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Beitrag: KUR - Kunst und Recht | Journal: Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Ausführung des UNESCO-Kulturgutübereinkommens

von - kur-journal.de (16.07.2006)


Beitrag: KUR - Kunst und Recht | Journal: Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Ausführung des UNESCO-Kulturgutübereinkommens

Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Ausführung des UNESCO-Kulturgutübereinkommens
- Stand: 1. Februar 2006
Michael Müller-Karpe*

Die hierzulande noch immer gegebenen legalen Vermarktungsmöglichkeiten für Hehlerware aus Raubgrabungen geben den Anreiz für die Zerstörung archäologischer Stätten und schädigen den Ruf Deutschlands. Der von der Bundesregierung jüngst beschlossene Gesetzentwurf,** mit dem die Ziele der UNESCO-Konvention von 1970 zum Kulturgüterschutz eigentlich umgesetzt werden sollten, wird daran nichts ändern, denn das vorgesehene Handelsverbot für Kulturgut illegaler Herkunft soll nur für die wenigen Dinge gelten, die in einer im deutschen Bundesanzeiger veröffentlichten Liste "individuell identifizierbarer" Einzelobjekte verzeichnet sind. Alles andere, insbesondere Plünderungsgut aus undokumentierten Raubgrabungen, das in einer solchen Liste nicht enthalten sein kann, wird auch künftig völlig frei zu handeln sein. Zudem sollen im Rahmen einer "Amnestie" alle Raubgrabungsfunde, die vor Inkrafttreten illegal verbracht wurden, de facto legalisiert werden. Diese Bestimmungen dienen nicht dem Kulturgüterschutz, sondern fördern Hehlerei und führen zu mehr Raubgrabungen. Das vorgesehene Import-, Export- und Handelsverbot sollte nicht nur für die wenigen im Bundesanzeiger veröffentlichten Einzelobjekte gelten, sondern grundsätzlich für alle archäologischen Bodenfunde, außer wenn nachgewiesen wird, dass diese nicht rechtswidrig ausgegraben wurden und nicht unter Verstoß gegen die einschlägigen Gesetze und Bestimmungen des Herkunftslandes aus diesem verbracht wurden. Nur ein konsequentes Handelsverbot für Hehlerware aus Raubgrabungen kann die durch diesen Handel verursachten Zerstörungen wirksam eindämmen.

*Dr. Michael Müller-Karpe ist Archäologe am Römisch-Germanischen
Zentralmuseum Mainz und Lehrbeauftragter für Vorderasiatische
Archäologie an der Universität Mainz.
**http://www.bundesregierung.de/Bundesregierung/
Beauftragter-fuer-Kultur-und-M-,12577.961425/pressemitteilung/
Bundeskabinett-beschliesst-lan.htm

I. Verfassungspatriotismus
Man stelle sich vor, das Grundgesetz existiere nur in einem einzigen Exemplar. Wohlhabende Nigerianer oder Inder, glühende Bewunderer unserer Verfassung, investierten große Summen um authentische Teile dieses Gesetzeswerkes ihr Eigen nennen zu dürfen. Notleidende Hartz-IV-Empfänger schnitten nun einzelne Buchstaben aus dem Verfassungstext, um die Nachfrage zu befriedigen. Aus dem Zusammenhang gerissen verlören nicht nur diese Einzelbuchstaben ihren Informationsgehalt, der Text selbst wäre schließlich nicht mehr lesbar und damit wertlos. Dem entsetzten Protest der deutschen Botschaft entgegnete dann die nigerianische Regierung: Selbstverständlich respektiere man die kulturellen Vorlieben anderer Völker, allerdings möge man doch bitte Verständnis haben, dass der deutsche Verfassungspatriotismus gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des nigerianischen Buchstabenhandels zurückzustehen habe. Man sei als Kulturnation aber bereit, Deutschland die Möglichkeit zu geben, einige besonders bedeutsame Buchstaben seiner Verfassung als "national wichtig" zu deklarieren und im nigerianischen Amtsanzeiger zu veröffentlichen. Man erwarte allerdings, dass sich Deutschland auf eine Auswahl besonders markanter, individuell identifizierbarer Buchstaben beschränkt. Es könne aber keinesfalls akzeptiert werden, dass missbräuchlich alle 150.000 Buchstaben der deutschen Verfassung als besonders wichtig bezeichnet würden.
