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19 Uhr: eine Performance, konzipiert und präsentiert von Katrina E. Bastian. Uferstudios_Studio 1 | Uferstr. 8/23 | 13357 Berlin

Erlöse uns von dem Tonalen! Einblicke in die Welt des Komponisten Julius Eastman

von Anna Wegenschimmel (05.05.2018)
vorher Abb. Erlöse uns von dem Tonalen! Einblicke in die Welt des Komponisten Julius Eastman

Barthélémy Toguo, Genial Nigger, Foto: Raisa Galofre

26 Performer*innen stehen in einer Kirche vor einer Orgel. Sie pfeifen. Zunächst pfeifen sie mit den Klängen der Orgel, mit zunehmender Dauer verwandeln sich die Pfeiftöne in eine laute, beinahe aggressive Geräuschkulisse. Den Menschen, die mal in der Totalen aus einer leichten Übersicht und mal in Nahaufnahme gezeigt werden, sieht man dabei die körperliche Anstrengung an. Es handelt sich um die Videoarbeit „The Lord Loves Changes, It´s One Of His Greatest Delusions“ von Annika Kahrs, die den Einstieg in die neu eröffnete Ausstellung bei SAVVY Contemporary bildet. Die von Antonia Alampi und Bonaventure Soh Bejeng Ndikung kuratierte Schau „We Have Delivered Ourselves From The Tonal – Of, With, Towards, On Julius Eastman“ verhandelt ausgehend von der Person Julius Eastman (1940 – 1990) Themen, die der afroamerikanische Komponist sowohl in seiner minimalistisch repetitiven, atonalen Musik der 1970er- und 80er- Jahre als auch in Reden und Interviews geöffnet hat. Mit provokativen Titeln wie „Gay Guerilla“, „Evil Nigger“ oder „Nigger Faggot“ stellte Eastman seine Musik in einen politischen Kontext. Lange Zeit wenig beachtet, wird Eastman seit einigen Jahren wieder verstärkt rezipiert – vorrangig im Kontext der Empowerment-Diskurse über race, Sexualität und Gender. „Schwarz, schwul, böse. Amerikas vergessener Minimalist“, titelt die Süddeutsche Zeitung im Jahr 2017.


Listening Station & Tanka Fonta, Foto: Raisa Galofre


Die Ausstellung ist in zwei Strängen angeordnet: In Archivsektionen finden sich Fotos von Eastman, Zeitungsartikel, Reproduktionen seiner Partituren, Alben, Publikationen; in einem Listening Space können Eastmans Kompositionen und ein berühmtes Interview aus dem Jahr 1984 mit David Garland gehört werden. Den zweiten Strang bilden Arbeiten von neun Künstler*innen, die sich auf verschiedenen Ebenen mit der Person Eastman auseinandersetzen. Annika Kahrs Video eines Pfeifkonzertes (dessen oben genannter Titel ein Zitat aus dem Interview mit Garland ist) verhandelt Eastmans ambigues Verhältnis zu Spiritualität und Religiosität. Kahrs macht dies in eindrucksvoller Weise deutlich, wenn sie die Performer*innen gegen die an zwei Kompositionen von Eastman angelehnte Orgelmusik mit spürbarer Anstrengung „anpfeifen“ lässt.

Eine weitere Auftragsarbeit, „Genial Nigger“ von Barthélémy Toguo, referenziert auf Eastmans Biographie sowie dessen minimalistische musikalische Praxis. Auf wenige Linien reduzierte Zeichnungen auf Notenblättern – vermeintliche Partituren, die nach Angaben des Künstlers jedoch keinen Sinn ergeben –, werden überlagert von blutroten Händen. Die Zeichnungen befinden sich auf Notenständern, die der Installation den Eindruck eines Orchesterkonzertes verleihen. An der Wand montiert Toguo zwei großformatige Banner mit gesichtslosen roten und blauen Köpfen, die umgeben sind von Gedichtfragmenten des südafrikanischen Dichters Mxolisi Nyezwa oder des mauritischen Dichters Sedley Richard Assonne.

Eastmans „Nigger“ - Serie und die Provokation, die mit dieser Titelgebung einherging, steht auch im Zentrum der Arbeit „The Third Part Is The Third Measure“ des Künstlerkollektivs The Otolith Group aus dem Jahr 2017. In der 2-Kanal-Videoarbeit performen vier Pianist*innen Eastmans Klaviermusik. Dazu sprechen die Sängerin Elaine Mitchener und der Dichter Dante Micheaux jene berühmte Rede Eastmans ein, die er im Jahr 1980 vor seinem Konzert in der Nortwestern University in Evaston, Illinois, als Antwort auf die Zensierung seiner Titel im Programmheft zur Veranstaltung hielt.


Pungwe, „Regginigger, A Play On Eastman´s Wor(l)d Of Divinity“, Foto: Raisa Galofre

Die Soundskulptur „Regginigger, A Play On Eastman´s Wor(l)d Of Divinity“ des Künstlerkollektivs Pungwe nimmt sich Eastmans Umgang mit Instrumenten wie dem Vibraphon, Bambusstöcken oder der Mbira zum Ausgangspunkt. In einem Mix aus Eastmans Stimme, Archivaufnahmen und digitalen Instrumenten steht in dieser Arbeit das genaue Hinhören im Vordergrund.

Wer um die Bezüge und Hintergründe zu Eastman nicht weiß, wird sie aus vielen der gezeigten Werke nur schwerlich erschließen können – erst der Blick in die Ausstellungsbroschüre liefert die dafür nötigen Hinweise. Wie das Kurator*innenteam selbst angibt, steht (wie auch der Untertitel der Ausstellung verrät) die Person Julius Eastman nicht im Vordergrund, sondern dient vielmehr als Ausgangspunkt, um größere musikalische und gesellschaftspolitische Kontexte zu erschließen – wozu die Ausstellung in jedem Fall anregt und deswegen einen Besuch unbedingt lohnt.

Die Ausstellung läuft im Rahmen von MaerzMusik – Festival für Zeitfragen 2018.

mit Arbeiten von: Paolo Bottarelli, Raven Chacon, Tanka Fonta, Malak Helmy, Hassan Khan, Annika Kahrs, Pungwe (Robert Machiri und Memory Biwa), The Otolith Group (Anjalika Sagar und Kodwo Eshun), Barthélémy Toguo

WE HAVE DELIVERED OURSELVES FROM THE TONAL.
OF, WITH, TOWARDS, ON JULIUS EASTMAN
23.03. - 06.05.2018
SAVVY Contemporary
Plantagenstraße 31, 13347 Berlin
savvy-contemporary.com/

Öffnungszeiten: Do–So, 14–19 Uhr
der Eintritt zur Ausstellung ist frei (Spenden sind willkommen)

Anna Wegenschimmel

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