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Berliner Messen Teil 2: Interview mit Dr. Wolfram Völcker von der Berliner Liste

von Christiane von Gilsa (27.09.2005)
vorher Abb. Berliner Messen Teil 2: Interview mit Dr. Wolfram Völcker von der Berliner Liste

Das seit einiger Zeit in vielen Städten zu beobachtende Phänomen der avantgardistisch geprägten Zusatzmessen, die zeitgleich zu den etablierten lokalen Kunstmessen organisiert werden, greift seit letztem Jahr auch auf Berlin über. Die Berliner Liste wurde 2004 als Initiative von einigen jüngeren Berliner Galeristen für ihre gleichgesinnten Kollegen ins Leben gerufen. Dr. Wolfram Völcker, Mitbegründer der ersten Berliner Liste, hat auch im zweiten Jahr sein Faible für ungewöhnliche Räumlichkeiten im Prenzlauer Berg nicht verloren. Allerdings wurde diesmal ein Ort mit gewisser künstlerischer Vorprägung bezogen: das ehemalige Umspannwerk des Bezirks, in dem zur Zeit die letzten Vorbereitungen für die 5000 erwarteten Besucher getroffen werden, nutzte schon das Vitra Design Museum als Ausstellungsfläche.

Zur Teilnahme wurde die überschaubare Anzahl von 40 internationalen Galerien zugelassen. Das Konzept der gemeinsamen Doppelstände, die jeweils von einer lokalen und einer auswärtigen Galerie geteilt werden, wird als besonderes Merkmal der Messe hervorgehoben - es soll die Zusammenarbeit der Kollegen fördern. Weiteres Charakteristikum der Berliner Liste ist die vergleichsweise günstige Standmiete.

Erweitert wird die Verkaufsschau durch einige unkommerzielle Projekte und Performances, beispielsweise die isländischen Gruppe KlinK & BanK sowie durch die Verleihung des Sportfotografie-Preises der Peter-Christian-Schlüschen Stiftung. Die Messelounge wird in eine original Weddinger Eck-Kneipe (inklusive Wirt) transformiert - eine Aktion des Berliner Künstlers Martin Mlecko, kuratiert von Wolfgang Schöddert.

art-in-berlin: Am 28. September, in wenigen Tagen, eröffnet die Berliner Liste. Wie geht es Dir, Wolfram Völcker? Steigen Streßfaktor und Adrenalinpegel oder laufen die Vorbereitungen so, daß Du diesem Tag gelassen entgegen siehst?

Dr. Wolfram Völcker: Wir organisieren diese Messe nun zum zweiten Mal und entsprechend routiniert sind wir. Es gibt ein Team von Mitarbeitern, das sich nur um die Organisation der Liste kümmert. Durch die lange Vorbereitungszeit laufen die Vorbereitungen tatsächlich wie am Schnürchen.

AiB: Welche Rolle spielt, ganz allgemein gefragt, der Messebetrieb Deiner Meinung nach für den zeitgenössischen Kunstmarkt?

WV: Insgesamt hat sich das Verhalten der Sammler und Kunstinteressierten in den letzten Jahren sehr verändert. Die Messen sind mittlerweile ein beliebter Ort, um sich einen Überblick über das Angebot zu verschaffen. Eine Galerie ist heutzutage zur Messeteilnahme geradezu verpflichtet, um neue Sammler zu gewinnen.

AiB: Wie schätzt Du in diesem Zusammenhang die Rolle von Berlin innerhalb der internationalen zeitgenössischen Kunstszene und vor allem als Messestandort ein?

WV: Allgemein gesehen ist Berlin dank der vielen Künstler, die hier leben und arbeiten, ein sehr spannender Ort. Im internationalen Vergleich spielt Berlin eine besondere Rolle, vor allem in Bezug auf die Produktion, Galerienanzahl und das vielfältige Ausstellungsprogramm. Hinsichtlich der Messeaktivitäten ist Berlin zwar ein interessanter Standort, jedoch längst nicht so umsatzstark wie Basel, London, New York oder Köln.

