Anzeige
Boris Lurie

logo art-in-berlin.de
Berlin Daily 18.04.2024
Ausstellungsrundgang Flesh&Bone + Boosted Mimicry

18 Uhr: Ins Gespräch kommen mit den anwesenden Künstler*innen und dem Kuratorenteam des ZAK – Zentrum für Aktuelle Kunst | Zitadelle, Am Juliusturm 64, 13599 Berlin

Zwischen den Jahren: Von Januar bis Dezember 2019

von Urszula Usakowska-Wolff (27.12.2019)
vorher Abb. Zwischen den Jahren: Von Januar bis Dezember 2019

Hera Büyüktaşcıyan
“Foundations”, 2019, carpet, metal
“Grundlagen”, 2019, Teppich, Metallständer
© the artist and Green Art Gallery Dubai


Neither on the Ground, nor in the Sky: Die Ausstellung von Hera Büyüktaşcıyan in der ifa-Galerie ist eine poetische Offenbarung.

Betreten wir die Galerie, finden wir uns in einer fernen Vergangenheit wieder, die mit einigen wenigen Überbleibseln bestückt ist. Sechs kleine Teppichrollen stehen als Foundations wie Säulen neben der linken olivgrüngestrichenen und mit weißen Mosaiksteinchen spärlich verzierten Wand. An der rechten sind The Observers, zwei Vögel aus Porzellan, befestigt. Ihre Körper sind mit Läufern umwickelt, die unverhüllten Köpfchen beobachten neugierig das Geschehen. Ein aus fünf Teppichen unterschiedlicher Größe bestehendes Objekt namens Panta Rhei liegt auf dem Boden. Mit weißen, grauen und schwarzen Mosaiksteinchen versehen, mutet es wie die Luftaufnahme einer archäologischen Stätte an. Drei mehrteilige unscharfe Grisaillen– Icons for Birds and Stones – und ein Videopoem mit langsamen Sequenzen, die von einer ruhigen Frauenstimme begleiten werden, runden die erste Soloschau der Künstlerin Hera Büyüktaşcıyan in Berlin ab.

Kulissen einer antiken Metropole

Neither on the Ground, nor in the Sky – Weder auf dem Boden, noch im Himmel: Das klingt auch auf Deutsch wie eine poetische Offenbarung. Nach dem Titel dieses Videopoems ist die Ausstellung in der ifa-Galerie benannt. Die wie eine Bühnenbildnerin arbeitende Künstlerin (* 1984 in Istanbul, lebt dort und in Athen) schafft Kulissen, in denen das Publikum wie zwischen sinnbildlichen Ruinen und anderen Überresten einer antiken Metropole flaniert. Ihre fünf in der Ausstellung gezeigten Installationen stammen aus dem vorigen und dem laufenden Jahr. Inspiriert wurden sie jedoch von dem bunten hellenistischen Bodenmosaik mit dem Alexandersittich (160-150 v. Chr.), das aus dem Palast V von Pergamon stammt und sich seit über einem Jahrhundert im Besitz des Berliner Pergamonmuseums befindet. Hera Büyüktaşcıyans Vögel sind dagegen weiß und sehen wie Wellensittiche aus. Sie sind in vielerlei Hinsicht symbolträchtig: Sie werden gezüchtet, verkauft und in Käfigen gehalten; sie sind also dazu verdammt, in Unfreiheit zu leben. Als Porzellanfiguren sind sie beliebte Nippes, in beiden Fällen domestizierte Lebe- oder Kunstwesen aus Menschenhand. Die letzteren begleiten Hera Büyüktaşcıyan auf ihrer Reise an den Ort, wo sich das berühmte Mosaik mit dem Alexandersittich ursprünglich befand: nach Bergama, wie der türkische Name der Stadt Pergamon lautet, die auf eine wechselvolle – hellenistische, römische, byzantinische und osmanische – Geschichte zurückblicken kann.


