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„Ich will nur malen“ - Atelierbesuch bei Roman Lipski

von Dr. Inge Pett (03.12.2014)
vorher Abb. „Ich will nur malen“ - Atelierbesuch bei Roman Lipski

Roman Lipski, Ohne Titel, 2013, 100 cm x 100cm, Acryl auf Nessel, Foto: Hans-Georg Gaul, Copyright Roman Lipski

Ein seltener Moment. Roman Lipski ist zufrieden. Soeben hat er ein Bild fertiggestellt. Auf orangem Untergrund zeigt es die feinen Gesichtszüge der polnischen Dichterin und Nobelpreiträgerin Wistawa Szymborska. Doch sei es kein Porträt, betont der Künstler.

„Mir geht es nicht um die realistische Darstellung von Personen“, erklärt er. „Ich brauche lediglich einen Vorwand, um zu malen.“ Mit einer Serie von Multiples fängt Lipski die Persönlichkeiten von Verstorbenen ein, die ihn bewegt haben. Den Auftakt der Serie bildet Józef Ignacy Kraszewski.

Derzeit hat Lipski eine Ausstellung im Dresdner Kraszewski Museum. Elf Bilder des polnischen Schriftstellers und Denkers mit dem Rauschebart reihen sich dort nebeneinander. Jedes hat eine andere intensive Farbigkeit. Spontan drängt sich eine Assoziation mit Andy Warhol auf. Doch einen wesentlichen Unterschied gibt es: Lipski reproduziert seine „Multiples“ nicht einfach, sondern beschwört jedes einzeln mit dem Pinsel herauf.

Roman Lipski

Roman Lipski, J.I.K., 70 cm x 50 cm, 2014, Acryl auf Nessel, Foto: H. Hochmut, Copyright Roman Lipski

Seine Hommage an die großen Toten umfasst Bildnisse des österreichischen Autors Thomas Bernhard, des kanadischen Pianisten und Bach-Interpreten Glenn Gould sowie eben das Antlitz von Wistawa Szymborska. Deren deutscher Übersetzer hat die „feminine, feinsinnige, selbstironische und illusionslose Klugheit“ der Poetin gewürdigt, „unverführbar, am wenigsten von der männlichen Vernunft“. Lipski gefällt besonders, dass Szymborska im Jahr nur etwa zehn Gedichte geschrieben hat: „Das ist so komplett gegen den Trend.“ Wie auch sein eigenes Leben und sein künstlerischer Werdegang, der sich abseits der Mechanik und „Logik“ des Kunstmarktes vollzog.

Neulich habe ihn ein namhafter Galerist unter Vertrag nehmen wollen. Doch die Chemie zwischen Künstler und Kunsthändler stimmte nicht. Nebenbei fand Lipski die ihm angebotenen Rahmenbedingungen undiskutabel. „Ich verkaufe nicht meine Freiheit“, betont er. Mit dem System komme er nur schlecht zurecht. Seine größte Sorge sei es, plötzlich „grüne Bilder passend zum Sofa“ malen zu müssen.

Der Fünfundvierzigjährige hat schon einige Krisen überstanden, vielleicht fällt es ihm daher leichter, sich eine Konsequenz zu leisten, die wirtschaftlich nicht immer leicht vertretbar ist. Aufgewachsen ist er an der polnischen Ostseekünste. Als er ein Teenager war, erlebte das Land gerade eine tiefe Krise. „Es war einfach nur deprimierend“, erinnert sich Lipski. Einziges Highlight und zugleich Schaufenster zur Welt: Ein Kino in derselben Straße. Als Lipski dann im Zuge der Reformen, die die Arbeitergewerkschaft Solidarność 1989 erzielte, das Land visumsfrei verlassen konnte, zögerte der Neunzehnjährige keine Sekunde. Er brach sein technisch-pädagogisches Studium ab, verließ das Elternhaus und ging nach Berlin. Das war im August – im November fiel die Mauer. Er hatte „keinen Plan im Kopf“ und 30 DM in der Tasche.

Fortan lebte er in Flüchtlingsheimen und hielt sich mehr schlecht als recht über Wasser mit Jobs, unter anderem auf dem Bau. Dadurch, dass sein Vater in Danzig geboren war, konnte Lipski als Sohn eines Spätaussiedlers die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen.

Roman Lipski

Roman Lipski, Ohne Titel, 2008, 130 cm x 260 cm, Acryl auf Leinwand, Foto: Hans-Georg Gaul, Copyright Roman Lipski

Immer wieder zog es ihn in dieser Zeit in die Gemäldegalerie nach Dahlem. Stundenlang habe er vor den Bildern von Rembrandt und Georges de la Tour zugebracht, erinnert sich Roman Lipski. Vor allem eine unvollendete Skizze von Rubens habe ihn magisch in ihren Bann gezogen. Dass er Maler werden wollte, stand da bereits unverrückbar fest.