II. Das Bodenarchiv
Der Vergleich einer archäologischen Stätte mit einem Geschichtsarchiv ist durchaus wörtlich zu verstehen: Der Fachmann vermag dort zu lesen, wie in den Seiten eines Buches. Dieses "Lesen" sprich "Graben" bedeutet ebenfalls ein partielles Zerstören. Insofern lastet auf dem Ausgräber eine hohe Verantwortung. Was bleibt von diesem "Lesen", ist die Dokumentation dessen, was man beim Lesen verstanden hat.
Findet die Zerstörung aber ohne Verstehen und ohne Dokumentation statt, so bleiben nur einzelne Buchstaben, die herausgelöst aus ihrem Kontext jeden Sinn verloren haben. Funde aus undokumentierten Raubgrabungen sind solche Einzelbuchstaben. Sie mögen hübsch anzuschauen sein, ihren eigentlichen Wert - als Informationsträger - haben sie aber verloren. Reißen wir zu viele dieser "Buchstaben" heraus, verliert das gesamte Bodenarchiv seinen Wert als Informationsquelle.
Der Irak hat das archäologische Erbe des Landes als Geschichtsdokument insgesamt unter Schutz gestellt. Alles was älter als 200 Jahre ist, befindet sich im Staatseigentum und darf weder verhandelt noch exportiert werden. Dieser Rechtsordnung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der eigentliche Wert eines archäologischen Objektes in seinem Informationsgehalt als historisches Zeugnis liegt - in dem Beitrag, den es für das Geschichtsbewusstsein des Menschen liefert und damit einen ganz entscheidenden Aspekt dessen, was den Menschen in seinem Wesen ausmacht. Es ist zudem die Erkenntnis, dass der überwiegende Teil dieser Informationen im Kontext des Fundes im Boden enthalten ist. Oberste Maxime der irakischen Antikengesetzgebung ist daher der Erhalt dieses Bodenarchivs und der darin gespeicherten Informationen.
III. Geschichtspatriotismus
Das Geschichtsbewusstsein ist in der irakischen Bevölkerung tief verwurzelt. Es erfüllt die Bürger mit Stolz, Sachwalter und Beschützer des archäologischen Erbes der Menschheit in einem zentralen Bereich ihrer frühen Zivilisation zu sein: der Wiege der frühesten Hochkultur. Dieser Geschichtspatriotismus ist das einigende Band, das diesem geschundenen Volk die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft in Würde und Frieden gibt. Die durch das derzeitige Chaos ermöglichte systematische Zerstörung der archäologischen Stätten des Landes durch Raubgrabungen zur Versorgung eines nimmersatten internationalen Antikenmarktes mit Hehlerware empfinden die meisten Iraker als ungeheuerlichen Angriff auf ihre Würde und Souveränität. Wer diesen Handel fördert, darf sich des Hasses des irakischen Volkes gewiss sein.Die UNESCO hat in ihrem �bereinkommen die Signatarstaaten verpflichtet, "das unantastbare Recht jedes Vertragsstaates anzuerkennen, bestimmtes Kulturgut als unveräußerlich einzustufen und zu erklären, das daher ipso facto nicht ausgeführt werden darf, und die Wiedererlangung solchen Gutes durch den betreffenden Staat in Fällen zu erleichtern, in denen es ausgeführt worden ist" (Artikel 13 d). Wer dieses �bereinkommen ratifizieren will, hat dies zu respektieren.
IV. Kultur nur was gelistet ist?
Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf wird diesem Anspruch nicht gerecht: So soll das vorgesehene Import-, Export- und Handelsverbot nur für die wenigen "individuell identifizierbaren" Einzelobjekte gelten, die im deutschen Bundesanzeiger veröffentlicht sind. Alles andere - auch Dinge, die nach den Gesetzen des Irak, Syriens, �gyptens oder der Türkei ipso facto nicht ausgeführt werden dürfen - könnte auch in Zukunft in Deutschland völlig legal verhandelt werden. Dies gilt insbesondere auch für Plünderungsgut aus undokumentierten Raubgrabungen, das in einer publizierten Liste naturgemäß nicht verzeichnet sein kann. Auch die den Herkunftsländern eingeräumte Möglichkeit, Raubgrabungsfunde noch innerhalb eines Jahres nachträglich auf die Liste zu setzen, würde in aller Regel nicht zu einem durchsetzbaren Rückgabeanspruch führen. Denn eine �nderung der Beweislastregelungen ist nicht vorgesehen. Auch künftig müsste das bestohlene Land die illegale Herkunft des Diebesgutes nachweisen. Wie kann das gelingen, wenn die Raubgrabung nicht dokumentiert wurde? Zudem durchschneiden moderne Grenzen vielfach historische Kulturräume. Wie kann da der Irak oder Syrien nachweisen, dass ein undokumentierter Raubgrabungsfund diesseits und nicht jenseits der Grenze gefunden wurde?
