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Gegen das Vergessen

von - TVDART Galerie (22.01.2006)


Gegen das Vergessen

Die TVDART Galerie in Berlin-Charlottenburg präsentiert Gemälde des Sozialistischen Realismus und Sowjetimpressionismus - Eine Verkaufausstellung!

Der Sozialistische Realismus in der ehemaligen Sowjetunion stellt ein einzigartiges Phänomen in der Kunst des 20. Jahrhunderts dar. In Berlin wurde er zuletzt 1995 im Martin-Gropius-Bau mit der Schau "Moskau-Berlin, Berlin-Moskau" gewürdigt, die mit dem Fokus auf die deutsch-russischen Beziehungen sich aber nur mit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigte. Mit ihrer Ausstellung "SozRealismus, Sowjetimpressionismus, 1950-1970" liefert die TVDART Galerie in Berlin-Charlottenburg nun einen zeitlichen Nachtrag.

Als 1932 mit der Entscheidung des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei in Russland alle Künstlervereinigungen aufgelöst wurden, bedeutete dies nicht nur das Ende der russischen Avantgarde, sondern auch den Beginn des kulturellen Stalinismus, der 1934 mit der Proklamation des Sozialistischen Realismus auf dem Ersten Kongress der Sowjetischen Schriftsteller seine ästhetische Doktrin erhielt. Zugleich ging die von Stalin forcierte Industrialisierung des Sowjetreiches, die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, die Errichtung einer modernen Armee und die totale Kontrolle über alle Gesellschaftsschichten einher mit einer Gleichschaltung der Medien, der Auflösung eines privaten Kunstmarktes und der Etablierung eines zentralistisch organisierten Kulturbetriebes. Dieser verklärte Stalin zum Mythos und band den Künstler in einen kollektiven Plan ein, nach dem die sozialistische "Wirklichkeit" geformt werden sollte. Andersdenkende Intellektuelle gingen ins Exil, wurden mit Sanktionen belegt, verfolgt oder ermordet.


riga


Ansicht von Riga, 1960
Valdis Kalnroze, 1894 - 1993
Öl auf Leinwand, signiert, datiert
81 x 101 cm


Kunst diente Stalin als Instrument, die sozialistische Utopie von ökumenischem und politischem Fortschritt, privatem Glück und kollektiven Leistungen in einer allgemeinverständlichen visuellen Sprache für die Massen zu propagieren. Betroffen waren nicht nur die bildenden Künste, sondern auch Film, Fotografie, Architektur, Plakatkunst, Buchillustration. Die Zurückweisung jedes westlichen künstlerischen Einflusses, der als "formalistisch" und "bourgeois" degradiert wurde, proklamierte dabei den Sozialistischen Realismus als den progressivsten Stil schlechthin, der den Rückgriff auf die historische künstlerische Tradition nur dann tolerierte, wenn er den Aufbau des sozialistischen Paradieses inspirierte und Harmonie, Optimismus und die "Liebe zum Volk" verbreitete. Der Sozialistische Realismus griff zwar auf die traditionellen Themen wie Genre, Landschaft oder Porträt zurück, lud sie aber mit einer neuen Ideologie auf, die jegliche realistische Abbildung der tatsächlichen sowjetischen Wirklichkeit mit Hunger, Armut, Zerstörung von Kulturgütern und ganzen Landschaften sowie Massenverfolgung verbot.


lenin


Georgi Melikhov, 1908 - 1985 Kiew
Lenin in Smolny Palast mit General Frunse, 1954
Öl auf Leinwand, signiert, datiert
200 x 180 cm


Unter Verdammung aller abstrakten und non-figurativen Darstellung fußte der Sozialistische Realismus auf dem russischen Realismus des 19. Jahrhunderts, der mit den "Peredvizhniki" (Wanderern) eine sozialkritisch orientierte Komponente erhalten hatte. Die aus den "Wanderern" zum Teil hervorgegangene, 1922 gegründete Künstlervereinigung AChRR, die mit ihren monumentalen Werken Verfechter der offiziellen Werte der Kommunistischen Partei war, wurde 1932 zwar von Stalin ihrer Macht enthoben und in den Zentralen Künstlerverband überführt, lieferte aber mit ihren Porträts der Helden der Roten Armee und der Kommunistischen Revolution, mit der Darstellung von Arbeitern und Bauern bereits jene Themen, die der Sozialistische Realismus schließlich in seinen kollektiven Plan presste: Eine totalitär gelenkte Kunst zu entwickeln und sie in den Dienst der revolutionären Umgestaltung des Landes und der Schaffung des "Neuen Sowjetmenschen" zu stellen.

