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„Just DO!“

von Inge Pett (29.03.2016)
vorher Abb. „Just DO!“

Eva Hesse beim Eröffnungsempfang für “Eccentric Abstraction”, 1966. Foto Norman Goldman

„Nichts in meinem Leben war normal. Nichts“, resümiert Eva Hesse. In einem zweistündigen Film beleuchtet Marcie Begleiter das kurze intensive Leben der amerikanischen Künstlerin.

Chronologisch stellt die Regisseurin die Entwicklung einer ewig Suchenden dar. Welchen Einfluss die Biografie auch auf Hesses Schaffen hatte, betont die Kunsthistorikerin Lucy Lippard: „Man kann kaum an Eva Hesses Werk denken, ohne die Psychologie außer Acht zu lassen“.

Es ist eine Biografie, die unter die Haut geht. Eine Biografie, die von früh auf geprägt ist von Verlust und dem Gefühl der Verlassenheit. Als Zweijährige wurde Hesse, die 1936 in Hamburg geboren wurde, mit der zwei Jahre älteren Schwester Helen von ihrer jüdischen Familie mit einem Kindertransport nach Holland geschickt. Die Eltern überlebten und emigrierten 1939 mit den Kindern nach New York. Die Mutter Ruth litt unter bipolaren Störungen und stürzte sich kurz vor Evas zehntem Geburtstag von einem Hochhaus, als sie erfuhr, dass die eigenen Eltern wie auch der Rest ihrer Familie, in einem Konzentrationslager ums Leben gekommen waren.

Umso enger war das Verhältnis zu ihrem Vater Wilhelm, der sein „Evchen“ vergötterte, wie Helen im Interview berichtet. „Wenn Du sogar mich glücklich machen kannst, dann sei doch selber glücklich“, so schrieb er ihr. Im April 1961 verliebt sich Eva in den Bildhauer Tom Doyle. Die beiden heiraten bereits im November desselben Jahres, wobei der lebens- und trinkfreudige irischstämmige Doyle Wilhelm Hesse zuliebe zum Judentum konvertiert.

Im Jahr 1964 reist das Paar auf Einladung des Industriellen Arnhard Scheidt nach Kettwig an der Ruhr. Für Hesse bedeutet die Reise nach Deutschland eine Auseinandersetzung mit der eigenen schmerzvollen Familiengeschichte.

Doch der Abstand zu den USA bewirkt auch, dass Hesse sich künstlerisch öffnet. Das erste Relief – Ringaround Arosie – entsteht. Es ist ihrer hochschwangeren Freundin Rosie Goldmann gewidmet, die damals „kugelrund“ gewesen sei, wie sie im Film verrät. Bereits in dieser Arbeit klingt jene Ironie und Ambivalenz an, die Hesses ganzes Werk durchzieht.


Hesse mit ihrem Ehemann, dem Bildhauer Tom Doyle, auf dem Dach ihre Lofts in der Lower 5th Avenue, New York, 1962. Foto Barbara Brown

Während Tom in Kettwig als berühmter Künstler gefeiert wird, steht Eva im Schatten ihres Mannes. Ein Film aus dem Familienarchiv der Scheidts zeigt die Eheleute auf einer Vernissage, wobei Eva Hesse strahlend schön und sichtlich gelöst aussieht. Obwohl Evas Werk lediglich im bescheidenen Rahmen im Nebentrakt der ehemaligen Textilfabrik ausgestellt ist, erregt auch dieses große Aufmerksamkeit und findet erste Käufer. Die Anerkennung tut Eva, die unter schweren Selbstzweifeln leidet, gut.

Doch zwischen den Eheleuten nehmen die Spannungen zu. Doyle bekennt gegenüber Marcie Begleiter, dass er zu viel getrunken habe und öfters in Schlägereien verwickelt sei. In einem Brief schreibt die Künstlerin, wie sehr es sie verletzt hatte, dass Tom sogar in ihrem Beisein anderen Frauen Avancen machte.

Das Jahr 1966 sollte zu einem besonderen Schicksalsjahr für Hesse werden. Im Januar verlässt Doyle sie; im August stirbt unerwartet der Vater. Durch Tod und Trennung verliert Hesse zwei der wichtigsten Menschen in ihrem Leben. Ein weiterer wichtiger Mensch bleibt bis zu ihrem Tod der Konzeptkünstler Sol LeWitt. Obwohl beide mehr als Freundschaft füreinander empfanden und dies auch bekannten, wurden sie niemals ein Paar. „Man geht nicht mit seinem Bruder ins Bett“, bringt Hesse die Beziehung auf den Punkt.

Mit Wärme und Ironie fängt LeWitt Hesse auf, wenn diese mit Leben und Kunst hadert. Er ermuntert sie, sich eine “Fuck You”-Haltung anzueignen: “Hör auf zu denken, Dich zu sorgen, verwundert über Deine Schulter zu gucken, zu zweifeln, fürchten, verletzen, auf einen einfachen Ausweg zu hoffen, zu kämpfen… Dich selbst zu zermalmen, zermalmen, zermalmen." Sie solle damit aufhören, fordert er: “Just DO!”

Und sie tut es. Noch 1966 werden ihre ersten freistehenden Skulpturen in der von Lucy Lippard kuratierten Ausstellung „Eccentric Abstraction“ in der Fischbach Gallery in New York gezeigt. Es ist der Beginn einer steilen und außergewöhnlichen Karriere, die Hesse in vollen Zügen genießt.

Der Film lässt Hesses Freunde und Weggefährten in Deutschland und New York - darunter Dan Graham, Robert und Sylvia Plimack Mangold, Richard Serra und die Kinder Arnhard Scheidts - zu Wort kommen. Es ist das Who is Who der internationalen Kunstszene, das hier das Kaleidoskop einer ebenso verletzlichen und verletzen wie starken Persönlichkeit heraufbeschwört. Vor allem aber sei sie eine extrem relevante Künstlerin, die für einen Übergang und eine Verwandlung der Kunst der 1960er stehe, betont Nicolas Serota, Direktor der Tate Britain in London.


Foto von Installation „Accretion“, 1968. Aufgenommen in der Hamburger Kunsthalle, 2013. Foto Marcie Begleiter

Eva Hesse stirbt 1970 mit 34 Jahren an einem Gehirntumor. Obwohl sie den nahenden Tod ahnt, setzt sie all ihre Energie in die Kunst und schuf unglaubliche Gebilde aus vergänglichen Materialien wie etwa Latex. „Darüber sollen sich die Museen Gedanken machen“, lacht sie die Bedenken der Zeitgenossen weg. “Das Leben ist endlich. Die Kunst ist endlich. Das ist egal“.

EVA HESSE
Ein Dokumentarfilm von Marcie Begleiter
Eine Produktion von BDKS in Koproduktion mit Televisor Troika
Deutschland / USA 2016
105 Minuten - OmU
KINOSTART: 28. April 2016

Inge Pett

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