Die von der UNESCO-Konvention vorgesehenen Listen sollen den Schutz ermöglichen, nicht verunmöglichen. Gerade dies aber bewirkt die Beschränkung des Schutzes auf gelistete Einzelobjekte.
Die Konvention verpflichtet die Signatarstaaten, das von anderen Staaten als "besonders wichtig bezeichnete Gut", das bestimmten Kategorien angehört, z.B. "Antiquitäten, die mehr als hundert Jahre alt sind", zu schützen. Dieser Wortlaut schließt den Schutz von Archiven ein - auch des Bodenarchivs, wenn, wie im Falle des Irak, dieses als "besonders wichtig" bezeichnet ist. Die von der Bundesregierung vorgesehene Beschränkung des Schutzes auf "individuell identifizierbare"
Einzelobjekte widerspricht dem Geist und den Buchstaben des �bereinkommens.
Wie soll man sich die Umsetzung dieser Bestimmungen überhaupt konkret vorstellen? Will man im Bundesanzeiger die etwa 500.000 Einträge des Baghdader Museumsinventars publizieren und der nicht minder umfangreichen Register in Damaskus, Istanbul, Teheran, Kairo, Phnom Pen, Lima? Wie will man verhindern, dass der Irak "missbräuchlich" sein gesamtes, identitätsstiftendes Bodenarchiv auf die Liste setzt? Oder will man ihn tatsächlich zwingen, nur einige Buchstaben daraus als "bedeutsam" zu deklarieren?
V. Hehlergewinne statt Kulturgüterschutz?
Zudem schützen auch die kleinlich kurz bemessenen Ausschlussfristen ausschließlich den unrechtmäßigen Besitzer. So soll der Rückgabeanspruch bereits nach einem Jahr erlöschen, und ein vom Zoll angehaltenes Objekt wird dem Hehler wieder ausgehändigt, falls es dem Herkunftsland nicht gelingt, innerhalb von zwei Monaten seinen Eigentumsanspruch glaubhaft zu machen. Das von der Bundesregierung gefeierte "Handelsverbot für Kulturgut illegaler Herkunft" ist eine Mogelpackung. Im wirklichen Leben dürfte dieses Gesetz wohl kaum zu durchsetzbaren Rückgabeansprüchen führen. Hinzu kommt, dass Kulturgut, das bereits vor Inkrafttreten aus dem Herkunftsland verbracht wurde, ausdrücklich vom Schutz des Gesetzes ausgenommen sein soll - und zwar auch dann, wenn es in der im Bundesanzeiger veröffentlichten Liste verzeichnet ist. Künftig wird der Nachweis, dass Diebesgut bereits vor diesem Datum entwendet wurde, genügen, um es in Deutschland straffrei zu verhandeln. Rückgabeansprüche für diese Dinge könnten zwar theoretisch auf zivilrechtlichem Wege geltend gemacht werden, jedoch werden diesbezügliche Rechte durch die bestehenden Beweislastregelungen ausgehebelt. Entscheidend ist: Wenn der Handel mit Kulturgut illegaler Herkunft künftig mit einem strafbewehrten Verbot belegt ist, werden Dinge, die diesem Verbot nicht unterfallen, im Umkehrschluss als Kulturgut legaler Herkunft zu gelten haben. Dies bedeutet de facto eine Legalisierung praktisch sämtlicher Raubgrabungsbestände des internationalen Antikenmarktes, denn entscheidendes Kriterium soll sein, dass die Gegenstände vor besagtem Datum das Herkunftsland verlassen hatten - und dies nachgewiesen werden kann. Von dieser wundersamen Läuterung werden viele Hunderttausend Objekte betroffen sein, mit einem Marktvolumen, das von UNESCO und FBI auf jährlich sechs bis acht Milliarden Dollar geschätzt wird. Dieser Betrag dürfte sich vervielfachen, wenn aus schwerverkäuflicher