Seine Blüte erlebte der Sozialistische Realismus in den 1930ern und 1940ern mit Alexander Gerassimov, Alexander Deineka oder Isaak Brodski. Forderte er während des Zweiten Weltkrieges nationalpatriotische Themen, so setzte er in den ersten Jahren des Kalten Krieges so enge Grenzen, dass selbst offiziell anerkannte Künstler wie Gerassimow sie zu überschreiten dachten - bereits das Malen von Stillleben kam einem konterrevolutionären Akt gleich.


industrie


Walentin Stupin, 1911 - 1992
GASPROM kommt, 1970
Öl auf Leinwand
100 x 159 cm


Nach dem 19. Parteitag der KPdSU 1952 lockerte sich die Doktrin etwas: Gefordert wurden nun Bilder, welche die positive Rolle des Volkes beim Wiederaufbau des Landes in der Nachkriegszeit zeigen sollten. Eine Wende schließlich brachte das Jahr 1956, drei Jahre nach Stalins Tod, als Chruschtschows geheime Rede auf dem 20. Parteitag der KPdSU den Stalinkult in Frage stellte. Der damit einsetzende, von 1957 bis 1962 währende, sogenannte "Strenge Stil" machte den Sozialistischen Realismus anteilnehmend: Dargestellt werden durften nun auch gewöhnliche Menschen mit ihren alltäglichen Konflikten, und selbst impressionistische Stilmittel wurden toleriert .


kulik


Ivan Kulik, 1923 Cherkassy - 1985 Kiew
Radrennen, 1968
Öl auf Leinwand, signiert, datiert
101 x 67 cm


Diese Künstler, die um 1940/1950 erstmals an die Öffentlichkeit traten, widmeten sich in harmlosen Genrebildern vor allem der Darstellung des alltäglichen Lebens - Fabrikarbeiter, Bäuerinnen, Menschen bei unverfänglichen Vergnügungen - , ohne jedoch soziale Kritik zu üben oder ihre Szenen zeitlich wie örtlich zu lokalisieren. Wird die naturalistische Wiedergabe als Garant für Wahrheitstreue eingesetzt, so dienen gerade die impressionistischen Elemente - das Flirren der Farbe, das Spiel von Licht und Schatten - dazu, dem grauen Alltag lichte Seiten abzugewinnen. Ein kollektives Paradies wird auch hier heraufbeschworen, zwar weniger propagandistisch wie noch unter Stalin, wohl aber in Unkenntnis alternativer westlicher Lebensformen, von denen die sowjetische Bevölkerung bis hin zu Gorbatschows Perestroika abgeschottet blieb. Andere Sujets, wie Valentin Stapins (1911-1992) Industriedarstellung "GASPROM kommt" mit fröhlichen Arbeitern oder Bruno Celmins (1927-1992) aus der Vogelperspektive gezeigtes "U-Boot" von 1960, das auf eine Eisscholle zutreibt, erweisen sich dabei als ebenso paradigmatisch für den Sozialistischen Realismus wie auch die Lenin-Bilder: Ellaida Neimanns "Im Gespräch mit Lenin" von 1960 schildert den einstigen Führer volksnah mit Dorfbewohnern vor einem verschneiten Ort, Georgi Stepanovich Melikhovs (1908-1985) Gemälde "Lenin im Smolny Palast mit General Frunse" von 1954 zollt allein durch sein Format dem Leninkult Tribut und erweist sich für den westlichen Betrachter als eine geradezu rührende Reminiszenz an ein Russland-Bild, das passé scheint. Mit ihren Landschaften und Blumenstillleben dagegen unterscheidet sich diese Künstlergeneration kaum von den einstigen westlichen Impressionisten und Naturalisten: Valdis Kalnrozes "Ansicht von Riga", welche die Silhouette der Altstadt von der Düna aus aufnimmt und die Formen in sanfte Grautöne auflöst, reflektiert das Licht auf dem Strom mit den Schiffen wie eine Wasserlandschaft Monets.


boot


Bruno Celmins, 1927 - Riga - 1992
U - Boot, 1960
Öl auf Leinwand, signiert
100 x 130 cm


Da nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 die Werke des Sozialistischen Realismus in der Versenkung verschwanden bzw. in den Depots von Museen und Ministerien aber auch in privatsammlungen, bewahrt die Ausstellung in der TVDART Galerie nicht nur vor dem Vergessen, sondern führt anhand eines zeitlichen Ausschnittes noch einmal jenes einzigartige Phänomen des Sozialistischen Realismus vor Augen. Zugleich erfahren diese Bilder, die einstmals als Auftragswerke im Osten konzipiert wurden für den Aufbau und die Konservierung des "Sozialismus in einem Land", paradoxerweise gerade im Westen eine Wiedergeburt - eine Ironie der Geschichte.


Angelika Leitzke



"SozRealismus, Sowjetimpressionismus, 1950-1970", seit 1. 11. 2005 bis 3. 3. 2006, TVDART Galerie, Schlüterstr. 54, 10629 Berlin, Tel.: 030-88 91 44 45, dienstags bis freitags von 13 bis 19 Uhr, samstags von 12 bis 16 Uhr.
tv.proart@gmx.de
www.art-in-berlin.de

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