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Berlin Daily 19.04.2024
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21 Uhr: im Rahmen der Ausstellung »in mir draußen« mit Rike Scheffler | Nail Do?an Bärenzwinger | Im Köllnischen Park | Rungestr. 30 | 10179 Berlin

Blicke von außen nach innen

von Barbara Borek (14.06.2019)
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Frederic Brenner, The Aslan Levi Family 2010, © Frederic Brenner, Courtesy Howard Greenberg Gallery

Israel und das Westjordanland sind seit Jahrzehnten immer wieder Thema der Nachrichten, in Wort und Bild. Diese allbekannten Bildwelten möchte das Projekt This Place aufbrechen und erweitern. Aus der Perspektive von 12 international renommierten Fotografinnen und Fotografen ist ein facettenreiches Porträt der Region entstanden. Mehr als 200 Arbeiten werden nun, nach Stationen im DOX Center für zeitgenössische Kunst in Prag, im Tel Aviv Museum of Art in Israel und im Brooklyn Museum of Art in New York, im Jüdischen Museum vorgestellt.

Initiator des Langzeitprojektes ist der französische Fotograf Frederic Brenner. Er bat Kolleg_innen, sich auf das Thema einzulassen, ihren Blick auf das Land, die Kulturen und den Alltag der Menschen in ihren ganz eigenen Bildern festzuhalten. Mit Zeit – von 2009 bis 2012 - und unabhängiger Finanzierung über die New Yorker Stiftung Chronicle of a People Foundation - großzügig ausgestattet, konnten die Beteiligten immer wieder in die Region reisen, Wochen oder Monate dort verbringen, Menschen treffen und sich untereinander austauschen. Die ursprüngliche Idee, auch palästinensische und israelische Fotograf_innen einzuladen, musste jedoch aufgegeben werden, vor allem die palästinensischen Kolleg_innen hätten dies abgelehnt. So waren die politischen Probleme des Nahostkonfliktes, auch wenn sie, wie Brenner betont, nicht im Vordergrund des Projektes standen, in die künstlerische Auseinandersetzungen eingeschrieben


Wendy Ewald, Untitled (photograph by Oshik), © Wendy Ewald

Der US-amerikanischen Fotografin und Pädagogin Wendy Ewald gelang es in ihrem partizipativem Fotoprojekt This is Where I live (2013) dennoch, ein „kollektives Bild vom Leben in Israel und dem Westjordanland“ zu schaffen, die Bevölkerung einzubeziehen. Sie arbeitete mit vierzehn verschiedenen Gruppen zusammen: Grundschülern in Nazareth, jüdisch-orthodoxen Mädchen an einer Ausbildungsstätte der israelischen Armee, palästinensischen Senioren in Ost-Jerusalem. Alle wurden aufgefordert, selbst den Fotoapparat in die Hand zu nehmen. Ewald ermutigte sie, ihre eigene Erzählperspektive einzunehmen – in der Ausstellung dokumentiert durch kleinformatige Serien von Handyfotos: So zeigt At Home (photograph by Amal, 2013) die Rückenansicht einer jungen Frau. Sie steht mit dem Gesicht vor einer Wand mit hellblauem sowie weißem Farbanstrich, die mit ihrem langen schwarzen Haar sowie der weißen Bluse korrespondieren. Ein Moment der Hoffnungslosigkeit?


Josef Koudelka, Detail aus Wall: Israel and Palestinian Landscape 2008-2012, © Josef Koudelka / Magnum Photos

Josef Koudelka dokumentiert mit seiner Arbeit Zone (Leporello, 35 Tintenstrahl-Fotodrucke, 2008-2012) die bis zu 8 Metern hohe Sperranlage zwischen Israel und Westjordanland. Weitere Drucke aus seinem Buch Wall: Israel and Palestinian Landscape (2008-2012) lässt er in einer Videoprojektion als Loop (54 Pigmentdrucke) laufen. Der französisch-tschechische Fotograf hielt sich über Jahre jeweils für mehrere Wochen im Gebiet auf, arbeite auf beiden Seiten, „verließ das Gebiet erschöpft.“ „Eines Tages, als wir an der Mauer entlang gingen, sah ich ein Graffito“, erzählt Koudelka, „´Eine Mauer, zwei Gefängnisse`. Das fasst zusammen, wie ich mich fühlte.“


Fazal Sheikh, Aus der Serie Desert Bloom 2011, © Fazal Sheikh

Fazal Sheikh begibt sich mit seiner Serie Desert Bloom (48 Fotografien, 2011) in die Negev Wüste. Seine Luftaufnahmen zeigen Landschaften und die Stätten heutiger und früherer Dörfer der Beduinen, die seit mehr als 500 Jahren dort leben. Siedlungsbau sowie militärische und industrielle Maßnahmen haben tief in die Ortschaften und in das Leben des nomadischen Volkes eingegriffen.

Die Ausstellung strahlt auch in ihrer komplexen und gleichzeitig sehr achtsamen Konzeption eine große Ruhe aus, was sehr hilfreich bei einer so schwierigen Thematik wie der Annäherung an die Landschaften und Menschen im Nahen Osten ist. This Place – im Titel neben Englisch auch Hebräisch und Arabisch aufgeführt – lässt ein starkes visuelles Porträt entstehen. Ergänzt mit Videointerviews der teilnehmenden Künstler_innen und einem 280 Seiten starken Katalog (This Place, hrsg. von Matt Bogan, 280 Seiten mit 279 Abbildungen, Hatje Cantz, auf Englisch, 48 Euro) zeigen die Fotoarbeiten, so der Wusch aller Teilnehmenden, einen anderen Blick auf die Region.

Das Andere ist hier jedoch nach wie vor der Blick von außen auf Israel, auf einen Ort, so Frédéric Brenner, mit „ungeklärten Grenzen und in seiner verwickelten Beziehung zur palästinensischen Bevölkerung“, das „historische Israel“ und das „metaphorische Israel“ als Geburtsort einer Idee. Brenners Intention, mit dem Fotoprojekt und über une parole poétique - die Sprache von Künstlern - eine "binäre Sichtweise zu überwinden …“ ist durchaus als gelungen zu bezeichnen. Doch die Ausstellung benötigt darüber hinaus vor allem Besucher_innen, die sich auf die angebotenen Bilder einlassen und sie dann zu ihrer eigenen Topografie zusammensetzen. Noch bis Anfang 2020 ist hierzu Gelegenheit.

Teilnehmende: Frédéric Brenner, Wendy Ewald, Martin Kollar, Josef Koudelka, Jungjin Lee, Gilles Peress, Fazal Sheikh, Stephan Shore, Rosalind Fox Solomon, Thomas Struth, Jeff Wall, Nick Waplington

Fotoausstellung
This Place
bis 5. Januar 2020

Jüdisches Museum Berlin
Lindenstraße 9-14
10969 Berlin
täglich geöffnet von 10-18 Uhr

www.jmberlin.de
www.this-place.org

Barbara Borek

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