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Empört euch, zeigt euch, bewegt euch!

von Inge Pett (07.06.2015)
vorher Abb. Empört euch, zeigt euch, bewegt euch!

Künstlerin oder Künstler? Ist es überhaupt der Erwähnung wert, ob ein Werk von einer Frau stammt? Zumindest spielt das Geschlecht in diesen Fällen häufig noch eine Rolle. Allzu häufig, darüber einig sind sich die in New York lebende Schriftstellerin Siri Hustvedt und Katharina Grosse, Professorin für Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf. Am 5. Juni diskutierten sie, moderiert von der Filmemacherin Nicola Graefe, im Berliner me Collectors Room der Olbricht Collection über die Situation von Frauen im Kulturbetrieb.

Dabei zählen Hustvedt und Grosse zu den Frauen, die es „geschafft“ haben. So stürmt Hustvedts neuer Roman „Die gleißende Welt“, in der sie den patriarchalischen Kunstbetrieb demontiert, wie gewohnt die Bestsellerlisten. Katharina Grosse wiederum ist weltweit in renommierten Sammlungen und wichtigen Ausstellungen vertreten. So sind ihre Arbeiten aktuell auf der Biennale in Venedig sowie in den neubezogenen Räumen der Galerie Johann König in der Kreuzberger St.- Agnes Kirche zu sehen.

„Ich selbst habe es so satt und bin der Tatsache so überdrüssig, dass alles immer wieder auf ´männlich` und ´weiblich`reduziert wird“, bricht es aus Hustvedt heraus. „Bei mir als weißer, der Mittelschicht angehörender Frau ist das Geschlecht stets das erste Merkmal, das man zur Kenntnis nimmt.“ Von „male artists“ sei hingegen nie die Rede. In der landläufigen Wahrnehmung sind ´artists` ganz unhinterfragt eben Männer. Hustvedt will diese Zweiteilung niederreißen – durch gute Kunst. Und diese, sagt sie, zeichne sich immer dadurch aus, den Adressaten zu überraschen.

Thomas Olbricht sieht das genauso. Immerhin 40 Prozent der Arbeiten in seiner Sammlung stammen von Frauen, die ihn mit ihrer Kunst überraschten. Über diese Statistik sei er selber erstaunt, resümierte er: „Beim Sammeln habe ich nie auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, ob ein Werk von einer Künstlerin oder einem Künstler ist.“

Dennoch zeigt die aktuelle Ausstellung „Queen Size“ ausschließlich weibliche Positionen: von Kiki Smith, Cindy Sherman bis hin zu Louise Bourgeois. Kuratorin Nicola Graefe betont, sich bewusst für diesen Ansatz entschieden zu haben, der vielleicht auf den ersten Blick anachronistisch anmuten mag. Auch wenn manche behaupteten, Feminismus und Gleichberechtigung seien Themen von gestern, würde sich in der Schau zeigen, welche Aktualität und Brisanz diese auch heute noch hätten. Die ausgestellte Kunst verlange eine Auseinandersetzung: „Empört euch, zeigt euch, bewegt euch!“

Im Gegensatz zur Olbricht Collection sind in den großen Institutionen die Frauen in der Regel stark unterrepräsentiert. Eine Frage der Qualität? „Weiße Männer regieren die Welt, ob man´s mag oder nicht“, gibt Grosse zu bedenken. Und der Kunstbetrieb sei ein sehr kleines Reich. Umso wichtiger sei es, auf die innere Stärke zu vertrauen, sich von einem Gefühl der Wertlosigkeit freizumachen und sich somit quasi einen „zweiten Raum“ zu erobern. Hustvedt bestärkt sie darin, sich in zwei Parallelwelten zu bewegen.

Mit dem Erfolg im „ersten Raum“ habe sich ihr Blick auf das System jedenfalls nicht verändert, so Grosse. Nach wie vor ärgere es sie, dass in der Gesellschaft die Meinung vorherrsche, weibliche Diskriminierung sei ein Thema von gestern: „Wir haben de facto nicht dieselben Rechte.“ Und sich dafür einzusetzen sei eine Selbstverständlichkeit, betonen sowohl Grosse als auch Hustvedt. Ebenso wie sie zugeben, trotz des großen Erfolges immer noch gelegentlich an Selbstzweifeln zu leiden.

Tatsächlich leben viele Künstlerinnen in dem Bewusstsein, Opfer mangelnder Gleichberechtigung zu sein und die gläsernen Decken nie durchbrechen zu können. Und daran hat sich seit Beginn der feministischen Bewegung nicht allzu viel geändert. Obwohl Siri Hustvedt diesen Zustand beklagt, warnt sie davor, sich in einer Art Komfortzone einzurichten und in den immerselben Diskursen zu stagnieren.

Ihrer Meinung nach kann erst dann von Fortschritt die Rede sein, wenn die Frage ´männlich oder weiblich` keine Hauptrolle mehr spiele. Wenn Kunst von Frauen nicht mehr reflexhaft auf Frauenkunst bzw. den Aspekt des Weiblichen reduziert wird. Wenn es einer Künstlerin freistehe, männliche und weibliche Seiten des Selbst und der Kultur gleichermaßen zu erkunden: „Um gute Kunst zu machen, so scheint mir, muss man verschiedene Perspektiven einnehmen. Wenn man sich in seiner eigenen kleinen Welt einschließt und aus einem einzigen Blickwinkel arbeitet, dann wird daraus nicht viel Gutes entstehen.“

Und die Zukunft? Hustvedt zögert nicht: „Die Zukunft liegt in unserer Freiheit, Künstlerinnen zu sein“.

me Collectors Room Berlin / Stiftung Olbricht
Auguststraße 68, 10117 Berlin
Öffnungszeiten: Di-So, 12-18 Uhr

Inge Pett

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Empört euch, zeigt euch, bewegt euch!
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