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Märchenhafte Beziehungen: Ausstellung Cinderella, Sindbad & und Sinuhe im Neuen Museum

von Inge Pett (18.08.2019)
vorher Abb. Märchenhafte Beziehungen: Ausstellung Cinderella, Sindbad & und Sinuhe im Neuen Museum

Auszug aus der Geschichte des Sinuhe, altägyptische Kalksteinscherbe (Ostrakon), in hieratischer Schrift, Kalkstein mit schwarzer und roter Tinte, 19. Dynastie (ca. 1292-1186 v. Chr.), Ägypten, © Staatliche Museen zu Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung / Sandra Steiß

Das arabische Rotkäppchen im Comic hat der Figur der Gebrüder Grimm eines voraus: ein Handy. Damit alarmierte es die Polizei und verhinderte so, dass der böse Wolf das weibliche Personal des Märchens verschlingt.

Die Ausstellung Cinderella, Sindbad & und Sinuhe im Neuen Museum greift arabisch-deutsche Erzähltraditionen auf, wobei das Panorama von der altägyptischen Kalksteinscherbe mit einem Auszug aus der Geschichte des Sinuhe in hieratischer Schrift bis hin zum Pop-up Buch des Märchens Dornröschen reicht. Zwischen den Geschichten des Orients und des Okzidents gebe es verblüffend viele Verbindungen und Überschneidungen, betont Verena M. Lepper, Initiatorin und Kuratorin der Schau.

Bereits Johann Wolfgang von Goethe hatte sich ausgiebig mit der arabischen Dichtung und Literatur auseinandergesetzt. „Wer sich selbst und andre kennt“, dichtete der deutsche Dichterfürst im West-Östlichen Diwan, „wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“ Goethe hatte übrigens selber die arabische Sprache studiert. Eine in der Ausstellung präsentierte Schreibübung spricht allerdings mehr für seine Weltoffenheit als für die Schönschreibung.


Über das Leben des weisen Narren Till Eulenspiegel, (Von vlenspiegel Eins bauren), Papier, 1531, Deutschland, © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz


Die erste Erwähnung einer Aschenputtel-Geschichte in Deutschland – eines Märchens, das die Gebrüder Grimm später in ihre Sammlung aufnahmen – stammt aus dem Jahr 1634. Zeitgleich bildete sich auch am Golf die Erzählung von dem schönen, armen Mädchen heraus, das dank der Liebe soziale Unterschiede überwand. Mit kleinen Unterschieden im Detail: Während „unser“ Aschenputtel Linsen liest, beauftragt die Stiefmutter das arabische Aschenputtel, die Fische von ihren Schuppen zu befreien. Der Prinz jedoch ist den Hauptfiguren beider Versionen gewiss. Insgesamt gibt es weltweit mehr als 345 Fassungen des Märchens.

Auch die Rolle des Narren, der der Gesellschaft den Spiegel vorhält, ist sowohl der arabischen Welt als auch uns wohl bekannt. Während sich in Deutschland zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Figur des Till Eulenspiegels literarisch etablierte, ließ der mutige und weise Juha die Araber über die eigenen Schwächen nachdenken. Beide „Antihelden“ dienten als moralisches Vorbild.

In der Ausstellung haben die Kuratorinnen Verena M. Lepper, Sarah Wessel und Anke Weber Sitzecken eingerichtet, in denen neben Kinderbüchern und Comics auch kritische Werke ausliegen, die den Kolonialismus und Postkolonialismus zum Thema haben. So erinnert Edward Saids Werk Orientalism an die gemeinhin mit dem Konstrukt Orient verknüpften Klischees, die tief in unserem kulturellen Bewusstsein verankert sind und die es immer neu zu hinterfragen gilt. Inwiefern die Literatur auch eine klischeehafte Wahrnehmung „des Westens“ und eine entsprechende Rollenzuschreibung thematisiert, bleibt hingegen offen. Der Aspekt kultureller westlicher Dominanz und Unterdrückung in der neuzeitlichen Geschichte schwingt jedenfalls dezent mit, wird aber nicht „politisch korrekt“ überstrapaziert. Im Vordergrund der Ausstellung stehen vielmehr der Austausch der Geschichten, Märchen und Ideen sowie die vielen kunst- und kulturgeschichtlich wertvollen Exponate.

Herz der Ausstellung ist ein riesiges Erzähl-Zelt. Hier werden bis in den August hinein Geschichtenerzähler Kinder und Erwachsene in deutscher, arabischer und englischer Sprache unterhalten. Extra aus Marrakesch angereist ist etwa El Haj Ahmed Ezzargani und die Erzählerin Sally Shalabi aus Amman. So zählt die Dreisprachigkeit überhaupt zu den Stärken dieser Schau: Vom Katalog bis hin zu den Ausstellungstexten setzt sich diese konsequent durch. Sicherlich ein ganz entscheidender Schritt, neue Besuchergruppen für das Museum zu gewinnen und vor allem auch den vielen geflüchteten Arabern in Berlin ein Stück Heimat zu vermitteln.


Ausstellungsdauer: 18.04. bis 18.08.2019

Neues Museum
Bodestraße 1-3, 10178 Berlin
www.smb.museum

Inge Pett

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Titel zum Thema Neues Museum:

Märchenhafte Beziehungen: Ausstellung Cinderella, Sindbad & und Sinuhe im Neuen Museum
Letzter Ausstellungstag (18.8.2019).

Margiana. Ein Königreich der Bronzezeit in Turkmenistan
Heute letzter Ausstellungstag.

Video: Neues Museum Berlin
Anlässlich der Neueröffnung des Neuen Museums, hier nochmals unser Video vom März 2009, das einen Blick in das völlig leere Museum gewährt.

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