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EGS. Drei Buchstaben ein Kosmos

von chk (29.10.2021)
vorher Abb. EGS. Drei Buchstaben ein Kosmos

EGS: Words are very unnecessary, 2019, Detail , Foto: Lukas K Stiller

Wer aktuell gute Graffiti Kunst sehen will, die über den gehypten Banksy Kitsch oder das mal mehr mal weniger künstlerische Berliner Gekritzel hinausgeht, sollte sich auf den Weg nach Berlin-Friedrichhain machen. Dort befindet sich auf einem riesigen postindustriellen Gelände die Urban Spree Galerie. Sie ist eingebettet in einem 1700 m² großen Areal, das Künstlerresidenzen, DIY-Workshops, Konzerte und einen Biergarten umfasst. Aktuell ist in der Urban Spree Galerie die Ausstellung Concrete Reflections des finnischen Künstlers EGS zu sehen.

EGS (*1974) war einer der ersten Graffiti Künstler, der 2018 in der renommierten Kunsthalle Helsinki eine Einzelausstellung erhielt. Seine Namensbuchstaben sind Programm, was bekannterweise in der Graffiti Kunst nicht ungewöhnlich ist. Doch bei EGS tauchen die drei Buchstaben in verfremdeter Form überall in seinem Werk auf, und das erstreckt sich nicht nur auf seine Malerei, sondern ebenso auf mundgeblasene Glasfiguren, Skulpturen, auf die Wand gemalten Maps oder auf ein analog nachgebautes Computerspiel. Dabei eröffnet die mediale Erweiterung zugleich verschiedenste thematische Bezüge, die unterschiedlich bespielt werden und doch eng zusammenhängen.


EGS: International Penpals, ink, spray paint and charcoal on canvas, ca. 160 x 200 cm, 2021

Der finnische Künstler reist viel. Nach der Auflösung der Sowjetunion fuhr EGS in die östlichen Länder. Ihn interessierte die Verschiebung von Grenzen, die Umbrüche in den politischen Systemen genauso wie die dortige Kunstszene. Seine Graffitis finden sich in St. Petersburg, im estnischen Narva, in Tirana, aber auch in New York, Sydney oder in Mijas in Spanien.
Gleich im Eingangsbereich der Urban Spree Galerie hängt die große Leinwandarbeit International Penpals (2021). Im Bildhintergrund schweben wolkige Sprühnebelschatten. Davor sind abstrakte Zeichenkonglomerate zu erkennen, die mit Tusche, Sprühfarbe und Kohle sorgfältig aufgetragen und gleichmäßig verteilt wurden. Sie ähneln einander, und in ihrer veränderten Gestalt wirken sie wie verschiedene Interpretationsansätze. Aus den Zeichen läuft Tusche, wodurch sich die Zeichenschrift vertikal vernetzt. Der Bildtitel International Penpals deutet darauf hin, dass der Künstler hier sein persönliches Beziehungsgeflecht dokumentiert. Es handelt sich um codierte Bedeutungsträger, die im Visuellen einen neuen Erfahrungsraum eröffnen.

Auch die Installation Words are very unnecessary (2019) versinnbildlicht allein durch die Art der Präsentation, die wie eine Ansammlung von Plakaten für eine Demonstration wirkt, das Bedeutungshorizonte bei EGS nicht durch bekannte Muster entschlüsselt werden wollen. Es geht um die Dekonstruktion von Botschaften. In dick gemalten Pinselstrichen werden Parolen in Schwarz, Weiß oder Rot abstrakt verkündet, doch Words are very unnecessary. Sie erschließen sich durch die jeweils eigene Geschichte und bedürfen keiner Festlegung. Das Zeichenhafte ist zugunsten des Malerischen zurückgedrängt. Die abstrakt wirkenden Formen sind offen und nicht decodierbar. Als gemeinsamer Nenner oder als Anregung ließen sich vielleicht Freiheit und Kontrolle, die als Schlüsselbegriffe durch EGS Werk schwirren, benennen. EGS sieht sich als Beobachter, wie er in einem Interview letztes Jahr anlässlich seiner großen Ausstellung im Finnish Glass Museum in Helsinki sagte: “My art is about the world I live in, or the world I would like to live in. I see myself as an observer and my art is about observations.” Aus seinen Beobachtungen entstehen subjektive Weltsichten, wie bspw. das Triptychon Colour Blind World (2017). Karten haben EGS seit seiner Kindheit interessiert und irritiert. So verwundert es nicht, dass sich auf seinen Karten ganze Kontinente verschieben, geografische Grenzen auflösen, neue bilden. Europa wird plötzlich ganz klein, und die Vorstellung von einer in einzelne Gebiete unterteilten Welt wandelt sich. Die Botschaften werden lesbarer. Doch zu einem Aha-Erlebnis werden sie nicht.

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EGS: Colour Blind World, 3x190x130 cm, 2017, Ausstellungsansicht, Foto: kuag

Das liegt unter anderem daran, dass die Ausstellung sich nicht auf ein Genre beschränkt und sich EGS künstlerische Position nicht durch Eindeutigkeiten begrenzen lässt. So fielen bereits beim ersten Blick in den Ausstellungsraum neben den Bildern an den Wänden die Glasskulpturen auf. Sie sind fein säuberlich auf weiße Sockel platziert und scheinen auf ihre nähere Begutachtung zu warten. Im harten Kontrast, um nicht zu sagen im harten Widerspruch, zu den Tags und Malereien beanspruchen die äußerst kunstvoll geformten, manchmal an Jugendstil erinnernde, zumeist farbigen Glaskörper ihre Aufmerksamkeit.
Mal existieren sie als Dreiergruppe im Raum, nehmen den Dialog zu einzelnen Bildern auf und wirken museal, mal hat der Künstler sie direkt in Wandarbeiten integriert. Je nach Platzierung stehen sie für sich. Oder sie dienen in Stadtplänen als Knotenpunkte, die mit Ereignissen aus dem EGSschen Universum zusammenhängen, diese dokumentieren und sich natürlich nach eingehender Betrachtung als gläserne Tags identifizieren lassen. Ihre artifizielle und ästhetische Umsetzung überführt sie ins Museale und dennoch bleiben sie EGS.


Raumansicht, Foto: Lukas K Stiller

In diesem Sinne ist EGS Signé, Tag, Kunstobjekt und subjektives Gestaltungsmittel vergleichbar einer performativen Setzung. Manchmal geht es um persönliche Geschichten, oft um politische Statements, auf jeden Fall um die Vorstellung einer gerechteren Welt. Zugleich lässt sich das Werk als ein großes poetisches Experimentierfeld lesen.

An die 400qm große Galerie schließt sich übrigens ein Laden an, der mit seinen Büchern, Karten, diverser Kleidung und anderen Dingen für Graffiti Fans eine wahre Fundgrube sein dürfte.

Ausstellungsdauer:
16. September - 30. Oktober 2021

Öffnungszeiten:
Dienstag – Samstag 12:00-19:00

Urban Spree, Revaler Str. 99, 10245 Berlin
www.urbanspree.com

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EGS, Foto: kuag

chk

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