt seine Ausstellungen in einem zwischengenutzten Raum im Wedding, der jederzeit kündbar ist: „Innerhalb von zwei Wochen könnte ich hier raus sein“. Noch wird der Raum jedoch von einem gigantischen Plastikballon besetzt, den die Künstlerin Annika Hippler mit Laserstrahlen zu einer irisierenden Techno-Weltkugel à la Otto Piene belebt. Nach einem weiteren Stopp in der Brunnenstraße, wo zwischen Dönerladen und Blumendiscounter der sechste Preisträger oqbo. raum für bild wort und ton zuhause ist, endet unsere fünfstündige Bustour schließlich im Prenzlauer Berg. Ein pinkfarbener Eisbär weist den Weg vorbei an einem verwitterten Bretterverschlag, auf dem in leuchtender Schrift „ausland“ geschrieben steht. Unten im Keller organisieren die Macher von ausland/Projekt Archiv e.V. seit sechs Jahren Performances, Konzerte und Ausstellungen. Wie alle der besuchten Projekträume interdisziplinär und nicht-kommerziell. Etwas überrascht bin ich dann doch: Bei einer richtigen Kaffeefahrt wird einem am Schluss zumindest eine Heizdecke verkauft. Aber ums Verkaufen geht es den Projekträumen gerade nicht. Wer will, dass das weiter so bleibt, sollte deren Forderungen ernst nehmen. Sonst kann es sein, dass man trotz moderierter Bustour irgendwann vor verriegelten Türen steht.


Auszeichnung künstlerischer Projekträume und –initiativen im Bereich Bildende Kunst für das Jahr 2014 der Berliner Senatskanzlei.
Preisträger:
1) after the butcher, Spittastr. 25, 10317 Berlin, after-the-butcher.de
2) Raumerweiterungshalle, Markgrafendamm 24c, 10245 Berlin, raumerweiterungshalle.net
3) OZEAN, Schleiermacherstr. 31, 10961 Berlin, ozean-berlin.com
4) Kurt-Kurt, Lübecker Str. 13, 10559 Berlin, kurt-kurt.de
5) Spor Klübü, Freienwalder Str. 31, 13359 Berlin, koloniewedding.de/sporkluebue
6) oqbo / raum für wort bild und ton, Brunnenstr. 63, 13355 Berlin, oqbo.de
7) ausland, Lychener Str. 60, 10434 Berlin, ausland-berlin.de

Verena Straub

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