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Berlin Daily 25.04.2024
Künstlerinnengespräch

19 Uhr: moderiert von Helen Adkins imRahmen der Ausstellung "approaching world" mit Arbeiten von Birgit Cauer, Nathalia Favaro, Kati Gausmann, Juliane Laitzsch und Muriel Valat-B. Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten | Turmstr. 75 | 10551 B

Forum Expanded: A Mechanism Capable of Changing Itself

von Inge Pett (16.02.2018)
vorher Abb. Forum Expanded: A Mechanism Capable of Changing Itself

Extended Sea, © Nesrine Khodr

Wer die Ausstellung „A Mechanism Capable of Changing Itself“ in der Akademie der Künste am Hanseatenweg besucht, braucht Zeit. Viel Zeit. Bereits mit der ersten Arbeit „Extended Sea“ von Nesrine Khodr laden die Kuratoren den Besucher zur Entschleunigung ein.

Das Video der Beiruter Filmemacherin markiert den Einstieg des Forum Expanded, das zum dreizehnten Mal im Rahmen der Internationalen Filmfestspiele Berlin stattfindet und noch zwölf weitere Filme zeigt.

„Extended Sea“ nimmt fünf Stunden lang eine einzige Schwimmerin in den Fokus. Vor blauer Mittelmeer-Kulisse zieht diese im Pool ihre Runden, mal zügig, mal entspannt. Die Kameraeinstellung änderte Nesrine Khodr dabei nie. Nur gelegentlich kreuzen Schiffe den Horizont oder Menschen nehmen ein Bad im Meer. Und eine Stunde etwa bleibt der Pool verweist: Einziger Akteur ist dann der Wind, der die Wasseroberfläche kräuselt. Unspektakulärer könnte eine Szenerie kaum sein.

So steht der Betrachter vor dem Dilemma, sich auf die stille Ästhetik von „Extended Sea“ einzulassen oder aber zeitoptimierend zum nächsten Werk weiterzuziehen. Und dieser innere Konflikt ist durchaus beabsichtigt, wie die Chefkuratorin Stefanie Schulte Strathaus verrät: „Das verändertes Zeit-Raum-Verhältnis erlaubt es einem, den Fokus auf die eigenen Sinne zu richten, Erwartungshaltungen abzulegen und mit geöffnetem Blick in die Ausstellung – vielleicht sogar ins ganze Festival – einzusteigen“.

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Cold Body Shining, © Marta Hryniuk

Mit der Farbe Blau geht es dann weiter in der Arbeit „Cold Body Shining“ der jungen, in Rotterdam lebenden Künstlerin Marty Hryniuk. Doch was auf dem einen Bildschirm der Zweikanalinstallation so poetisch und geheimnisvoll glimmt, ist ein Ausdruck von Verwesung. Tote Heringe bringen die See zum Schimmern, denn einige Tage nach ihrem Tod beginnt die fette phosphorhaltige Substanz auf der Bildoberfläche zu leuchten.

Auch im 48-minütigen Film „Bläue“ von Kerstin Schroedinger spielt die Farbe Blau eine wichtige Rolle. Die Berliner Künstlerin setzt sich mit der synthetischen Farbe „Preußisch Blau“ bzw. Berliner Blau auseinander, dem ersten modernen Pigment, das in dieser Form nicht in der Natur vorkommt. Die Medizin setzte das Berliner Blau bei manchen Vergiftungen als Gegenmittel ein. Bislang wurde es vor allem bei Nuklearunfällen zur Dekontaminierung von Menschen und Tieren verwendet. Schroedinger hat für ihren Film Pharma- und Chemiefabriken in Italien und Basel aufgesucht, um die komplexen historischen, materiellen und sozialen Bedingungen des Blaudrucks aus einer feministischen Perspektive heraus zu beleuchten.

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Pink Slime Ceasar Shift, © Jen Liu

In der Arbeit „Pink Slime Caesar Shift“ von Jen Liu, einem der künstlerischen Highlights der Ausstellung, geht es um wissenschaftliche Manipulation. In ihrem Video zeigt die New Yorkerin vier fiktive Möglichkeiten, um die DNA von in-vitro-erzeugten Hamburgern zu verändern. Dies verbindet Jen Liu mit Berichten über den Arbeitskampf chinesischer Arbeiter(innen) in Fabriken der Sonderwirtschaftszone. Wenn synthetisches Fleisch produziert wird, so spinnt Jen Lui, dann könne man dessen DNA zum Datenträger umfunktionieren. So könnten auf subversiv-bizarre Weise die Streikenden per Fast-Food Nachrichten übermitteln.

