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Sehen und gesehen werden: Still Against the Sky. Hajra Waheed in den KW

von Inge Pett (21.11.2015)
vorher Abb. Sehen und gesehen werden: Still Against the Sky. Hajra Waheed in den KW

FAYAZ, 3:41 min, Videostill, Aus / From VIDEO INSTALLATION PROJECT, 2011–13, Video integriert in Holzmonitorgehäuse mit Kopfhörer / Embedded video in wooden viewer with monopod headphone, Courtesy Hajra Waheed

Es ist eine isolierte Welt, in der Hajra Waheed aufwuchs. Jeder Schritt wird überwacht am Ort ihrer Kindheit. Fotografieren und Filmen ist verboten. Denn der zum Hochsicherheitstrakt ausgebaute Komplex, in dem ihre Familie lebte, gehört dem Ölkonzern Saudi Aramco. „Fiele eine Bombe auf das Areal, so würden die USA 7% ihres Ölimportes einbüßen“, erklärt die heute in Montreal lebende Künstlerin.

Erst als junge Frau kehrte Waheed zurück nach Saudi-Arabien und begann die offiziellen Mechanismen der Überwachung, die geheimen Strukturen und die Inbesitznahme des individuellen Lebens in der „geheimen Stadt“ zu reflektieren.

In der Einzelausstellung „Still against the Sky“ präsentiert das KW Institute for Contemporary Art bis zum 22. November einen Querschnitt des Werkes der Künstlerin, die bereits mit Ausstellungen im New Yorker Museum of Modern Art oder der Fundació Antoni Tàpies in Barcelona auf sich aufmerksam machte.


THE SCRAPBOOK PROJECT Seite / Page 31/34, Aus / From: THE SCRAPBOOK PROJECT, 2010–11, Mylar, Polaroid und Papierausschnitt auf Papier / Mylar, Polaroid and Cut-out on paper, 34,2 x 26,6 cm, Courtesy Sammlung Bergmeier

Die ästhetisch ansprechende Arbeit „The Scrapbook Project“ entstand 2010-2012. Es sind die Erinnerungen Waheeds, die sie als Collagen aufarbeitet. Die Eingangsarbeit des Skizzenbuches zeigt den Pass des Vaters – eines Geologen –, der diesen als Mitarbeiter des Konzerns auswies. Es folgt ein Bild eines Stadions – das erste in der Region, in dem neben sportlichen Wettkämpfen auch religiöse Massenveranstaltungen stattfanden. Sehr persönlich ist das Bild mit einer Blume; diese steht für den Tod eines geliebten Menschen. Ein aufgeklebtes buntes Papier stammt von einem Kaugummi, der sie an die Kindheit erinnert. Eine einsame US-Briefmarke im unteren Bildrand wiederum zeigt das Konterfei Ronald Reagans.

Auch Erinnerungen an politische Ereignisse fließen in die Arbeit ein: so etwa ein Bombenanschlag, der 1996 die indische Metropole Bombay traf, oder Mohnblumen, die für die Kriege in der Golfregion stehen. Eine einsame blonde Frau an einem Swimmingpool verdeutlicht die eigenartige künstliche Welt, die inmitten der Wüste geschaffen wurde.

Drei Fernsehsender wurden bei Saudi Aramco ausgestrahlt, so Waheed: Sie habe immer das Programm eines Senders aus Bahrein verfolgt. Vor allem habe sie fasziniert, wie Scheiche ein Flugzeug verließen und sich auf dem ausgerollten roten Teppich zur Begrüßung mit ihren Gastgebern die Nasen rieben. „Ich habe ständig gehofft, dass sie ausrutschen und stattdessen die Lippen des anderen treffen würden“, erinnert sich Waheed an ihre Kindheitsphantasien.

Banales mischt sich in den Collagen mit Zeitgeschehen, und Persönliches und Referenzen an das politische Zeitgeschehen wechseln einander ab. Es ist das Kaleidoskop einer abgeschotteten Welt, einst wahrgenommen durch die Augen eines Kindes und heute reflektiert durch eine Erwachsene, die nicht zuletzt durch das Leben in Kanada einen distanzierten Blick angenommen hat.


KH-21 Notes 21/32, 2014, Aus der Serie / From the series KH-21 NOTES 1–32, 2014, Zerschnittene Fotografien und Aluminium auf Papier / Cut photograph and aluminium on paper, 21,6 x 30 cm, Courtesy Hajra Waheed

Auffällig in Waheeds Arbeiten ist der Kontrast zwischen der Darstellung der hochmodernen Spionagetechnologie und dem dokumentarischen Charakter der Bildhintergründe. So in der Arbeit „KH-21 Notes“, die das mittlerweile freigegebene Programm „Hexagon“ zum Inhalt hat: Zwischen 1971 und 1986 wurden von US-amerikanischen Überwachungssatteliten riesige Mengen an Bilddaten produziert. 32 Hefte in einer großen Vitrine zeigen die „Besetzung des Himmels“, wie die Künstlerin es formuliert.

Apokalyptisch wirken die zehn kurzen Filme in „Video Installation Project“ (2011-13), in denen nicht näher definierte Orte auf einem in ein Holzmonitorgehäuse integrierten Bildschirm zu sehen sind. Die Filmlängen variieren zwischen 59 Sekunden und 9:20 Minuten – eine bemerkenswert lange Zeit bleibt der Bildschirm zwischen den Sequenzen leer, ist von einem Rauschen begleitet.

Vor einem abweisend und steril wirkenden Gebäudekomplex etwa spielt ein Mann Tischtennis. Nur das Klacken des Balles ist zu hören, einmal marschiert ein Passant durchs Bild. Lange ist in einem anderen Video nur das Plätschern von Wasser zu vernehmen, bis ein Pool auf einem Hochhausdach ins Bild rückt. Seltsamerweise sind die Geräusche der Stadt ausgeblendet – die so erzeugte Stimmung ist surreal. Mit einem Kopfhörer versehen verfolgt der Betrachter das Nicht-Geschehen auf dem kleinformatigen Bildschirm – und schlüpft so selbst in die Rolle eines Überwachers.

11.10.–22.11.15

KW Institute for Contemporary Art
KUNST-WERKE BERLIN e. V.
Auguststraße 69
D-10117 Berlin

kw-berlin.de

Inge Pett

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Daten zu Hajra Waheed:


- Art Basel 2013
- Biennale Venedig 2017
- Canadian Biennial 2017
- La Biennale de Montréal 2014
- Sharjah Biennial 2023


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Titel zum Thema Hajra Waheed:

Sehen und gesehen werden: Still Against the Sky. Hajra Waheed in den KW
Nur noch dieses Wochenende, siehe unsere Ausstellungsbesprechung ...

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