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„Unterentwickelte Bilder für unterentwickelte Länder” - späte Anerkennung für Beatriz González

von Inge Pett (18.10.2018)
vorher Abb. „Unterentwickelte Bilder für unterentwickelte Länder” -  späte Anerkennung für Beatriz González

Beatriz González, Installationsansicht der Ausstellung Retrospective 1965–2017 im Hofeingang, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 2018, Foto: Frank Sperling

Pop Art? Nein, diese Zuordnung lehnt Beatriz González ab. Lieber bezeichnet sie ihre Arbeiten als „unterentwickelte Bilder für unterentwickelte Länder”. Dabei lässt die 1938 in Kolumbien geborene Künstlerin eine satte Portion Selbstironie mitschwingen.

Eine Pop-Kultur habe es in den 1960er-Jahren in Kolumbien nicht gegeben, so González. Die Arbeiten der internationalen Pop Art habe sie erst später kennengelernt. „Was mich geprägt hat, sind vielmehr die Farben meiner Heimat, vor allem die der Kirche in Bucaramanga“, erklärt sie. Während des Kunststudiums in der Hauptstadt Bogotá seien diese Farben ganz selbstverständlich in ihr Werk eingeflossen.

Während Beatriz González zu den renommiertesten Künstlerinnen Süd- und Lateinamerikas zählt, blieb ihr Werk in Europa und den USA weitgehend unbekannt. Doch das hat sich geändert: Inzwischen sind sowohl das New Yorker Museum of Modern Art als auch die Tate Modern in London im Besitz von Arbeiten der Künstlerin, die im Übrigen 2017 mit zwei Arbeiten auf der documenta 14 in Kassel vertreten war.

Die erste monografische Ausstellung von Beatriz González in Deutschland ist derzeit im KW Institute for Contemporary Art in Berlin zu sehen. Rund 120 Arbeiten aus dem Jahren 1965 bis 2017 zeigen die künstlerische Entwicklung der Kolumbianerin. Damit gingen die Kuratoren Maria Inés Rodriguez und Krist Gruijthuijsen nicht chronologisch vor, sondern fügten Arbeiten in Werkgruppen zusammen.


Beatriz González, Los Suicidas del Sisga No 2, 1965, Öl auf Leinwand, Courtesy die Künstlerin, Óscar Monsalve und Museo La Tertulia, Cali, Sammlung Museo La Tertulia, Cali

Seit 1965 verwendet González Zeitungsausschnitte, die sie zu Gemälden inspirieren. In „Los Suicidas del Sisga“ etwa porträtiert sie ein Bauernpaar in Hochzeitskleidung und mit Brautstrauß. Doch was den Beginn eines gemeinsamen Lebens markiert, ist zugleich auch der letzte Tag des Paares. Getrieben von der Vorstellung, ihre Liebe rein zu halten, wählten sie unmittelbar nach dem Besuch beim Fotografen den Freitod. Das Schwarzweißfoto, das der Fotograf später an die Familien verschickte, erschien auch in der Lokalzeitung. Dabei zeigte sich die Künstlerin vor allem von der schlechten Qualität des Abdrucks beeindruckt, aufgrund derer die Gesichtszüge flach und beinahe deformiert erschienen. Indem González in ihrem Gemälde diese Flächigkeit durch Farben noch hervorhebt, entsteht ein nahezu kollagenhafter Charakter.

Auch gesellschaftliche Ikonen – von der Queen und ihrer Tochter Anne bis hin zum kolumbianischen Radprofi¬ – fließen in die Bilderwelt der Künstlerin ein. Ebenso der Papst, bekleidet mit einem übergroßen Sombrero, dessen Ornamentik mit dem Hintergrund der Leinwand verschmilzt.

González‘ Werk ist vor allem vor den politischen Geschehnissen in ihrer Heimat zu verstehen. Bereits ihre Kindheit in den 1940er und 50er-Jahren stand im Zeichen der Gewalt. Viele Arbeiten handeln von der Geschichte des Landes und den zahlreichen Opfern brutaler Gewalt, beginnend mit der Ermordung des Politikers Jorge Eliécer Gaitán. El silencio etwa zeigt fünf grüne, geneigte Köpfe – ein Bild der Trauer und Resignation. González widmet sich auch dem Leid der indigenen Bevölkerung, ihres Landes beraubt und nicht selten ihres Lebens: Immer wieder taucht das Motiv von Leichen auf, die in einem Fluss davontreiben.

Die Haupthalle der Kunstwerke ist den von González gestalteten Möbeln und Vorhängen vorbehalten. So schmückt eine auf Metall gemalte Kopie von Leonardo da Vincis letztem Abendmahl den Boden eines Bettes, dessen metallenes Gestell den Eindruck edlen Holzes erwecken soll. „Ready Made“ und Kunstwerk verschmelzen so zu einem funktionalen Ganzen. Augenzwinkernd überbrückt die Künstlerin damit den Graben zwischen High und Low Art.


Beatriz González, Installationsansicht in der Ausstellung Retrospective 1965–2017, KW Institute for Contemporary Art, Berlin, 2018, Foto: Frank Sperling

Auf der Biennale von Sao Paulo 1971 waren diese Möbel bereits zu sehen, wobei sie in ihrer virulenten Farbigkeit einen Kontrapunkt zur vorherrschenden Konzeptkunst bildeten. Doch die meisten Fachleute sowie das breite Publikum standen dieser künstlerischen Position, die die Kunsthistorikerin Marta Traba als „marginal art“ bezeichnete, damals ratlos gegenüber. „Manchmal fühlte ich mich wie eine Übeltäterin, die nicht in ihre Zeit passte“, erinnert sich Beatriz González.

Heute in Berlin, fast ein halbes Jahrhundert später, trifft ihre Kunst auf ein Publikum, das diese Übeltaten zu schätzen weiß.

Beatriz González
Retrospective 1965–2017
13. Oktober 2018 – 6. Januar 2019

KW Institute for Contemporary Art
Auguststraße 69
10117 Berlin
kw-berlin.de

Inge Pett

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Daten zu Beatriz González:


- A Tale of Two Worlds 2017
- artbasel2021
- Artsy List 2019
- Berlin Biennale 2014
- documenta14
- Frieze London 2016
- Gwangju Biennale 1995
- MoMA Collection


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