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Der ganze Prozess – Franz Kafka im Martin-Gropius-Bau

von Barbara Borek (04.07.2017)
vorher Abb. Der ganze Prozess – Franz Kafka im Martin-Gropius-Bau

Franz Kafka: „Der Prozess“, Seite 17, © DLA-Marbach

Es ist eine Ausstellung mit stark biografischem Bezug, ein Einblick in das Entstehen einer Weltliteratur, der sehr die Nähe der Person Franz Kafka sucht: Die Berliner Festspiele zeigen im Martin-Gropius-Bau das gesamte Manuskript des berühmten Romans Der Prozess, Übersetzungen des international erfolgreichen Werkes, Fotografien aus der Sammlung Klaus Wagenbach sowie die Verfilmung von Orson Welles aus dem Jahre 1962.

Kernstück der kleinen Ausstellung sind die 171 Blätter des Manuskriptes, eng beschriebene Seiten, die den intensiven Schreib-Prozess sichtbar machen (Franz Kafka, Der Prozess, 71 Seiten, DLA Marbach). In nur sechs Monaten, von August 1914 bis zum Januar 1915, verfasste Franz Kafka, der als Jurist bei der Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt in Prag arbeitete, den heute als sein Hauptwerk geltenden Roman. Oft arbeitete er an mehreren Kapiteln gleichzeitig, schrieb zeitgleich Tagebuch. Doch dann brach er die Arbeit am Roman ab. Veröffentlicht wurde der Text erst 1925 von seinem engen Freund und Nachlassverwalter Max Brod, der ihn ein Jahr nach Kafkas Tod gegen dessen erklärten Willen herausgab, im Berliner Verlag Die Schmiede.

Nun liegen die Originale hier in Berlin, ein literarischer Schatz aus dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, das, wie sein Direktor Ulrich Raulff hervorhebt, die weltweit zweitgrößte Sammlung von Kafka besitzt und das Manuskript Ende der 1980er Jahre über eine Spendenaktion erwarb. Auch Kafkas starker Bezug zur Hauptstadt wird immer wieder betont, seine komplizierte Liebesbeziehung zu der Berlinerin Felice Bauer. 1914 verlobten sich die beiden, im gleichen Jahr folgte die Entlobung, in unmittelbarer Nähe zum Gropius-Bau, im heute nicht mehr existierenden Hotel Askanischer Hof.


Kafka und Felice Bauer in Budapest, 12. Juli 1917, © Archiv Klaus Wagenbach

Die topografische Nähe zu dem Ort, an dem die Idee zum Roman Der Prozess entstand, als, wie Gereon Sievernich es formuliert, „Weiterführung des Gedankens, dass diese Liebe, die Verlobung, die Entlobung auch ein Prozess sei“, ist einer der Gründe für die Ausstellung. Ein weiterer ist die Verbindung zum Berliner Verleger Klaus Wagenbach, aus dessen Foto-Archiv die Bilder aus Kafkas Leben stammen. Zusammen mit Wagenbach kuratierte Hans-Gerd Koch aus Marbach einen weiteren Ausstellungsraum: die Schreibspuren um die Lebensspuren ergänzen, so ihre Idee. So zeigt eine Schwarz-Weiß Fotografie das Liebespaar (Kafka und Felice Bauer in Budapest, 12. Juli 1917, Archiv Klaus Wagenbach), ein anderes Max Brod (Kafkas Freund Max Brod, etwa 1910, Archiv Klaus Wagenbach). Weitere Exponate sind eine Schreibmaschine vom Typ, wie sie Kafka benutzte (Oliver 5) sowie eine Visitenkarte des Dr. Franz Kafka mit der Notiz an seinen Arbeitgeber, er „käme heute erst später ins Büro“, nachdem er in nur einer Nacht die Erzählung Das Urteil geschrieben hatte (1912).

Die Besucher_innen könnten sich die Frage stellen, was genau hier eigentlich dargeboten wird: Das ohne Zweifel bedeutende Original-Manuskript, für Thomas Oberender ein Übergang „vom Leib zum Zeichen“ und gleichzeitig eine Wiederbelebung, ein „Sein“ auch des Autors sowie Exponate rund um das Werk oder aber die Bedeutung Berlins, genauer gesagt des Martin-Gropius-Baus und der Berliner Festspiele, des Literaturarchives und der Wagenbach-Sammlung für den Nachlass Franz Kafkas.

Das Manuskript – aufgeschlagen in der Reihenfolge von Max Brod - liegt in Vitrinen, die zu einem ausgedehnten Viereck gestellt wurden, in der Mitte des Aufbaus ein etwas irritierender Freiraum. Im selben Raum kann an zwei Lesestationen die Faksimile-Ausgabe von 1925, verlegt im Stroemfeld Verlag (2008, Frankfurt a.M.) studiert werden. Nebenan dann die Wagenbach-Sammlung mit zum Teil winzig kleinen Aufnahmen in großen Rahmen, die die Fotos fast verschwinden lassen. Auch eine Sammlung von Übersetzungen des Romans, er ist bisher in mehr als 60 Sprachen erschienen, zur Verfügung gestellt vom Goethe-Institut, sowie die bereits genannten biografischen Exponate werden hier präsentiert.


Passfoto, Kafka etwa 32 Jahre alt, 1915/16, © Archiv Klaus Wagenbach

In einem weiteren Raum läuft dreimal täglich die Verfilmung des Romans von Orson Welles (The Trial, 1962, 114 Minuten) mit Anthony Perkins als Josef K., Jeanne Mourau als Fräulein Bürstner und der jungen Romy Schneider als Leni. Welles selbst spielt den Rechtsanwalt Hastler (Vorführung täglich 11,14 und 16 Uhr, mit deutschen Untertiteln).

Kafka in Berlin, vielleicht wäre dieser Titel für die Ausstellung zutreffender gewesen. Das Rahmenprogramm bietet neben Workshops für Familien und Schulklassen auch Literaturspaziergänge mit Sarah Modegrin an, die durch das Berlin des Schriftstellers führt (kafkawalksberlin.wordpress.com).

Berlin, so die Kuratorin Ellen Strittmatter, war Sehnsuchtsort für Franz Kafka. Ob die Ausstellung mit ihren stark topografischen und institutionellen Bezügen auch für interessierte Besucher_innen ein Begegnungsort mit Kafkas Literatur wird, bleibt abzuwarten.


Franz Kafka. Der ganze Prozess.
30. Juni – 28. August 2017
Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin

Mi – Mo 10 – 19 Uhr
gropiusbau.de

Barbara Borek

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