Der reale Hintergrund: Die Ressourcen in China werden knapp – so auch das Rindfleisch – und es gab in letzter Zeit diverse Skandale um gefälschtes Fleisch. Zudem schlossen sich Arbeiter zu Protesten zusammen, die jedoch von der Regierung sofort unterbunden werden.

Die Künstlerin schöpft ein breites Spektrum formalästhetischer Möglichkeiten aus: So verwandelt sie die Leinwand in ein faszinierendes rotes Tableau, dessen Sujet sich erst auf den zweiten oder dritten Blick als welliges Rinderhack offenbart, wie es für Supermärkte abgepackt wird. Der Film spielt geschickt mit der Position des Betrachters. Was ist Klamauk, was wirklich, was könnte zukünftig wirklich werden? Dadurch, dass die Künstlerin auch dokumentarische Berichte einfließen lässt, verschwimmt die Linie zwischen Fiktion und Realität vollständig. Der Betrachter bleibt verwirrt zurück. Und nachdenklich.

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© Musqiqui Chihying und Gregor Kasper

Besonders hervorzuheben ist auch der Film Café Togo von Musqiqui Chihying und Gregor Kasper, die sich für eine multidimensionale Erinnerungspolitik unter postkolonialen Perspektiven einsetzen. Die Schrebergartenkolonie „Kleine Rehberge“ im afrikanischen Viertel im Berliner Wedding nennen sie kurzerhand um in „Kolonie Klein Afrika“. Im Café Friedrich, nun Café Togo getauft, fragt ein Afrikaner einen Asiaten, ob es einen Bushido in Taiwan gebe. Der Taiwanese wiederum befragt den Afrikaner nach einem afrikanischen Sumurai. „Wir müssen Geschichte in einem größeren Hub neu schreiben“, so das Credo von Musqiqui Chihying und Gregor Kasper, „und nicht nur zwischen Afrika und Europa“.

„A Mechanism Capable of Changing Itself“ ist eine Ausstellung, die viel Zeit und Konzentration erfordert und manchmal überfordert. Wem die bisweilen einander überschneidenden Sounds als Kakophonie erscheinen, der ist gut beraten, zum Eingangsfilm zurückzukehren oder aber vor James Bennings nicht minder ereignisarmen Arbeit „L. Cohen“, zu verweilen, die den Besucher auf ein Feld in Oregon entführt.

A MECHANISM CAPABLE OF CHANGING ITSELF

James Benning, Musquiqui Chihying und Gregor Kasper, Laura Horelli, Marta Hryniuk, Jane Jin Kaisen, Nesrine Khodr, Bahar Noorizadeh, Jen Liu, Ash Moniz, The Otolith Group, Song Sanghee, Kerstin Schroedinger, Ala Younis

ÖFFNUNGSZEITEN / OPENING HOURS
15.2.–25.2. täglich/daily 11 –21 Uhr / 11am - 9pm
Führungen durch die Ausstellung/Guided exhibition tours:
17.2., 18.2. und 24.2, 25.02.
Finissage 26.02. 19 - 21 Uhr / 7- 9pm

Akademie der Künste
Hanseatenweg 10, 10557 Berlin

Weitere Ausstellungen des 13. Forum Expanded:

WE ARE NOT WORRIED IN THE LEAST
von Jasmina Metwaly
SAVVY Contemporary

SPECIAL WORKS SCHOOL
von Bambitchell (Sharlene Bamboat & Alexis Mitchell)
Marshall McLuhan Salon, Botschaft von Kanada

arsenal-berlin.de/de/berlinale-forum/programm-forum-expanded/forum-expanded-exhibition.html

Inge Pett

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Titel zum Thema Forum Expanded:

Antikino (The Sirene`s Echo Chamber) - Forum Expanded im silent green Kunstquartier
Heute letzter Ausstelllungstag --> Besprechung

Forum Expanded: A Mechanism Capable of Changing Itself
Ausstellungsbesprechung: Wer die Ausstellung „A Mechanism Capable of Changing Itself“ in der Akademie der Künste am Hanseatenweg besucht, braucht Zeit. Viel Zeit.

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