Schmuddelware ohne ordentliche Ausfuhrbescheinigungen, die bisher nur zu Hehlerpreisen verschoben werden konnte, nunmehr legale Handelsware wird - die dann auch von seriösen Kunsthändlern mit gutem Gewissen veräußert werden kann. Um dieses Milliardengeschenk der Bundesregierung auch tatsächlich nutzen zu können, werden in den kommenden Monaten weltweit Legionen von Antikenhändlern ihre illegalen Grabungsfunde dokumentieren und registrieren und diese Nachweise dann bei Notaren hinterlegen, um im Bedarfsfall belegen zu können, dass die Verbringung aus dem Herkunftsland vor dem Stichtag erfolgte. Die über den deutschen Markt veräußerten und durch das deutsche Persil-Gesetz reingewaschenen Raubgrabungsfunde können dann auch in Ländern mit strikteren Antikengesetzen (z.B. USA) weiterveräußert werden. Die Branche blickt glanzvollen Zeiten entgegen und einer nie da gewesenen "Marktblüte". Die realisierten Gewinne werden einen ungeheuren Nachfrageboom generieren, der nur durch eine Ausweitung der weltweiten Raubgrabungstätigkeit zu befriedigen sein wird. Das derzeitige Chaos im Irak, demnächst auch im Iran und in Syrien, wird hierfür günstige Voraussetzungen bieten.
Dabei wird sich die geplante "Generalamnestie" nicht mit dem von der deutschen Rechtsordnung vorgesehenen Rückwirkungsverbot begründen lassen. Es geht hier ja nicht darum, eine vor Inkrafttreten erfolgte Verbringung nachträglich zu ahnden, sondern ausschließlich um die Verhinderung künftiger Transaktionen. Die Sanktionierung künftiger Tatbestände davon abhängig zu machen, wann eventuelle Vortaten begangen wurden, ist abwegig.
Beim Handel mit Raubgrabungsfunden geht es nicht eigentlich um ein Eigentumsdelikt - dieses ließe sich durch Rückgabe an den rechtmäßige Eigentümer "heilen" - sondern um ein Kapitalverbrechen: Die von diesem Handel bewirkten Raubgrabungen zerstören unser Bodenarchiv und das darin gespeicherte kulturelle Gedächtnis der Menschheit. Zerstören wir dieses Fenster, berauben wir uns, vor allem aber die künftigen Generationen, des unmittelbaren Zugangs zur Geschichte und damit dessen, was den Menschen erst zum Mensch, zu einem bewussten, zu einem geschichtlichen Wesen macht.
Der Bundesgerichtshof hat bereits 1972 klargestellt, dass nach den in der deutschen Gesellschaft anerkannten Wertvorstellungen die Ausfuhr von Kulturgut entgegen einem Verbot des Ursprungslandes gegen die guten Sitten verstößt und "daher im Interesse der Wahrung der Anständigkeit im internationalen Verkehr mit Kunstgegenständen keinen bürgerlich-rechtlichen Schutz" verdient. "Die in früherer Zeit übliche und geduldete Missachtung des Wunsches anderer Völker, im Besitz ihrer Kunstschätze zu bleiben oder sie selbst zu verwerten, Ö [könne] nicht zum Maßstab des nach heutiger Auffassung mit den guten Sitten Verträglichen gemacht werden." Nach dieser höchstrichterlichen Einschätzung konnte kein Bürger mehr darauf vertrauen, dass der deutsche Gesetzgeber sich auf Dauer dem Schutz des kulturellen Erbes der Menschengemeinschaft verweigern würde. Vor diesem Hintergrund erscheint die von der Bundesregierung unterstellte Schutzwürdigkeit des angeblich gutgläubigen Erwerbers illegalen Kulturgutes höchst fragwürdig.
