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Der Geisterbeschwörer: Fulminante Ausstellung von Jack Whitten im Hamburger Bahnhof

von Inge Pett (01.09.2019)
vorher Abb. Der Geisterbeschwörer: Fulminante Ausstellung von Jack Whitten im Hamburger Bahnhof

Jack Whitten
One Hundred Ninety Pieces of Color: For Ellsworth Kelly #2, 2016
Acrylic on canvas, 122 x 122 x 5.7 cm
Private collection
© Jack Whitten, courtesy Zeno X Gallery, Antwerp.
Photo: John Berens


„Ich spreche nicht davon, ein Gemälde zu malen, sondern zu machen“, betonte Jack Whitten 1970. „Das Verb ist nicht malen, sondern machen.“ An der Malerei interessiere ihn am meisten die „Leerstelle“ zwischen Form und Inhalt, erklärte der Künstler. „Ich arbeite in der Leerstelle. Mein ganzes Schaffen dreht sich um die Leerstelle.“

Außerhalb der USA erfuhr das Werk des Afroamerikaners, der im vergangenen Januar im Alter von 78 Jahren verstarb, erst spät Beachtung. Im Hamburger Bahnhof präsentiert derzeit die Ausstellung „Jack´s Jack“ 30 Werke des Künstlers, die in einer Zeitspanne von 55 Jahren entstanden sind. Die von Sven Beckstette und Udo Kittelmann kuratierte Schau ist die erste Einzelausstellung Jack Whittens in Europa.

In seinen frühen Jahren als Künstler beeinflussten Whitten, der an der New Yorker Cooper Union Kunst studierte, vor allem Arshile Gorky und Willem de Kooning. Doch Ende der 1960er Jahren begann er, die Malerei als konzeptuelles Medium zu betrachten: Indem er malte, beziehungsweise machte, reflektierte er gleichsam deren Bedingungen sowie die Prozesse des Malens.

Dass Whitten ausschließlich mit Farbe arbeitete, ist auf den ersten Blick schwer zu glauben. Vielmehr erinnern die haptischen Farbformen an Plastik oder Steine. Ende der 1970er-Jahre fertigte der Künstler erstmals „Mosaike“, wobei er die „Mosaiksteine“ – analog zur sich durchsetzenden Computertechnik – als Informationen bezeichnete.


Jack Whitten
Saint Louise AKA The Tittie Painting for Louise Bourgeois, 2010
Acrylic collage on canvas, 163.3 x 193 cm
Private collection, courtesy Zeno X Gallery
© Jack Whitten, courtesy Zeno X Gallery, Antwerp.
Photo: John Berens


Die Arbeit „Saint Louise AKA The Little Painting for Louise Bourgeois“, die 2010 entstand, ist der Künstlerfreundin gewidmet, die zu den Pionierinnen der New Yorker Kunstszene zählt. Ein liegendes Oval in der unteren Bildhälfte setzt sich aus leuchtend bunten, teils durchscheinenden Riesenmurmeln zusammen, die sich aus dem Bild erheben - der weiße Untergrund hingegen ist dezent von einer feinen Mauerstruktur überzogen, die sich über die gesamte Leinwand verteilt. Der Rand des Ovals lässt an ein ebenfalls durchstrukturiertes Spitzendeckchen denken - die leuchtenden Kugeln erscheinen somit wie arrangiertes zuckergussüberzogenes Gebäck. Innerhalb der Murmeln wiederum wecken farbige Ausbuchtungen die Assoziation von Brustwarzen.

Offensichtlich greift Whitten hier die spezielle Formensprache Bourgeois auf, die sowohl mit weichen und harten Materialien, wobei sie Hartes weich erschienen ließ und vice versa, als auch mit androgynen Formen experimentiere. Whitten würdigte die Künstlerin als ein „leuchtendes Beispiel an Integrität“. Deshalb brauche das Bild einen schlauen Humor, schrieb er in seinem Essay. „Frech und aufrichtig, kühn und innovativ und auf ihre eigene Weise sexy.“

Viele die ihn kannten, schreiben Whitten die Fähigkeit zu, Menschen in ihrem Wesen erfasst zu haben. „Bestimmte Menschen haben als Geist und Energie existiert“, sagte der Künstler, der nach eigenen Worten ein „fundamentalistisches“ Religionsverständnis pflegte. In seinen Gemälden beschwörte er die Geister von Ellsworth Kelly, Miles Davis, Muhammad Ali oder Martin Luther King herauf. Viele dieser Persönlichkeiten aus Kunst, Politik, Sport und Musik kannte der Maler persönlich.

Als in den Südstaaten der USA aufgewachsener Afroamerikaner habe er nie die Freiheit besessen, unpolitisch zu sein, hatte Whitten einmal geäußert. Um so mehr muss es ihn beglückt haben, als Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten seines Landes gewählt wurde. Auch ihm hat er ein Werk gewidmet und Obama damit „zur zweiten Amtszeit verholfen“, so Whitten mit dem ihm eigenen Humor. Die „Apps für Obama“ aus dem Jahr 2011 seien gedacht, den Präsidenten zu unterstützen. „Alles steckt in diesem Bild; es ist voller symbolischer Bezüge – ein referenzielles Bild“. Alle, die Obama Rückhalt gaben, seien in dem Gemälde: von Michelle, über die Kinder, hin zu den Beratern.


Jack Whitten
Apps for Obama, 2011
Acrylic on hollow core door, 213.4 x 231.1 cm
Private collection, courtesy Zeno X Gallery
© Jack Whitten, courtesy Zeno X Gallery, Antwerp.
Photo: John Berens


Whitten forderte die Politiker auf, sich mit Kunst auseinanderzusetzen: „Lernt von der Malerei und sprecht mit KünstlerInnen“, so seine Botschaft. Obama jedenfalls hat von Whitten gelernt und die positive Energie genutzt, die dieser ihm via Apps zukommen ließ. Eine Win Win-Situation: Obama wurde wiederholt Präsident, Jack Whitten erhielt 2016 die Medail of Art.

Jack Whitten. Jack´s Jacks
29.03. – 01.09.2019

Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin
Staatliche Museen zu Berlin
Invalidenstraße 50-51
10557 Berlin

Öffnungszeiten
Di, Mi, Fr 10–18 Uhr
Do 10–20 Uhr
Sa, So 11–18 Uhr
Mo geschlossen

www.jackwhitteninberlin.de

Inge Pett

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