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Die Unvollendete Metropole – Eine Ausstellung mit Baumängeln

von Maximilian Wahlich (24.11.2020)
vorher Abb. Die Unvollendete Metropole – Eine Ausstellung mit Baumängeln

Übersichtsplan nach dem Groß-Berlin-Gesetz vom 27. April 1920 mit 20 Verwaltungsbezirken und Dauerwaldflächen. Quelle: Landesarchiv Berlin, F Rep. 270, A 9054

Die Jubiläumsausstellung Unvollendete Metropole: 100 Jahre Städtebau für Groß-Berlin im Kronprinzenpalais musste wegen der aktuellen Situation vorzeitig geschlossen werden. Dafür lässt sie sich nun über das Internet ansehen.
Aufgeteilt in 10 Räume oder Kapitel wird ein Längsschnitt durch die historisch-zeitlichen Schichtungen der Stadt unternommen. Der Schnitt setzt an den Themen „Zentrenvielfalt, Wohnungsfrage, Verkehrsfrage, Grünfrage sowie Verteilung von Großprojekten der Infrastruktur, der Industrie und des Militärs“ an. Wiederholt wird mit Querverweisen zu den Partnerstädten Moskau, Wien, Paris und London eine Diagonale gezogen. Soweit das Vorhaben.

Chronologisch beginnt die Ausstellung bei der Vorgeschichte zur Entstehung Groß-Berlins. Vorgestellt werden in erster Linie die vergessenen Gründerväter der Stadt, prägende Oberbürgermeister wie Martin Kirschner oder Adolf Wermuth. Dieser Auftakt verrät, dass es sich hierbei um eine recht klassische Geschichtsausstellung handelt. Dazu passt, dass das Bild- und Dokumentenmaterial in der Regel zur hübschen Illustration der Fakten herangezogen wird. Wie im Lehrbuch befinden sich die Abbildungen wichtiger Personen, Bauwerke oder Stadtpläne einfach neben dem Text.
Fade ist jedoch nicht nur das trockne, etwas stumpfe Layout, regelrecht ungut ist der Umgang mit dem Material: Anstatt über die Repräsentationsweisen besagter Gründerväter oder Vorstellungen und Darstellungsmodi von Räumlichkeit zu reflektieren, begnügt sich die Ausstellung mit der sachlichen Auswertung historischer Begebenheiten und deren Bebilderung.


Rathaus Hohen Neuendorf, rechts Altbau, links Neubau, 2019. Der 1349 erstmals erwähnte Ort geriet Ende des 19. Jahrhunderts nach Bau der Nordbahn in den Sog der Großstadt. In der NS-Zeit wurde er ausgebaut, in der DDR-Zeit erhielt er einen zusätzlichen Bahnhof am äußeren Eisenbahnring. Nach der Wiedervereinigung wuchs die Einwohnerzahl rasant. Das Zentrum umfasst Rathaus, Pagode, Hotel, Shoppingcenter. Der Ergänzungsbau des Rathauses und die Freiflächen wurden 2020 fertiggestellt. Foto: Harald Bodenschatz

Eine Onlineausstellung könnte mit Links / Hyperlinks über die Website hinausweisen und auf andere weiterführende Quellen referieren. Das Spektrum könnte von der fachspezifischen Vertiefung über Informationen für Menschen ohne Vorwissen bis hin zu äquivalenten Ausstellungsformaten wie LeMO, der Onlinesammlung des DHM, reichen. Hierbei geht es nicht um digitale Bespaßung, sondern um die didaktische Aufbereitung der Inhalte, quasi um das ´Fleisch` der Vermittlung von Geschichte(n). Die Gelegenheit ist verpasst, Informationen zu Personen, bestimmten Sachverhalten als Subtext nebenherlaufen zu lassen. Und zu erwarten, dass eine Person die ganze Zeit auf einem Post-up-Zettel notiert, was sie im Nachhinein zu recherchieren habe, entspricht einer – Pardon – altbackenen Vorstellung.

Im worldwideweb gibt es unendlich viel Platz. Im Gegensatz zu einer Ausstellungswand könnten die Texte in einer Onlineausstellung länger sein. So vermisst man nicht nur detailreiche, aber auch grundlegende Inhalte. Viel eher fehlt beispielsweise der Zugang in eine leicht verständliche Sprache, was einem Projekt dieser Tragweite eigentlich nicht passieren sollte (Förderer: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen u.a.). Implizit zeigt sich zum wiederholten Male deutlich, welche Zielgruppe hier erwartet wird: Ohnehin gebildete Menschen mit Vorwissen – im Grunde jene Damen und Herren, die bereits bestens informiert, den Werdegang ihrer Stadt nachlesen wollen.


Geschenk des Bundes an die Hauptstadt: eine neue Bauakademie. Hier die rekonstruierte Ecke der im Zweiten Weltkrieg nur wenig zerstörten, aber 1961/62 zugunsten des Außenministeriums der DDR abgebrochenen Bauakademie, 2020. Der ursprüngliche Bau entstand von 1832 bis 1836 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel. Foto: Thomas Spier, apollovision

Lobenswert ist, dass die Geschichte Berlins nicht auf ihre bekannte Weise dargestellt wird. Beispielsweise finden sich Berliner Mauer und „Wende“ 1989 geschickt in die oben genannten Themenfelder eingebettet. Viel mehr werden sie als relevante, aber dennoch kontextabhängige Systeme verstanden. Dieser Umgang mit Zeitgeschichte erscheint sehr sensibel, da er die altbekannten Hierarchien und Narrative der beiden Systeme nicht einfach wiedergibt, sondern ihre Relevanz für die gebaute Umwelt aufzeigt.
Ebenso wird auf heutige Debatten eingegangen, darunter die Not zu hoher Wohnkosten und die aktuellen Forderungen vieler Mieter*innen. Das wundert angesichts der fördernden Unternehmen der Ausstellung (u.a. Immobilienmakler wie ACCENTRO oder Engel & Völkers). Auch Konzepte für eine grünere oder autofreie Stadt werden in knappen Texten vorgestellt sowie stadtplanerische Anlagen wie das Märkische Viertel oder der Volkspark Rehberge. Diese Themenauswahl ist spannend und deckt sich mit dem Profil des Veranstalters Berlin 2020 gGmbH – eine Gesellschaft des Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin-Brandenburg e.V.. Haken ist nur, dass eine Menge Vorwissen vorausgesetzt wird. Eine lebensnähere Anknüpfung wäre spannender und hilfreich beim Besuch der Webausstellung. Damit hätte sie der Lebenswelt vieler Berliner*innen näher kommen können. Diese Forderung scheint umso dringlicher, wo doch gerade eine Website viel weniger Schwellen als ein Museumsbesuch haben sollte.

Dauer: 1. Oktober 2020 – 3. Februar 2021
Ort: Kronprinzenpalais, Unter den Linden 3, 10117 Berlin
Öffnungszeiten: täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, pandemiebedingte Schließung vom 2.-30.11.2020; geschlossen am 24. und 25.12.20, am 31.12. geöffnet von 10 bis 14 Uhr und am 1.1.2021 von 12 Uhr bis 18 Uhr.

unvollendete-metropole.de

Maximilian Wahlich

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