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Zurück zur Natur. How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions

von Rabea Kaczor (11.05.2019)
vorher Abb. Zurück zur Natur. How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions

Antje Majewski
Snail (Doubles), 2013
Öl auf Holz, 49,3 x 50,5 cm
Courtesy of the artist and neugerriemschneider, Berlin / © VG Bild-Kunst, Bonn 2018


„Wir müssen lernen, anderen Wesen zuzuhören und mit Empathie, Aufmerksamkeit und Liebe zu begegnen“ so lautet ein Appell der aktuellen Ausstellung im Hamburger Bahnhof. Das von der Künstlerin Antje Majewski initiierte Projekt will sich der Natur nähern, mit Pflanzen und Tieren sprechen, wie es bereits im Titel "How to talk with birds, trees, fish, shells, snakes, bulls and lions" anklingt. Die Idee entstand 2016 in einem Gespräch zwischen Antje Majewski und dem Künstler Issa Samb in Dakar. Ein Vogel hat ebenso wie eine Muschel verschiedene Bedeutungen und kann Geschichten erzählen, die es zu hören gilt, so die Überlegung. Die versammelten Werke der Künstler*innen aus Brasilien, China, Frankreich, Kolumbien, Kamerun, Polen, dem Senegal und Ungarn nehmen dabei überwiegend vom Menschen kolonisierte und geprägte Umgebungen in den Blick.


Antje Majewski
Yaadikone, 2017
16:9 HD Video, Farbe, Ton / colour, sound, 11:41 min
Courtesy of Antje Majewski, neugerriemschneider, Berlin


In dem Video „O que nos nutre“ (Was uns ernährt) von Antje Majewski geht es unter anderem um die Enteignung und Kapitalisierung indigenen Lands, die Getúlio Krwwakryj Krahô (ein geistlicher Anführer der indigenen Gruppe Krahô in Brasilien) kritisiert. Er beschäftigt sich mit traditioneller Agrikultur und der Nutzung alter Pflanzensorten, um die Böden des Cerrado zu erneuern. Der Film dokumentiert außerdem die ersten World Indigenous Games, bei denen Jagdtechniken mit Pfeil und Bogen performt werden. Krahô zufolge lenken die Spiele vom Landraub an indigenen Gebieten ab, weitere Personen protestieren gegen die Spiele. Der Film ist packend und erfährt gerade nach der Wahl Jair Bolsonaros zum Präsidenten Brasiliens neue Relevanz. Das Künstlerische tritt hier zugunsten des Dokumentarischen zurück. Anders verhält es sich bei der sehenswerten Arbeit von Carolina Caycedo, die sich mit sozialen und ökologischen Aspekten von Flüssen und Dammbau befasst. Das Video der multimedialen Installation kontrastiert indigene Perspektiven auf Flüsse mit privatisierenden Dammarchitekturen, die Caycedo optisch ins Wanken bringt. Ein Leporello zitiert die Form eines Flusses und zeigt zugehörige Geschichten, ein aufwendig entworfenes Netz spiegelt eine politischen Kartographie auf Papier im Hintergrund. Auch Feminismus spielt eine Rolle, denn in einem Fischernetz hängt Caycedos Mittel zur Empfängnisverhütung. In spannender Weise stößt Caycedo Diskurse zu Selbstbestimmung, Enteignung und Natürlichkeit an.


Carolina Caycedo
Dejar de ser una amenaza para convertirse en promesa (To Stop Being a Threat and to
Become a Promise), 2017
Courtesy of the artist


Wasser ist auch für den Auftakt der Ausstellung zentral, denn gleich im ersten Raum geht es um die Weichsel bzw. die Wisla. Erstmals 2015 bereiste eine Gruppe von Künstler*innen, Kurator*innen und Freund*innen auf Initiative von Agnieszka Brzeżańska und Ewa Ciepielewska den Fluss auf einem Floß, begegnete Pflanzen und Tieren. Ein Nachbau des Gefährts steht vor Ort und erinnert an die Reise, zwei Segel hängen als künstlerische Zeugnisse im Raum. Die verträumte und spirituelle Ästhetik der Objekte findet sich in einem Gedicht wieder, das den naturbelassenen Fluss huldigt. Die Installation veranschaulicht wie viele weitere Arbeiten der Ausstellung den kollaborativen Ansatz Majewskis Projekts. Ob sie jedoch über die Erinnerung eines kreativen Urlaubs an einem romantisierten und mystifizierten Sehnsuchtsort, der im Gedicht beschriebenen „telephatischen Heilsquelle“ hinausgeht, darüber ließe sich diskutieren. Zumindest regt das Gedicht in der Forderung „die ganze Welt ein Nationalpark“ zum Sinnieren über die nationale Einteilung von der Natur einerseits und der Natur als Symbol des Nationalstolzes andererseits an. Indem die Welt zum Nationalpark werden soll, werden diese Besetzungen der Natur aufgehoben. Weshalb die Forderung und das Gedicht allgemein ausgerechnet den religiösen und rituellen Ansatz des Sakraments assoziiert, bleibt unklar, gibt es doch viele verschiedene Ansätze der Naturerfahrung.


Issa Samb & Antje Majewski
Rue Jules Ferry 17, 2016
HD Video, Farbe, Ton
Courtesy of the artist and neugerriemschneider, Berlin
© VG Bild-Kunst, Bonn 2018


Im Mittelgang der Ausstellung wird die Aufnahme eines Interviews von Antje Majewski und Issa Samb aus dem Jahr 2010 gezeigt. Dabei erhält man einen Blick in den Hof seines Ateliers in Dakar, der zugleich kreatives Archiv und Begegnungsstätte des Künstler*innenkollektivs Laboratoire Agit´art war. Es lohnt sich einen Moment innezuhalten und den 2017 verstorbenen Künstler im Gespräch über Objekte und deren Wechselwirkung mit Mensch und Natur zu hören. Im nächsten Raum hallen die Worte Issa Sambs nach, der sagt: „Every time an individual moves an object from one place to another, he takes part in changing the world, the order of things“. Denn Issa Samb tritt in einem weiteren Video nun selbst mit Objekten in Kontakt, bewegt und belebt sie. Das von der Ausstellung versprochene Dialogische und Poetische verdeutlicht sich während seiner Auftritte.
In anderen Werken dagegen lässt sich der Bezug zum Dialogischen nur erahnen. Im Vordergrund steht jedoch stets der menschliche Kontakt zur Umwelt, der in der kapitalistischen und postkolonialen Gesellschaft verloren geht. Ob und wie sich dieser herstellen lässt, wie von der Ausstellung appelliert – und welche Rolle Kunst dabei spielt – sind Fragen, die über den Ausstellungsbesuch hinaus beschäftigen.

Kuratorinnen: Ina Dinter (Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin), Aleksandra Jach (Muzeum Sztuki, Łódź)
Konzeption: Aleksandra Jach, Antje Majewski, Melanie Roumiguière
Künstler*innen: Antje Majewski, Agnieszka Brzeżańska & Ewa Ciepielewska, Carolina Caycedo, Paweł Freisler, Olivier Guesselé-Garai, Tamás Kaszás, Paulo Nazareth, Guarani-Kaiowa & Luciana de Oliveira, Issa Samb, Xu Tan, Hervé Yamguen

Ausstellungsdauer: 16.11.2018 bis 12.05.2019

Museum für Gegenwart – Berlin
Hamburger Bahnhof
Invalidenstraße 50-51
10557 Berlin
www.smb.museum

Rabea Kaczor

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