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Landschaften auf Zeit. Die Galerie Nord zeigt Kunst zur Transformation zweier Bergbauregionen

von Rabea Kaczor (11.12.2018)
vorher Abb. Landschaften auf Zeit. Die Galerie Nord zeigt Kunst zur Transformation zweier Bergbauregionen

© Abraham Oghobase, 2018

Die Region Lausitz in Polen und Deutschland sowie Enugu im Südosten Nigerias haben etwas gemein: Die Vergangenheit und Gegenwart beider Orte ist massiv vom Bergbau geprägt. Durch ihn veränderte sich ihre Geschichte und ihr Aussehen. Ein von der Berliner Künstlerin Constanze Fischbeck initiiertes Kunstprojekt nimmt die beiden weit entfernten und durch ihre Bebauung doch verwandten Regionen in den Blick. Erweitert wird dieser Blickwinkel durch Werke des interdisziplinär arbeitenden Kunstkollektivs Discotheka Flaming Star und des Künstlers Abraham Oghobase aus Lagos. Die Ergebnisse zeigt die Galerie Nord in der Ausstellung „Never Memorize Poems in Landscape Leeway“.

Orte und Landschaften wandeln durch den Bergbau unwiderruflich ihren Charakter: Zuerst wird in großem Stil in die ursprüngliche Struktur eingegriffen, wobei Natur und kulturelle Errungenschaften zerstört und ganze Dörfer verlegt werden, um die Nutzungsfläche zu optimieren. Im Anschluss an die sogenannte Devastierung wird das Gebiet renaturiert: es wird versucht, aus der verwüsteten Brache Naherholungsgebiete, neue Kulturlandschaften oder Industriestandorte zu entwickeln wie beispielsweise in der Lausitz, die vom Kohleausstieg besonders betroffen ist.
Das Steinkohlefördergebiet Enugu, 1909 unter der britischen Kolonialmacht gegründet, wird seit 15 Jahren nicht mehr betrieben. Der Bergarbeiterstreik 1949 ist als Teil der Unabhängigkeitsbewegung in die Geschichte eingegangen. Jetzt erobert sich die Natur ihr Territorium langsam zurück. „Landschaften auf Zeit“ beschreibt Fischbeck passend die Resultate des Bergbaus: sie bezeichnet damit sowohl die periodischen Einschnitte in die kulturelle und natürliche Umwelt als auch deren Bedeutung für die Geschichtsschreibung.


Raumansicht, Courtesy Galerie Nord

Enugu und Lausitz werden in Fischbecks sehenswerter 2 Kanal Video Installation „Leeway“ gegenübergestellt. Sie dokumentieren unter anderem die vergangene Nutzung der Gebiete sowie ihren gegenwärtigen Zustand: in Gebäuden blättert der Putz von den Wänden und Datierungen von Plaketten erinnern an längst vergangene Zeiten. Im weiteren Verlauf des Films nimmt uns eine wackelige Kamerafahrt, vermutlich aus einem Auto heraus, mit durch die Straßen eines scheinbar vollkommen gewöhnlichen Dorfes, das allerdings eine Besonderheit hat: diesen Ort hat es 10 Kilometer weiter nördlich quasi schon einmal gegeben. Wir befinden uns in einer Kopie des Dorfes Horno, das 2004 nach langjährigen Protesten der vor allem sorbischen Einwohner*innen dem Braunkohletagebau Jähnschwalde weichen musste. Die Dorfbewohner*innen siedelten nach Neu Horno um, sowohl die Dorfstruktur als auch die Straßennamen wurden aus dem devastierten Original übernommen. Begleitet wurde Fischbeck von dem nigerianischen Kritiker und Filmemacher Didi Cheeka, der über Möglichkeiten des Erinnerns an vergangene Orte und Zeiten und über die Rolle von Musik dabei nachdenkt. In Neu Horno, zugleich Zeugnis und Erinnerung des ursprünglichen Dorfes, spricht Cheeka über das Land Biafra, das zwischen 1967 und 1970 während des Biafra-Krieges gewaltvoll in Nigeria eingegliedert und sozusagen nicht – existent gemacht wurde. Die Arbeit überlagert in spannender Weise zwei Geschichten von Verlust und Besinnung.

Wie auch Fischbeck kontrastiert der Künstler Abraham Oghobase Fotografien aus den Bergbauregionen der Lausitz und Enugu. Die Landschaftsaufnahmen, teils schwarz-weiß, teils farbig, assoziieren Fototechniken früherer und gegenwärtiger Zeit – und stellen so das Historische der Orte heraus. Über den zwei Fotografien hängen jeweils Kohle(!) - Zeichnungen, welche die Umwelt zitieren und doch anders darstellen – etwa als horizontal verlaufende Farbfelder. In der Reduktion der Landschaft öffnet sich auch ein Imaginationsraum über die zukünftigen, noch ungewissen Funktionen und das Aussehen der sich transformierenden Orte.


© Discoteca Flaming Star, 2018

Im gesamten Ausstellungsraum verteilt liegen Teppiche der Gruppe Discotheka Flaming Star, die „Alfombras“. Bei ihnen handelt es sich um Fundstücke, die mit Acrylfarbe geschwärzt und mit Wörtern oder ganzen Sätzen versehen wurden. Das eigentliche Muster und die Farbe der Teppiche sind noch vage zu erkennnen. Die zwei Schichten, aus denen die Teppiche bestehen, liegen hier stellvertretend für die Landschaften auf Zeit im Raum. Denn auch sie haben sich von ihrem Ursprungszustand in eine graue Fläche verwandelt. Über sie hinweg bewegt sich das Publikum durch die Ausstellung, die mit ihrer interessanten Thematik und ihrer künstlerischen Verarbeitung empfehlenswert ist.

Never Memorize Poems in Landscape Leeway
mit Arbeiten von Discoteca Flaming Star, Constanze Fischbeck und Abraham Oghobase

Ausstellung: 8. Dezember 2018 - 12. Januar 2019

Öffnungszeiten: Di-Sa 13-19 Uhr

Galerie Nord | Kunstverein Tiergarten
Turmstraße 75, 10551 Berlin
Fon 030/9018-33454
www.kunstverein-tiergarten.de

Rabea Kaczor

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Titel zum Thema Constanze Fischbeck :

Landschaften auf Zeit. Die Galerie Nord zeigt Kunst zur Transformation zweier Bergbauregionen
Ausstellungsbesprechung: Die Region Lausitz in Polen und Deutschland sowie Enugu im Südosten Nigerias haben etwas gemein.

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