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Imaginäre Artikulation – Kamel Louafis „gartenKunst“

von Dr. Inge Pett (17.02.2015)
vorher Abb. Imaginäre Artikulation –  Kamel Louafis „gartenKunst“

Orientalischer Garten der Vier Ströme, Copyright Kamel Louafi

„Nein, er ist kein richtiger Architekt.“ Kamel Louafis Mutter hatte immer abgewunken, wenn ihre Nachbarn in der algerische Heimat sie auf den Sohn ansprachen. „Gärtnern“, sagte sie dann, „kann doch wirklich jeder, oder?“

Diese felsenfeste Überzeugung geriet erst ins Wanken, als Kamel Louafi seiner Mutter ein Video vom Gelände der EXPO 2000 in Hannover zeigte. Schließlich war er es, der dazu die gartenarchitektonische Gestaltung lieferte, nachdem er sich – noch überraschend - in einem harten Wettbewerb durchgesetzt hatte. Damals schon beschäftigte Louafi ein Team. Das umfasste zwar zunächst nur zwei Mitarbeiter, wuchs dann aber in kürzester Zeit auf 25 Köpfe an.

Kamel Louafi
EXPO 2000 , Copyright Kamel Louafi

„Alles, was grün ist, ist gut“, erklärt Louafi heute und deutet auf die Schrebergartenkolonie am Rande des Parks am Gleisdreieck, der sich hinter seinem Berliner Büro in den Bülowbögen erstreckt. Sattes Grün ist keine Selbstverständlichkeit, wo er herkommt. Als Topograph für das algerische Ministerium für Forstinventur und Landesentwicklung hat er über Jahre hinweg Karten von den Waldgebieten an der Saharagrenze erstellt. „In Ostalgerien überwiegen trockene Wadis und nackte Erde“, beschreibt er die Gegend: „Und doch sind die Oasen – kleine Paradiese - bedeutender als die Wüste.“

Im Jahr 1980 ging Louafi, der zuvor im Architekturbüro des älteren Bruders in Batna, Algerien, gearbeitet hatte, zum Studium der Landschaftsarchitektur an die TU Berlin. Er entdeckte ein Land, wo allerorten „Leben“ und „Grün“ vorherrschen, wo Wasser kein Mangelgut ist und ein Garten kein Synonym für Oase.

Doch auch in Europa möchte Louafi „Oasen“ schaffen. Und sich dabei von der „Überfülle des Grüns“ nicht blenden lassen: „Er ist unser Ziel, kleine Paradiese innerhalb des großen Paradieses zu entwickeln.“

Das ist weniger harmlos gemeint, als es zunächst klingen mag. Die Relevanz von Landschaftsarchitekturen wird stetig zunehmen und mit ihr die Ansprüche an die Landschaftsarchitekten. Bis zur Jahrhundertmitte sollen bei einer Weltbevölkerung von neun Milliarden Menschen immerhin sieben Milliarden in Städten leben. Ihnen ein lebenswertes Umfeld zu gestalten mit allen sozialen, ökologischen, kulturellen und sonstigen Implikationen ist eine immense Herausforderung für die Stadtplanung.
Seinen Vorteil als Gartenarchitekt sieht Louafi dabei in der Möglichkeit der „imaginären Artikulation“: „Die meisten Elemente im Repertoire unserer Arbeit erlauben uns aufgrund ihrer Substanz, ihres Wachstums, ihrer Farbe, ihrer Dichte etc. Räume zu gestalten, die sich permanent verändern.“

Kamel Louafi
Orientalischer Garten der Vier Ströme (Detail Steinplatten), Copyright Kamel Louafi

Für ihn sei es essentiell wichtig, Traditionen und Gegebenheiten der Orte zu berücksichtigen, betont Louafi. Nur so ließe sich die Stadtqualität für spätere Generationen sichern und der öffentliche Raum in deren Alltagskultur integrieren.
Aus diesem Grund beginnt jedes Projekt mit der Analyse lokaler Gegebenheiten, Lebensweisen und landschaftlicher Strukturen. Louafi und sein Team lassen sich intensiv auf die jeweilige Stadtbevölkerung ein, die oft multikulturell und vielfältig zusammengesetzt ist – und nicht selten den Bezug zum grünen Freiraum verloren hat.

Die Partizipation der Bevölkerung hält Louafi für essentiell bei der Planung innerstädtischer Grünanlagen. Auch begrüßt er basisdemokratische Initiativen, wie etwa die Gemeinschaftsgärten, die sich derzeit großer Beliebtheit erfreuen. Und dennoch sollten seiner Meinung nach die Experten die Stadtplanung nicht aus der Hand geben, sondern das „große Ganze“ im Auge halten.