Schließlich besuchte er eine private Kunstschule in Kreuzberg, was vier Fünftel seines BaFögs verschlang. Gemeinsam mit Kollegen bezog er eine verlassene Wohnung im Osten der Stadt – sein erstes Atelier. „Der Osten war wie ausgestorben. Wir hatten Platz, Wasser und Strom“.

Ausgerechnet im „Club der polnischen Versager“, zu dem er sich mit Gleichgesinnten zusammentat, tankte Lipski Selbstvertrauen. Denn das Laientheater stieß im Berlin der Nachwendezeit auf viel Zuspruch. „Plötzlich traf ich auf Menschen wie mich, die eine ‚Bibliothek im Kopf‘ hatten und auf dem Bau arbeiteten“. Er fühlte sich wieder als Künstler. „Der Club war cool“, erinnert er sich „Aus einem Defizit haben wir Qualität geschaffen – und das mit Selbstironie“. In dem Club lernte er auch die Mutter seiner Zwillinge kennen, die ihn durch ihre Gedichte bezauberte. „Literaten sind mir ohnedies viel lieber als Maler“, bekennt er.

Als junger Vater erhielt er einen lukrativen Job, der sich als schicksalsvoll erweisen sollte. Wieder kam Lipski mit Gemälden in Berührung, allerdings nicht als Künstler. Für eine kleine Firma baute er Ausstellungen auf, sogar ins New Yorker Guggenheim Museum führte ihn einer der Aufträge. Und wie auch bei der Schilderung seiner Ausflüge nach Dahlem leuchten Lipskis Augen, wenn er von den Kunstwerken erzählt, die er hautnah erleben durfte. In der Nationalgalerie habe er einmal ein Bild von Picasso transportiert und Claude Picasso sei aufgeregt auf ihn zugekommen. „Schau, das sind meine Schwester Paloma und ich als Kinder.“ Ein unvergesslicher Moment.

Immer wieder traf Lipski auf Menschen, die den Künstler in ihm erkannten. Zum Beispiel Angela Schneider, ehemalige Kuratorin der Neuen Nationalgalerie. Sie hatte ihn stets nach seiner Meinung zur optimalen Hängung gefragt und seine Ratschläge auch umgesetzt. Bei dem Maler Max Neumann begann er als Assistent, fand endlich seinen „Meister“, an dem er sich orientieren und reiben konnte, der ihn anregte und korrigierte, ihn auch einmal aufforderte, das Malen aufzugeben. „Aber er hatte Recht – was ich ihm damals vorlegte, war grauenhaft“.

Aber Roman Lipski gab nicht auf. Er legte seine anfängliche Schüchternheit ab, brachte sich aktiver ein in den Kunstbetrieb. So auch 2005 bei einer Vernissage von Jörg Immendorff in der Neuen Nationalgalerie, wo er den Sammler Erich Marx ansprach. Ein Wendepunkt in Lipskis Leben.

Denn Marx glaubte an ihn. Er machte dem jungen Maler das Angebot, ihn zwei Jahre lang zu unterstützen. Später sollte dieser die Förderung dann zurückzahlen – wahlweise auch in Bildern. Auf diese Weise hatte Marx bereits einen anderen mittellosen unbekannten Künstler gefördert: Cy Twombly.

Roman Lipski

Roman Lipski, Ohne Titel, 2013, 130 cm x 260 cm, Acryl auf Nessel, Foto: Hans-Georg Gaul, Copyright Roman Lipski

Gemeinsam mit der Galeristin Birgit Ostermeier, die ihn damals vertrat, schaffte Roman Lipski mit seinen großformatigen unwirklich und unheilvoll anmutenden Landschaften den Durchbruch. „Ich habe gemalt, gemalt, gemalt“, erinnert er sich. Seitdem hatte Lipski Ausstellungen in China, den USA und der Türkei. Und sein Werk ist in namhaften Sammlungen vertreten, etwa der Sammlung Marx, der Stiftung des Malers Alex Katz und im Museum of Fine Arts in Boston.

Lipskis innerer Drang ist während dieser Entwicklung derselbe geblieben. Und so ist er selten rundum zufrieden mit einem Gemälde, vernichtet auch schon mal eine Arbeit, die er für nicht gelungen hält. „Das beste Gemälde wird wohl nie gemalt“, weiß er und strebt doch unermüdlich danach. „Irgendwann möchte ich abstrakt malen- so weit bin ich noch nicht.“

romanlipski.com

Dr. Inge Pett

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„Ich will nur malen“ - Atelierbesuch bei Roman Lipski
Bericht: Ein seltener Moment. Roman Lipski ist zufrieden. Soeben hat er ein Bild fertiggestellt. Auf orangem Untergrund zeigt es die feinen Gesichtszüge der polnischen Dichterin und Nobelpreiträgerin Wistawa Szymborska.

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