AiB: Zu den Berliner Messen: Was ist Deine Meinung zum "alten Hasen" Art Forum und wie stehst Du zu den anderen beiden Avantgardemessen, die dieses Jahr ebenfalls in Berlin stattfinden?

WV: Zum Art Forum, das für Berlin die Mutter aller Messen ist, haben wir eine partnerschaftliche Verbindung und wir sprechen uns in vielen Punkten ab. Beispielsweise haben wir einen Shuttleservice eingerichtet, der die Sammler zwischen beiden Messen kostenlos hin und her befördert. Bezüglich der anderen jungen Messen ist zu betonen, daß Berlin als blühende und heterogene Kulturlandschaft bekannt ist. Ich bin sehr froh darüber, daß eine Vielzahl von Galerien mit unterschiedlichen Programmen hier ansässig sind. Die diesjährige Messelandschaft reflektiert diese Vielfalt.

AiB: Worin bestand Deine Motivation, Dich maßgeblich an der Organisation einer weiteren Messe für Berlin zu beteiligen, obwohl es schon eine etablierte Kunstmesse gibt?

WV: Berlin ist ein Ort, an dem Produzenten, junge Galerien und unkonventionelle Projekte innovative Ansätze und neue Künstlerpositionen ausprobieren können. Für diese spezielle Szene eignet sich eine klassische Kunstmesse mit hohen Messespesen kaum. Auf Grund des Kostendrucks sind Galerien verpflichtet, auf Messen Umsätze zu generieren, doch das ist mit ganz frischen und noch nicht gefestigten Positionen äußerst schwierig. Für diese Galerien bietet die Berliner Liste eine geeignete Plattform. Bei uns können junge Galeristen mit ausgefallenen Positionen experimentieren. Darüber hinaus wollen wir eine Berlin-spezifische Messe organisieren. und ein Teil dieses Konzeptes ist unsere Auswahl der Räume. Es handelt sich auch in diesem Jahr wieder um ein leerstehendes Gebäude, das ursprünglich anderen Zwecken diente, nun aber ein anregendes Umfeld für zeitgenössische Kunst bietet. Das sind typische Orte in Berlin, die geradezu danach rufen "Mach etwas mit mir!".

AiB: Das vielfältige Berliner Kunstprogramm in diesem Herbst hast Du bereits betont. Warum sollte sich das Publikum bei dem großen Angebot gerade für den Besuch auf der Berliner Liste entscheiden?

WV: Wir haben eine spezielle Form der Präsentation gewählt: durch einen gemeinsamen Messestand ist jeweils eine lokale Galerie mit einer auswärtigen Galerie verbunden. Die Kollegen müssen sich bezüglich des zu zeigenden Programms absprechen. Dieser Ansatz bewirkt, daß die Galerien ihre Netzwerke verknüpfen und regt einen internationalen Künstleraustausch an. Eine derartige Präsentationsform ist zwar nicht immer einfach zu verwirklichen, unterscheidet aber die Berliner Liste von anderen Veranstaltungen. Wir reflektieren mit diesem Konzept den Community-Gedanken der Kunstszene und bieten eine geeignete Basis, um Kommunikation und Interaktion zu fördern.

AiB: Auch in anderen Kunstmessestädten wie Köln, Basel, New York oder Miami sprießen seit einiger Zeit neben den etablierten „Hauptmessen“ mehrere Avantgardemessen hervor. Wie beurteilst Du diesen neuen Trend des Kunstmarktes? Ist der Kuchen so viel größer geworden, weil es einfach mehr Künstler und mehr Sammler gibt? Oder meinst Du, daß sich der Markt gerade überhitzt und zu kollabieren droht, so wie man mancherorts munkeln hört?