VI. Umkehr der Beweislast
Was ist zu tun? Eine Umkehr der Beweislast ist zwingend. Die derzeitige Regelung ignoriert elementare Regeln der Logik und widerspricht damit rechtsstaatlichen Prinzipien: Archäologische Bodenfunde, die im Handel angeboten werden, können in aller Regel nur aus Raubgrabungen stammen, denn Dinge aus legalen, ordnungsgemäß dokumentierten Grabungen kommen in ein Museum des Herkunftslandes, nicht aber in den Handel. Die Antikengesetze einiger Staaten des Vorderen Orients sahen zwar zunächst die Möglichkeit der Fundteilung vor, d. h. eine ausländische Expedition durfte einen Teil der von ihr geborgenen Objekte mit ins Ausland nehmen. Diese Möglichkeit besteht jedoch seit geraumer Zeit nicht mehr - im Irak seit Anfang der 1970er Jahre. Diese Objekte waren allerdings registriert und durften jeweils nur mit individueller Exportlizenz das Herkunftsland verlassen - und gelangten ebenfalls in aller Regel in ein Museum, z.B. in das British Museum in London oder das Vorderasiatische Museum in Berlin. Wenn die Ausnahme von der Regel nicht bewiesen ist, macht die Annahme einer legalen Herkunft keinen Sinn. Die Vermutung, dass provenienzlose Bodenfunde auf "Omas Dachboden" oder in "Schweizer Familienbesitz" gezeugt wurden und dort im Kreise glücklicher Artgenossen aufwuchsen, sollte jedenfalls nicht Grundlage der deutschen Gesetzgebung sein.
VII. Handelsverbot für Raubgut
Das vorgesehene Import-, Export- und Handelsverbot sollte nicht nur für die wenigen im Bundesanzeiger veröffentlichten Einzelobjekte gelten, sondern grundsätzlich für alle archäologischen Bodenfunde, außer wenn nachgewiesen wird, dass diese nicht rechtswidrig ausgegraben wurden und nicht unter Verstoß gegen die einschlägigen Gesetze und Bestimmungen des Herkunftslandes aus diesem verbracht wurden.
Ein Händler weiß, ob der von ihm angebotene Bodenfund legaler Herkunft ist und kann, sollte dies tatsächlich der Fall sein, das ohne weiteres belegen. Der rechtmäßige Eigentümer eines undokumentierten Raubgrabungsfundes hingegen kann seinen Anspruch in aller Regel nicht beweisen. Die Umkehr der Beweislast wird den seriösen Handel nicht belasten - im Gegenteil: Bereits jetzt verwendet ein Händler größte Sorgfalt auf die Ermittlung der Herkunft eines Objektes, denn mit dem Nachweis einer legalen Herkunft kann er einen deutlich höheren Verkaufserlös erzielen als die unlautere Konkurrenz mit vergleichbarer Hehlerware. Das Handelsverbot für Raubgrabungsfunde trifft den seriösen Händler ohnehin nicht, denn diesem ist bereits jetzt, im Rahmen einer Selbstverpflichtung, die Bestandteil der Satzung der deutschen Kunsthandelsverbände ist, untersagt, sich "an Import, Export, (Ö) an dem Kauf oder der �bertragung von Gegenständen zu beteiligen," die gestohlen, illegal exportiert oder illegal ausgegraben wurden. Insofern trifft dieses Verbot ausschließlich die schwarzen Schafe der Branche. Seriöse Händler würden hingegen vor unlauterer Konkurrenz geschützt. Vor diesem Hintergrund wäre schwer vermittelbar, warum sich ein seriöser Händler gegen ein solches Verbot wenden sollte.
Begrüßenswert ist die vom Gesetzentwurf vorgesehene Aufzeichnungspflicht für Identität und Ursprung des Handelsgutes, des Veräußerers und Erwerbers sowie des An- und Verkaufspreises. Diese wird nur den schrecken, der Unlauteres zu verbergen hat. Für den redlichen Händler ist all dies ohnehin längst selbstverständlich. In einem Land, in dem sich die Herkunft von Milliarden Frühstückseiern bis zum jeweiligen Hühnerstall zurückverfolgen lässt und wo die Pflicht zur Offenlegung der Quellen bisher offenbar keinen Eierhändler in den Ruin getrieben hat, sollte eine solche Transparenz bei den wenigen Antiquitäten legaler Herkunft durchaus zumutbar sein. Für den Handel mit Hehlerware aus Raubgrabungen wäre diese Pflicht allerdings in der Tat lästig. Allerdings war die Bundesregierung auch bezüglich der Aufzeichnungspflichten auf Vermeidung von Härten für den Raubguthandel bedacht: Die Angabe des Ursprungs soll nur erforderlich sein, "soweit bekannt". Eine solch zahnlose Bestimmung dürfte keinem Hehler wehtun.
