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Berlin Daily 19.03.2024
Performance

19 Uhr: mit dem Klangkünstler und Performer Antti Tolvi aus Turku, Finnland im Rahmen der Ausstellung "Sound, light, silence" Galerie Pleiku | Eugen-Schönhaar-Str. 6a | 10407 B

Sentimental Journey

von Dr. Inge Pett (18.10.2014)
vorher Abb. Sentimental Journey

Aura Rosenberg: Eye with Rubble (Filmstill) aus The Angel of History, 2013

Während der Engel mit aufgerissenen Augen und offenem Mund in die Zukunft gesogen wird, häufen sich vor ihm „Trümmer auf Trümmer“. Der „Engel der Geschichte“ von Paul Klee hatte Walter Benjamin zu der These inspiriert, dass die Historie eine endlose Aufreihung von Katastrophen darstellt.

In der Videoinstallation „Angel of History“ von Aura Rosenberg begegnet uns der Engel Benjamins und Klees wieder. Die in Berlin ansässige New Yorkerin lässt ihn die Zeitalter passieren: Im atemlosen Tempo fliegt er über ein Menschenaffenpaar, die Pyramiden, mittelalterliche Mauern, Tschernobyl und Berge von Müll, in denen die Zivilisation zu ersticken droht. Und immer wieder Kriege, Kollapse, Trümmer… Der Betrachter erlebt diesen Sog beinahe physisch. Rosenbergs inszeniert die Geschichte der Menschheit bewusst als einen Schock, der zu überwältigen ist. Und – hier schwingt subtile Hoffnung mit – der zum Lernen anregen kann und soll.


Erwin Olaf: Clärchens Ballhaus Mitte – 10th of July aus der Serie Berlin, 2012, Courtesy: Galerie Wagner und Partner

Unversöhnlich hingegen ist eine Fotoreihe des Niederländers Erwin Olaf, vis-à-vis dem „Angle of History“. Olaf wählte eine dunkle, historisierende Einfarbigkeit, um seine Personen an den Sportstätten der Olympischen Spiele 1936 sowie im Lagerhaus Berlin zu porträtieren. Es sind „arische“ Menschen, die da gezeigt werden. Selbst die Kinder vermitteln eine Aura von Kälte und Unmenschlichkeit. Ein nackter schwarzer Athlet inmitten der „Arier“ soll an den Afro-Amerikaner Jesse Owens erinnern, der bei der Berliner Olympiade vier Medaillen gewonnen hatte – und damit die Rassentheorie der Nationalsozialisten ad absurdum führte. Was wäre aus den Deutschen geworden, so scheint die Frage Olafs zu lauten, wenn der Krieg nicht verloren worden wäre?

Es ist ein fulminanter Einstieg in die Ausstellung „MemoryLab. Die Wiederkehr des Sentimentalen“ im Martin-Gropius Bau, die bis zum 16. November anlässlich des 6. Europäischen Monats der Fotografie (MdF) Berlin zu sehen sein wird. Und die von Frank Wagner kuratierte Schau hält dieses Niveau und diese Spannung – bis zum letzten der thematisch untergliederten sechs Segmente.

Die zentrale Ausstellung MemoryLab des MdF zeigt auf, wie historische Ereignisse, kulturelle Besonderheiten und deren Veränderungen von den Fotografen und Videokünstlern wahrgenommen werden. Die Teilnehmer haben sich für einen emotional aufgeladenen Blick entschieden; anstelle von distanzierter Betrachtung und nüchterner Analyse setzen sie auf Inszenierung und theatralische Effekte.

Homosexuelle in Budapest, deren Diskriminierung von der ungarischen Regierung ausdrücklich begrüßt wird, stehen ebenso im Fokus der Fotografen wie eine Nachstellung der biblischen Geschehnisse, Spionagesatelliten oder eine rekonstruierte Zelle des ehemaligen DDR-Ministeriums für Staatssicherheit in Dresden.


Stephanie Kloss: Bei Otto 9 aus der Serie Bei Otto (1-9), 2010/14, Courtesy: VG Bild, Bonn 2014

„Bei Otto“ heißt eine großformatige Fotoserie, in der die Berlinerin Stephanie Kloss Bilder eines Ferienressorts auf La Gomera zeigt. Wo sich heute Touristen in der Sonne räkeln, befand sich einst die Kommune „El Cabrito“. Dort predigte der Aussteiger Otto Muehl das, was der Kritiker Andreas Schlothauer als „die Diktatur der freien Sexualität“ bezeichnete. Kloss hat die Prämissen auf Tafeln zusammengestellt. „Die Zweierbeziehung ist in Wirklichkeit eine Krankheit“, „Generationen übergreifende Zärtlichkeit“ heißt es dort oder „Wer mich nicht liebt, ist ein Psychopath“. Aus der zeitlichen Distanz wirkt das einst revolutionäre Modell des Zusammenlebens bizarr und längst überholt.

Doch MemoryLab ist nur eine Ausstellung unter vielen: Mit 125 Orten, 250 Veranstaltungen und 500 Fotografen und Fotografinnen ist der Monat der Fotografie das größte deutsche Fotofestival, wobei die Spannbreite von klassischen bis experimentellen Positionen reicht und auch ungewöhnliche Orte - wie etwa der S-Bahn-Hof Potsdamer Platz - ausgewählt wurden.

Der Eintritt im Martin-Gropius-Bau ist übrigens kostenlos, der Katalog kostet lediglich eine Schutzgebühr von 8 Euro. Es sei ihm wichtig, die öffentlichen Mittel ans Publikum weiterzugeben, betont Projektmanager Oliver Bätz. „Denn was nützt der schönste Content, wenn er beim Publikum nicht ankommt?“

Laufzeit: 17. Okt - 15. Dez 2014
Öffnungszeiten: Mi–Mo 10–19 h

Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstr. 7, 10963 Berlin

mdf-berlin.de

Dr. Inge Pett

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