Doch Louafi ist nicht nur Experte, sondern auch ein bekennender Bauchmensch. Tatsächlich durchziehen sinnliche, verspielte Momente sein Werk wie einen roten Faden. So wähnen sich die Besucher des „Orientalischen Gartens der Vier Ströme“ in eine andere Welt versetzt. Dieser ist Teil des Ensembles der „Gärten der Welt“ in Berlin-Marzahn.
Inmitten einer Plattenbau-Kulisse verbirgt sich hier hinter hohen Mauern ein über 2000 qm großer „Riyâd“ wie aus Tausendundeiner Nacht. Es ist ein Ort, wo die Zitronen blühen. Neben Jasmin, Rosen und Oleander. Ein Paradiesgarten, wo Palmen wachsen und Agaven. Im zentralen Pavillon des gekachelten Gartenhofs, der an die Alhambra denken lässt, befindet sich eine Brunnenschale, von der vier Becken mit Wasserspielen abgehen.

Doch nicht alle Oasen Louafis sind so spektakulär. Manchmal sind es auch die Wohlfühlorte, auf die der Großstädter unvermittelt trifft. So das Spalierobst auf dem Campus der Aedes Galerie am Pfefferberg. Ein kleines Paradies inmitten des Betons. Eines, in dem der Apfel wieder zu Ehren kommt.

Kamel Louafi
Platz der fünf Kontinente, Copyright Kamel Louafi

Louafis Büro agiert weltweit. So gehen das Freiraumdesign der Scheich-Zayed-Moschee in Abu Dhabi ebenso auf die „Landscape Architects Berlin“ zurück wie der „Platz der fünf Kontinente“ im luxemburgischen Esch Sur Alzette. Dieser liegt in einem von einer heterogenen Bevölkerung bewohnten Quartier. Louafis Ziel: Die Lebendigkeit des Viertels zu spiegeln und den Aufenthalt für alle Altersgruppen bei Tag und Nacht angenehm zu machen – und das zu allen vier Jahreszeiten.

Fünf Bronzeskulpturen in amorpher Form verkörpern die Erdteile. Zypressen etwa deuten die Toskana und damit Europa an, Palmen Afrika. „Das ist ‚gartenKunst“, so Louafi. Für das Ausstellungsexposé hat er sich zwischen lebensgroßen Blütenskulpturen ablichten lassen. Wie ihn das bunte lebensbejahende Ambiente erfreut, wird auf dem Foto offensichtlich.

So sehr Laoufi das Ornamentale und Ausschweifende schätzt, so reduziert und ernst kann ein Entwurf ausfallen, wenn das Thema es erfordert. Gemeinsam mit seiner Mitarbeiterin Dörte Eggert-Heerdegen hat er ein Konzept für den Gedenkort „Klinkerwerk“ in Oranienburg entwickelt, ein ehemaliges Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausens. Im März 2015 werden dort die Arbeiten beginnen. Einst sollte das Klinkerwerk Baumaterial für die von Albert Speer ausgeklügelte „Welthauptstadt Germania“ produzieren. Neben dem Ziegeleiwerk wurden von den Nationalsozialisten ein eigener Hafen sowie ein Natursteinwerk eingerichtet, wobei das KZ Sachsenhausen die Arbeitssklaven für den Bau lieferte. Fast täglich starben hier Menschen – das Arbeitskommando Klinker galt als besonders sadistisch.

Kamel Louafi
Klinkerwerk, Copyright Kamel Louafi

Heute kommt der Ort als trügerische Idylle daher. Nichts erinnert mehr an die Grausamkeiten. „Wir möchten die Idylle stören“, erklärt Louafi daher schlicht. Stahlwände sollen vor der Kaimauer installiert werden, wo früher die von den Gefangenen beladenen Lastkähne ankamen. Die Sicht ist versperrt – die Aufmerksamkeit für den historisch besetzten Ort somit geweckt. Auf einer Stahlwand wird ein Zitat des ehemaligen jüdischen Häftlings Hans Reichmann zu lesen sein: „Unten am Kanal stehen Zivilisten. Die müssen doch sehen, wie man ihre Volksgenossen treibt, schlimmer als jede Herde Vieh getrieben wurde.“

In seinem Katalog „Landscape. Interventions. City Paradises“ legt Louafi seine Philosophie bezüglich der „Artikulation des Imaginären“ dar, die für alle seine Projekte gilt: „Die Komposition ist wie der Prozess eines Gartens: morgen anders als heute und übermorgen anders als morgen. Im Winter anders als im Frühjahr und anders als im Herbst; der jetzige Herbst anders als der zukünftige Herbst. Darin liegt unsere Chance.“

Informationen zu Kamel Louafis unter:
landschaftsarchitektur-louafi.de/

Dr. Inge Pett

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Imaginäre Artikulation – Kamel Louafis „gartenKunst“
Portrait: „Nein, er ist kein richtiger Architekt.“ Kamel Louafis Mutter hatte immer abgewunken, wenn ihre Nachbarn in der algerische Heimat sie auf den Sohn ansprachen. „Gärtnern“, sagte sie dann, „kann doch wirklich jeder, oder?“

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