VIII. Rechtssicherheit
Das vorgeschlagene Handelsverbot für Raubgrabungsfunde böte Rechtssicherheit: Niemand wird ernstlich den gutgläubigen Erwerb von Hehlerware aus Raubgrabungen behaupten wollen. Für ein solches Verbot wäre auch eine ex nunc-Regelung ausreichend. Es geht hier ja nicht darum, Sammler oder Museen zu enteignen. Eine Rückgabe kann ohnehin nur dann erfolgen, wenn der rechtmäßige Eigentümer ermittelt wird. Entscheidend ist, dass die schädigende Wirkung künftiger Transaktionen vermieden wird: der von dem Handel mit Raubgrabungsfunden ausgehende Anreiz für weitere Raubgrabungen. Erst wenn der potentielle Raubgräber sicher sein darf, dass er für einen Bodenfund kein Geld bekommt, wird er es sich leisten können, von seinem zerstörerischen Tun abzulassen.
IX. Praktikabilität
Das Handelsverbot für Raubgrabungsfunde wäre praktikabel, ein unverhältnismäßiger Aufwand würde vermieden: Im Gegensatz zu Stichtagsregelungen (nachträgliche Legalisierung des Diebesgutes ab einem bestimmten Datum), deren Einhaltung nur durch aufwendige Recherchen zu überprüfen wäre oder "Pedigrees" (einer Art Passdokument, das den freien Handel "legaler" Funde erleichtern soll), die ohnehin in jedem besser sortierten Basar preiswert zu erwerben sind, wäre die hier vorgeschlagene Regelung umsetzbar: Die Kriterien für eine zweifelsfreie Identifizierung von Bodenfunden ließen sich problemlos auf einer DIN A4-Seite darstellen und von jedem Zöllner in einer viertel Stunde verinnerlichen. Der Ausnahmesachverhalt ließe sich im Rahmen der bereits jetzt praktizierten Nämlichkeitsprüfung, ohne zusätzlichen Aufwand, anhand der Frachtpapiere verifizieren.
X. Stärkung des Handelsplatzes
Deutschland
Ein Handelsverbot für Raubgrabungsfunde könnte den deutschen Kunsthandel von der rufschädigenden Wirkung der Hehlerei befreien und somit stärken. Es könnte die Exportwirtschaft insgesamt beflügeln, wenn sich im Ausland herumspräche, dass Deutschland künftig die Ausplünderung und Zerstörung des kulturellen Erbes seiner Handelspartner nicht mehr fördern und sich nicht mehr durch den Handel mit Hehlerware aus diesen Ländern bereichern will.
XI. Die Zukunft der deutschen Archäologie
Raubgrabungen zerstören archäologische Stätten. Sie berauben Archäologen ihrer Forschungsgrundlage und damit ihrer Existenz. Hinzu kommt, dass sich deutsche Forscher im Ausland zunehmendem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt sehen. Das Irak-Museum hat kürzlich bekannt gegeben, dass es Forschern und Institutionen, die den Handel mit Raubgrabungsfunden aktiv unterstützen, künftig den Zugang zu seinen Beständen verwehren wird. Es ist abzusehen, dass weitere Länder diesem Beispiel folgen. So manche Forschung deutscher Archäologen könnte damit ihr Ende finden. Die Redlichkeit des einzelnen Wissenschaftlers wird diese Entwicklung nicht aufhalten können, solange sein oberster Dienstherr, der Souverän und Gesetzgeber, Raubgrabungen fördert.
Wem es um den Erhalt unseres gemeinsamen archäologischen Erbes geht und nicht bloß um eine kosmetische Pro-forma-Ratifizierung internationaler Verträge, wird um eine �nderung der bestehenden Beweislastregelungen nicht herumkommen. Beim Artenschutz ist eine solche Beweislastumkehr seit langem wirksam: Staaten, denen an der Bewahrung der Schöpfung gelegen ist, müssen eben nicht nachweisen, dass das Elfenbein im Fluggepäck von einem Elefant stammt, der in ihrem Land gewildert wurde. Der Zöllner prüft einzig: Ist eine legale Herkunft des Elfenbeinobjektes nachgewiesen? Wenn nein, wird es konfisziert. Diese klare und konsequente Regelung zeigt Wirkung: Die vom Aussterben bedrohten Elefantenpopulationen konnten sich erholen. Sollte das, was beim Erhalt einer uns doch nur recht entfernt verwandten Spezies gelang, nicht auch möglich sein, wenn es um unsere eigene Gattung geht, um den Schutz dessen, was uns Menschen erst zu dem macht, was wir eigentlich sein sollten - geschichtliche Wesen?

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