Hera Büyüktaşcıyan
“The Observers”, 2018, found porcelain objects, found rugs
“Die Beobachter”, 2018, Porzellanobjekte und Teppiche
© the artist and Green Art Gallery Dubai


Wellensittiche, Teppiche und Heraklit

In ihrer Erforschung der Vergangenheit geht Hera Büyüktaşcıyan wie eine Archäologin vor. Fast alle ihre in der ifa-Galerie ausgestellten Arbeiten sind Fundstücke, die sie auf ihrer Reise aufgestöbert hat: Die Wellensittiche aus Porzellan, die Teppichläufer, das Holz. Sie zeigen, dass die Geschichte und die darin verborgenen Geschichten nur bruchstückhaft dargestellt und häufig nur mit Metaphern ausgedrückt werden können. In Pergamon soll es in der Antike eine berühmte Bibliothek gegeben haben, deren Sammlung angeblich aus 200 000 Schriftrollen bestand. Sicher ist das nicht, denn von den Prunkbauten der einstigen Metropole ist nur wenig erhalten geblieben. Sie teilte das Los ähnlicher Stätten in aller Welt und wurde als Steinbruch für den Bau von Häusern benutzt, bis Ende des 19. Jahrhunderts die Archäologie auf den Plan trat und diesem Prozedere ein Ende setzte. Abgesehen davon, ob es die Bibliothek wirklich gab oder sie nur eine Wunschvorstellung ist, drückt Hera Büyüktaşcıyan in der Installation Foundations aus, dass Schriftrollen zu den Säulen und Fundamenten unserer Kultur gehören. Den Titel des Hügels aus aufgeschichteten Teppichen mit dem Alexandersittich in der Mitte entlieh die Künstlerin dem griechischen Philosophen Heraklit. Panta Rhei bedeutet, dass im Fluss des Seins alles vergeht und nichts auf Dauer bleibt. Das ist wahr, kann aber auch anders gesehen werden: Solide Dinge wie Porzellannippes oder handgewebte Wollteppiche, die das Sein verschönern, leben häufig länger als Menschen. Wer weiß, was diese Artefakte alles erlebt und wen sie überlebt haben.


Hera Büyüktaşcıyan
“Panta Rhei”, 2019, mosaic, carpet, found wooden cupboard legs
(altgr.) “Alles fließt”, 2019, Mosaiksteine, Teppiche, Schrankbeine aus Holz
© the artist and Green Art Gallery Dubai


Uralte Steine und hängende Häuser

In dem 10-minütigem Video Neither on the Ground, nor in the Sky laufen die Flüsse des Seins in Bergama zusammen. Der Film bebildert das gleichnamige Poem der Künstlerin, deren Kamera durch das antike Pergamon und die heutige türkische Stadt schlendert. Dabei leistet ihr ein weißer Vogel, der den Alexandersittich aus dem Pergamonmuseum symbolisiert, Gesellschaft. Sie wandern durch die Oberstadt auf Steinen, die von der Akropolis übriggeblieben sind. Diese uralten Steine, letzte Zeugen einer untergegangenen Zivilisation, holt sich die Natur zurück. An ihren Rändern wuchert Gras und wachsen Blumen. Sie verwandeln den Burgberg in eine bunte Wiese. Über ihnen schießen Bäume in die Höhe. Die in der Unterstadt auf einer Brücke aus römischer Zeit gebauten Häuser sehen aus, als ob sie in der Luft hingen. „Ich bin weder auf dem Boden / noch bin ich im Himmel. / Und schwebe dazwischen /zwischen den Lebenden und den Toten. / Während ich über Fundamente gehe, / anheimgefallen dem Vergessen.“ Diese Zeilen aus dem von Hera Büyüktaşcıyan geschriebenen und verfilmten Poem können dabei helfen, den Titel und die kulturhistorische Tiefe ihrer Ausstellung in der ifa-Galerie besser zu verstehen.

Hera Büyüktaşcıyan: Neither on the Ground, nor in the Sky
29.03. – 30.06.2019

ifa-Galerie Berlin
Linienstraße 139/140
10115 Berlin

Öffnungszeiten:
Dienstag – Sonntag: 14:00 – 18:00 Uhr
Montag und an Feiertagen geschlossen
Eintritt frei
www.ifa.de

Urszula Usakowska-Wolff

weitere Artikel von Urszula Usakowska-Wolff

Newsletter bestellen




top

Titel zum Thema ifa:

Ein akribischer Chronist der Zeit – Mazen Kerbaj in der ifa-Galerie Berlin
.. nur noch bis morgen Sonntag, den 16.8., zu sehen.

Zwischen den Jahren: Von Januar bis Dezember 2019
Ein Blick zurück auf sehenswerte Ausstellungen, gute Besprechungen und schöne Erinnerungen. Heute: Hera Büyüktaşcıyan: Neither on the Ground, nor in the Sky in der ifa Galerie (von Urszula Usakowska-Wolff)

ifa-Podcast zu Außenkulturpolitik
Kurzinfo: Monatlich gibt es aktuelle Themen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik jetzt als Podcast.

