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Berlin Daily 28.03.2024
Kyiv Perenniale: Connected Tour

15-18.30h: Von Ort zu Ort durch die Ausstellungen. station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf, nGbK am Alex. anmeldung[at]ngbk.de

Käthe, Du bist so jung geblieben!

von Katja Hock (18.09.2022)
vorher Abb. Käthe, Du bist so jung geblieben!

Ausstellungsansicht der Ausstellung Spheres of Interest* in der ifa-Galerie Berlin © Victoria Tomaschko

Die Ausstellung Spheres of Interest* in der Reihe Out of the Box der ifa-Galerie Berlin ist eine Wohltat, die eigenes Engagement erfordert – und gerade deshalb so wertvoll ist. Noch mehr als bei dem klassischen Dialog zwischen Werk und Rezipient*in sind es hier jeweils zwei künstlerische Positionen, die in einen Austausch treten und durch aktives Interesse von Besucher*innen moderiert werden können: die ultimative Subjektivität ohne festgelegte Standards. Zeitgenössische internationale Künstler*innen wählten ohne Vorgabe aus der ifa-Sammlung aus und eröffnen über ihre eigenen Werke den Dialog mit Objekten aus dem Kunstbestand des Instituts.


Ruth Wolf-Rehfeldt, Spheres of Interest, 1975, Zinkographie, 21 × 29.5 cm. Courtesy die Künstlerin und Chert Lüdde, Berlin

Bereits der Ausstellungstitel Spheres of Interest* nimmt die Bedeutung der Subjektivität auf. Die Kuratorinnen Inka Gressel und Susanne Weiß greifen im Titel ein Werk der Künstlerin Ruth Wolf-Rehfeldt auf, mit der sich Gitte Villesen auseinandersetzt. Villesen (*1965 in Dänemark) untersuchte die ifa-Sammlung aus feministischer Perspektive und stieß auf Ruth Wolf-Rehfeldt. Sie gilt als eine der Pionierinnen der Mail Art in der DDR. Die lange verkannte Avantgardistin wurde als damals 85jährige auf der documenta 14 wiederentdeckt und für ihre „Typewritings“ gefeiert. Anders jedoch als Wolf-Rehfeldts Mann war sie in der ifa-Sammlung nicht vertreten. „Als wir uns die Werke im Kunstbestand des ifa ansahen, erwähnte Susanne, dass es in der Sammlung Arbeiten von Robert Rehfeldt gibt, nicht aber Werke seiner Frau Ruth Wolf-Rehfeldt“. Mit der Wahl des Ausstellungstitels bekommt sie erneut eine Stimme. Gitte Villesen arbeitet mit Erzählen und Wiedererzählen. Die Künstlerin fügt Begegnung, Inszenierung und Archivierung zu einem Konstrukt, das einen gewaltigen Dialog entwickelt. In der Schau stehen Arbeiten von Paula Modersohn-Becker, Hannah Höch und Ruth Wolf-Rehfeldt in einem direkten Dialog.

Adrien Missika (*1981 in Frankreich) wählte für seine Auseinandersetzung Werke von Fluxus-Künstler*innen. Diese entwickeln eine Verbindung durch ihre nahe beieinanderstehende Anordnung. Wie bei einer Schatztruhe öffnet Geoffrey Hedricks einen alten, etwas verbeulten Koffer, in dem eine unendliche Weite eingefangen ist. Blickt man hinein, erstreckt sich ein strahlendblauer Himmel mit Schäfchenwolken und eine angemalte Unterhose, die schon lange keiner mehr tragen möchte. Missika entschied, den Mozart Mix, einen Koffer mit Kassettenaufnahmen, aus dem Jahr 1991 direkt daneben zu positionieren. In unmittelbarer Nähe sein MOTUS-Fahrrad. Als mobiler Ausstellungsraum entwickelt, fährt Missika im öffentlichen Raum Kunst der ifa-Sammlung durch die Gegend und tauscht sich mit Passant*innen und Interessierten darüber aus.


Käthe Kollwitz, Die Mütter, Bl. 6 der Folge Krieg, 1922/23, 1983/208, Holzschnitt

Eine neue Interpretation der Mutterliebe, ausgehend von Käthe Kollwitz’ Oeuvre, findet in einer seitlichen Nische der Galerie statt. An den Wänden reihen sich Kollwitz’ Holzschnitte Die Mütter aus den Jahren 1922/23. Die dunklen Gestalten formieren sich zu einem geschützten Kreis, der aus großen Händen und sorgenvollen, abwesenden Gesichtern besteht. Dazwischen Kindergesichter, die vorsichtig aus der Menschenkugel herauslugen. Die Arbeit drückt stumme Angst und Sorge vor Verlust aus, die die Performance von Isaac Chong Wai (*1990 in China) aufgreift. Klagegesänge der Videoaufnahme auf zwei Bildschirmen tönen durch die Räumlichkeiten. Chong Wai greift den ausharrenden Moment von Kollwitz auf. Seine Schwarzgekleideten formieren sich ebenfalls zu einem großen Kreis. Schützend umarmen und drehen sie sich langsam miteinander. Doch zwischen Aneinanderklammern und zärtlichen, behutsamen Berührungen kommen weitere dazu, andere verlassen ihren Schutzkreis. Die Performance mit elf Personen wurde 2022 in der Klosterruine in Berlin bei strahlendem Sonnenschein aufgezeichnet. Dennoch schafft Chong Wai die klare Verbindung zu den ausdrucksstarken, bedrückenden Arbeiten von Käthe Kollwitz. Im Zusammenspiel mit Stichen und Videoaufnahme entsteht eine intime Szenerie, die Mitgefühl und Trauer bei den Besucher*innen auslöst.


Isaac Chong Wai, Die Mütter, Performance, 2022, © Victoria Tomaschko

Spheres of Interest* ist eine vielschichtige Aufbereitung des ifa-Kunstbestands: unterschiedliche Kunstgattungen, Strömungen und Stile, Kurator*innen und Künstler*innen, die bewusst mit unseren Emotionen spielen, begonnen mit Witz und Leichtigkeit bis hin zur Trauer und Verlust. Altes trifft auf Neues. In der Schau braucht es uns als Moderator*innen starker Meinungen, deren Objekte ohne uns still sind. Wir wählen, ob der Dialog zwischen den Werken der Sammlung, der neuen Werke und uns funktioniert oder ob wir uns nur mit einem oder keinem Part davon unterhalten wollen.
Jeder Beitrag funktioniert für sich alleine, gemeinsam fügen sie sich zu einem Gesamtkonstrukt einer breit aufgestellten Sammlung, die Kritik nicht nur zulässt, sondern zu ihrem Teil macht – wie mit dieser Ausstellung.

Spheres of Interest* nach Ruth Wolf-Rehfeldt
Ausstellung in der Reihe Out of the Box

Öffnungszeiten:
Dienstag–Sonntag: 14:00–18:00 Uhr
Donnerstags: 14:00–20:00
Montags und Feiertags geschlossen
Eintritt frei

24.06.–18.09.2022

ifa-Galerie Berlin, Linienstraße 139/140, 10115 Berlin
www.ifa.de

Katja Hock

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