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Archivierte Bedeutungen – „Unboxing Photographs“ in der Kunstbibliothek

von Anna Wegenschimmel (24.05.2018)
vorher Abb. Archivierte Bedeutungen – „Unboxing Photographs“ in der Kunstbibliothek

Kontaktabzüge aus dem Hahne-Niehoff-Archiv
© Institut für Europäische Ethnologie,
Humboldt-Universität zu Berlin


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Das Archiv ist kein neutraler Ort. In ihm werden nicht nur Objekte gesammelt, sondern vielmehr Realitäten erzeugt und für die Nachwelt aufbereitet. Motivierte Entscheidungen prägen jede institutionelle Inventarisierung: Wie werden die einzelnen Objekte benannt und klassifiziert? In welche Schublade – sowohl im wörtlichen als auch übertragenen Sinn – werden sie gesteckt? Und was wird überhaupt gesammelt und damit als der Bewahrung würdig empfunden? Wer sich mit diesen Fragen näher beschäftigt, erfährt vieles über die inventarisierten Objekte. Noch viel mehr aber über den zeitgeschichtlichen Kontext, in dem sie archiviert wurden.

In der Ausstellung „Unboxing Photographs. Arbeiten im Fotoarchiv“ in der Kunstbibliothek am Kulturforum laden die fünf Kuratorinnen ein, Fotografien nicht nur als reine Bildträger zu betrachten – sondern als dreidimensionale Objekte, die beschriftet, gestempelt, geklebt, gerahmt, be- oder sogar zer-schnitten werden. Julia Bärnighausen, Costanza Caraffa, Stefanie Klamm, Franka Schneider und Petra Wodtke forschen allesamt im Verbundprojekt „Foto-Objekte – Fotografien als (Forschungs-) Objekte in Archäologie, Ethnologie und Kunstgeschichte“. Dabei stellen sie die oben genannten Fragen an die vier Fotoarchive des Kunsthistorischen Instituts in Florenz, des Instituts für Europäische Ethnologie der Berliner Humboldt-Universität, der Kunstbibliothek sowie der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin. Neben seiner Rolle in verschiedenen Wissenschaften ist das Archiv gerade in unserer digitalen, schnelllebigen Welt als Ort des Bewahrens oft auch Ausgangspunkt für Arbeiten vieler zeitgenössischer Künstler*innen, die entweder in Archiven recherchieren oder das Archiv selbst zum Protagonisten ihrer Arbeit erklären. Als künstlerische Interventionen werden daher Arbeiten von JUTOJO, Ola Kolehmainen, Joachim Schmid, Elisabeth Tonnard und Akram Zaatari integriert – jedoch leider recht wenig zum Rest der Ausstellung in Beziehung gesetzt. Drei der fünf Arbeiten können in den Foyers leicht übersehen werden und wirken nicht nur räumlich stark abgekoppelt.


Acht Spiegelrahmen
Silbergelatinepapier auf Karton
Nachlass Elia Volpi, um 1900
nicht identifizierter Fotograf
© Kunsthistorisches Institut in Florenz –
Max-Planck-Institut


Die Ausstellung führt in unterschiedlichen Kapiteln wie Typologie, Klassifikation, Netzwerk, Politik oder Mobilität anhand zahlreicher konkreter Beispiele vor, wie Archäologie, Kunstgeschichte und Ethnologie mit Fotografien arbeiten. Im Kapitel Bildermassen werden Abbildungen von Spiegeln, Kaminverkleidungen oder antiken Skulpturenfragmenten nebeneinander gereiht: Eine Einladung zum genauen Hinsehen und Vergleichen. Wie der Wandtext dazu verrät, sammelten Archive um 1900 derartig Darstellungen in Massen, um einen Überblick über Motive und Techniken zu gewinnen. Den politischen Charakter von Fotografien und von Archiven, die ebendiese sammeln, verdeutlichen Beispiele aus dem Hahne-Niehoff-Archiv, das vom Institut für Europäische Ethnologie beherbergt wird. Hans Hahne und Heinz Julius Niehoff fotografierten in den 1920er- bis 1940er-Jahren vor allem Trachten, Feste und Architektur. In der Schau sind Abbildungen von Kinderspielen zu sehen, die der nationalsozialistischen Propaganda von „germanischen“ Sitten und Bräuchen dienten.


Carl Humann, Magnesia am Mäander,
wohl Vorplatz des Artemistempels
Kollodiumpapier auf Karton, 1891
© Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung


„Unboxing Photographs“ lenkt den Blick auf die Rückseiten der Fotografien, auf die Notizen, Stempel, Inventarnummern und Betitelungen, die sich darauf befinden – stimmig präsentiert in Glaskonstruktionen, die die Betrachtung gleichberechtigt mit der Vorderseite ermöglichen. Unter einer verschwommenen Fotografie aus der Antikensammlung vermerkte jemand „Kleines Kavassenhaus“, eine andere Person (oder war es die gleiche?) strich die Bildunterschrift mit festem Druck durch. Die Information beschränkt sich in diesem Fall darauf, was man hier nicht sieht. An der linken Museumswand schlüsselt ein beeindruckendes Diagramm bestehend aus Archivmaterialien von archäologischen Ausgrabungen in Magnesia auf, welche Informationen hinter den Stempeln und Notizen stecken. Es liefert ein Exempel dafür, wie kleinteilig und mühselig Archivarbeit ist – nicht nur die Provenienzforschung kann ein Lied davon singen.

Und doch hat Archivarbeit auch viel mit Rätsellösen gemeinsam, wo man sich freut, wenn sich neue Synapsen bilden, die das Verständnis fördern. Jedenfalls ist in der Ausstellung die Liebe der Kuratorinnen zu den Archiven und ihre tiefgehende Auseinandersetzung mit den Archivmaterialien zu spüren. Mit den prägnanten Vermittlungstexten und der äußerst gelungenen Ausstellungsgestaltung, die mit vielen offenen Strukturen die Prämisse der Transparenz transportiert, überträgt sich die Begeisterung auch auf die Besucherin.

Unboxing Photographs. Arbeiten im Fotoarchiv
16.02.2018 bis 27.05.2018
Kulturforum, Kunstbibliothek
Stauffenbergstraße 41, 10785 Berlin
Öffnungszeiten: Di – Fr 10 – 18 Uhr, Sa und So 11 – 18 Uhr
Eintritt: 6€, erm. 3€
http://www.smb.museum/unboxing-photographs.html

Anna Wegenschimmel

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Titel zum Thema Kunstbibliothek:

Archivierte Bedeutungen – „Unboxing Photographs“ in der Kunstbibliothek
Ausstellungsbesprechung: Das Archiv ist kein neutraler Ort. In ihm werden nicht nur Objekte gesammelt, sondern vielmehr Realitäten erzeugt und für die Nachwelt aufbereitet. (nur noch bis Sonntag)

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