WV: An diese Kollaps-These glaube ich überhaupt nicht. Der Markt hat sich auf jeden Fall vergrößert. Heutzutage sind erheblich mehr Menschen an Kunst interessiert, als noch vor wenigen Jahrzehnten. Diese neuen Kunstliebhaber beschäftigen sich nicht nur gerne mit zeitgenössischen Werken, sondern sammeln auch sehr intensiv. Kuratoren und Sammler machen sich nur dann die Mühe, in eine andere Stadt oder ein fremdes Land zu reisen, wenn das örtliche Programm besonders vielversprechend ist. Berlin konnte in letzter Zeit vermehrt eine große Anzahl Kunstinteressierter aus aller Welt anlocken, beispielsweise durch das Art Forum mit seinem Begleitprogramm, aber auch durch die Eröffnung der Flick-Collection im letzten Jahr. In diesem Jahr wird erneut daran gearbeitet, den Standort Berlin für internationale Sammler und Kuratoren besonders attraktiv zu gestalten. Das vielfältige Berliner Kunst-Programm in diesem Herbst soll die Kunstliebhaber ermutigen, die Reise hierher anzutreten, anstatt nach London oder Köln.

AiB: In diesem Zusammenhang würde mich Deine Meinung zur diesjährigen Messekonstellation interessieren. Braucht Berlin wirklich vier Messen und kann diese Stadt überhaupt vier Messen tragen? Wie prognostizierst Du die weitere Entwicklung? Wird es in den kommenden Jahren vielleicht sogar noch mehr Messen geben, da die Vielfalt für Berlins Kunstszene so wichtig ist?

WV: Man kann die Situation mit den drei Berliner Opernhäusern vergleichen, von denen sicherlich jedes seine Berechtigung hat. Gerade dieses Merkmal der kulturellen Vielfalt macht Berlin im Vergleich zu anderen großen europäischen Städten besonders interessant. Das gilt ebenso für die Kunstszene: bei über 350 Galerien in Berlin sind eine entsprechende Anzahl von Begleitveranstaltungen zum Art Forum sinnvoll. In welchem Umfang noch weitere tragfähige Veranstaltungen das Programm ergänzen könnten, wird die Zeit erweisen. Nicht zuletzt entscheidet darüber das Publikum. Momentan existiert in jedem Fall das Bedürfnis nach einem Zusatzprogramm. Das beweist einerseits das große Publikumsinteresse - wir hatten im letzten Jahr rund 5000 Besucher - andererseits auch die Warteliste derjenigen Galerien, die dieses Jahr gerne an der Berliner Liste teilgenommen hätten, aber leider keinen der 40 zur Verfügung stehenden Plätze bekamen. Niemand weiß, wie die Situation in drei, fünf oder zehn Jahren aussehen wird. Falls eine andersartige Kunstmarktlage entsteht, müssen entsprechende neue Konzepte entwickelt werden. Wichtig ist mir, daß wir jetzt den Standort Berlin als Kultur- und Kunstproduzent im internationalen Kontext stärken und etwas Spannendes leisten.

AiB: Ich bedanke mich für das Gespräch und wünsche Dir viel Erfolg für die kommenden Messetage. Hast Du nach dieser anstrengenden Zeit schon ein paar Tage entspannenden Urlaub geplant?

WV: Nein, leider nicht. Im Anschluß an die Berliner Liste muß vieles organisiert werden, zum Beispiel die Wiederherstellung der ursprünglichen Gebäudesituation. Abgesehen davon bedeutet die Herbstsaison für Galeristen die Teilnahme an mehreren Messen und auch ich werde mein Säcklein packen, um in der nächsten Stadt an einer weiteren Kunstmesse teilzunehmen.

Das Interview führte Christiane von Gilsa.

BERLINER LISTE – MESSE FÜR AKTUELLE KUNST
im ehemaligen Umspannwerk / Vitra-Design-Museum
Öffnungszeiten: 29. Sept. – 2. Okt. 14 – 22 Uhr, 3. Okt. 14 – 18 Uhr
Vernissage: 28. Sept. 18 Uhr, Party ab 23 Uhr
Ort: Kopenhagenerstraße 58, 10437 Berlin-Prenzlauer Berg
Eintrittspreis für ein Tagesticket: 5 Euro

Christiane von Gilsa

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