Neue Leitung der Kunstabteilung im ifa: Ellen Strittmatter
Personalien: Ellen Strittmatter übernimmt ab September 2018 die Leitung der Kunstabteilung im ifa (Institut für Auslandsbeziehungen).

Ulrich Raulff als neuer Präsident des ifa berufen
Personalien: Als Nachfolger von Martin Roth, der im August 2017 verstorben ist, hat das Präsidium des ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) den Historiker und Publizisten Prof. Dr. Ulrich Raulff zum neuen Präsidenten des ifa berufen.

Martin Roth wird Präsident des Instituts für Auslandsbeziehungen
Personalien: Professor Dr. Martin Roth, zurzeit Leiter des Victoria and Albert Museums in London, wird der neue Präsident des ifa Instituts. Er tritt sein Amt Mitte 2017 an.


Alya Sebti übernimmt Leitung der ifa-Galerie Berlin
Personalien: Die 1983 in Marokko geborene Kunsthistorikerin, Alya Sebti, tritt ab April die Nachfolge der langjährigen Leiterin Barbara Barsch an.

Das Projekt Khoj und die Kunstszene Delhis
Ausstellungsbesprechung: Fahrrad-Rikschas dominieren, obwohl mittlerweile in weiten Teilen Indiens größtenteils durch motorbetriebene Modelle ausgewechselt, gerade in Delhi noch immer das Straßenbild.

Institut für Auslandsbeziehung bietet Kunstrecherche per Mausclick
(Februar2002)

MediaWiki zu professionellen Methoden der friedlichen Konfliktbearbeitung im Netz
Die Studie "Erfolgreich gewaltfrei - Professionelle Praxis in ziviler Friedensförderung" vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) über die Beilegung kriegerischer Konflikte durch friedliche Lösungen, ist ab sofort als MediaWiki verfügbar.

Neue Ausgabe von "Kulturaustausch – Zeitschrift für internationale Perspektiven" ist erschienen
Demokratie ist das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe von "Kulturaustausch". In 140 der 200 Länder der Welt finden heute Wahlen mit mehreren Parteien statt. Ist das der Siegeszug der Demokratie? Oder, was bedeutet Demokratie im 21. Jahrhundert überhaupt? Diese und noch viel mehr Fragen werden in der neuesten Ausgabe behandelt.

"Frauen - wie geht´s?" - Neue Ausgabe der Zeitschrift Kulturaustausch
Die neue Ausgabe der Zeitschrift für KulturAustausch (IV/07) zum Thema "Frauen - wie geht´s" ist soeben erschienen. In den vier Kapiteln "Die Welt der Frau", "Körper", "Arbeiten" und "Männer" werden unterschiedliche Aspekte des Themas untersucht. Es geht um Gefühle und Idealbilder, um alte Stereotype und neue Erkenntnisse.

Bauen im Super-Kapitalismus - Neue Architektur in Russland
Veranstaltungstipp: Der Architekt, Kurator und Autor Philipp Meuser hält am am 9. August 2007, um 19 Uhr in der ifa-Galerie Berlin einen Vortrag über die gesellschaftlichen und sozialen Umstände, unter denen heute in Russland gebaut wird und neue Architektur entsteht.

Video: Die ifa-galerie Berlin
Das Institut für Auslandsbeziehungen mit Stammsitz in Stuttgart engagiert sich für den Dialog der Kulturen. Barbara Barsch, Leiterin der ifa-Galerie in Berlin spricht mit uns über den kulturellen Austausch im Bereich der zeitgenössischen Kunst, über das Ausstellungsprogramm der Berliner Galerie und natürlich über die Kunsthalle.

"UND" - eine Reise zu russischen Künstlerinnen und Künstlern
Veranstaltungstipp: Am 26. Mai 2005, um 19 Uhr, findet in der ifa-Galerie ein Vortrag von Alena Meier, die im Sommer 2004 über zwei Monate mit Zug/Bus die Wolga entlang fuhr, um die zeitgenössische ...

top

zur Startseite

Anzeige
Magdeburg unverschämt REBELLISCH

Anzeige
SPREEPARK ARTSPACE

Anzeige
Responsive image

Anzeige
Alles zur KI Bildgenese

Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Galerie im Saalbau




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Haus am Lützowplatz / Studiogalerie




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Kommunale Galerie Berlin




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
Akademie der Künste




Anzeige Galerie Berlin

Responsive image
GEDOK-Berlin e.V.




© 1999 - 2023, art-in-berlin.de Kunstagentur Thomessen Hartlieb-Kühn GbR.