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"Photographisches Theater" - Anna & Bernhard Blume im Hamburger Bahnhof

von Katja Melzer (07.04.2008)


"Photographisches Theater" - Anna & Bernhard Blume im Hamburger Bahnhof

Hamburger Bahnhof
Hamburger Bahnhof, Außenansicht

Humor hat in der Kunst von Dada über Fluxus bis in die Gegenwart eine lange Tradition: Anna und Bernhard Blumes gehen seit den 60er Jahren mit ihren inszenierten Fotografien dorthin, wo es dem Deutschen am meisten weh tut: ins kleinbürgerliche Milieu.

Die aktuelle Ausstellung mit dem bezeichnenden Titel "Reine Vernunft" im Hamburger Bahnhof ist die erste umfassende Retrospektive des Künstlerpaares in Berlin. Die reine Vernunft nach Kant könne keine Aussage über die Wirklichkeit machen. Die Ideen, zu denen sie gelange, gelten als regulative Ideen, die den Erkenntnisprozess leiten, aber keine Entsprechung in der Wirklichkeit hätten. Und so haben auch die abgebildeten Szenen in den Fotografien kaum reale Entsprechungen, vielmehr überwiegen absurde Momente und ver-rückte Konstellationen von Gegenständen und Menschen. Dennoch wirken die Fotografien nicht befremdlich, sondern seltsam vertraut. Denn sie zeigen die Blumes verkleidet als Kleinbürger im entsprechenden heimischen Umfeld, wie z.B. in den Serien "Küchenkoller" (1985) oder in "Trautes Heim" (1985). Sichtbar wird der ganz normale Alltagswahnsinn in der Kleinfamilie. Die großformatigen schwarz-weiß Serien bestehen aus vielen Teilen, von denen meist nicht alle in der Ausstellung komplett zu sehen sind. Dafür gibt es sowohl ältere als auch aktuelle Arbeiten, die jedoch nicht chronologisch gehängt wurden, was umso besser die Thematik der Künstler aufzeigt.

Im Rahmen der Ausstellung präsentieren die Künstler auch eine 7teilige Sequenz mit philosophischen Begriffen auf ausgewählten Porzellanstücken der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM). Seit der Privatisierung 2006 möchte KPM verstärkt mit internationalen Künstlern zusammenarbeiten und stellt die Ergebnisse in Form von Einzelstücken oder limitierten kleinen Auflagen unter dem Label "KPM-artline" vor. Sinnvollerweise wurden die Stücke in einem Raum mit der Serie "Trautes Heim" gehängt und ergeben so eine interessante Ergänzung zu den Photos.
Dr. Eugen Blume, Direktor des Hamburger Bahnhof, zeigte sich erfreut darüber, dieses "photographische Theater" nun auch in Berlin vorstellen zu können. Das Schlüsselwerk der Ausstellung ist für ihn die Serie "Ödipale Komplikationen?" von 1977. Auf den Fotos sitzt Bernhard Blume mit seiner Mutter auf der Couch im Wohnzimmer. Dargestellt sind die verwirrtesten Positionen bis zum plakativen "Aufstehen von der Couch", was in ein Kippen und Umstürzen derselben mündet. Eugen Blume versteht insbesondere diese Serie als ironischen Kommentar zur Psychoanalyse. Deutlich wird hier auch der performative Charakter, der den Fotos zu Grunde liegt. Die Szenen wurden teilweise unter höchsten körperlichen Anstrengungen realisiert.
Bereits 1997 haben die Künstler ihre Arbeitsweise von "analog" auf "digital" umgestellt. Die generelle Manipulierbarkeit von Fotografie wird damit auf eine neue Ebene transportiert und durch die Verwendung neuer technischer Verfremdungseffekte intensiviert. Auch folgte ein inhaltlicher Umschwung: Die Welt der 60er Jahre wurde nun verlassen und das "Spießer-Outfit" gegen zeitgenössische (Sport-)Bekleidung getauscht. Zu den aktuellsten Arbeiten gehören "Abstrakte Kunst" (2002-2004) und "de-konstruktiv (2005-2007)". Diese letzte Arbeit wird in einem Kubus in der Halle im Erdgeschoss des Hamburger Bahnhof gezeigt. Die Suche nach der eigenen Herkunft ist einer der Leitfäden des Werkes von Anna und Bernhard Blume. Diese Suche bezog sich in erster Linie auf den privatesten Raum, wird aktuell aber im kunsttheoretischen Bereich, speziell der abstrakten Malerei, weitergeführt.

Beide Künstler wurden 1937 geboren und lernten sich während ihres Studiums an der Kunstakademie Düsseldorf in den 60er Jahren kennen. Bernhard Blume studierte außerdem Philosophie. In ihrer Zusammenarbeit haben sie das Genre der inszenierten Fotografie maßgeblich erweitert und sind weit über Deutschland hinaus bekannt. So wurden sie bereits u.a. zu Ausstellungen im Museum of Modern Art in New York, dem Museum of Photography in Chicago, zu Ausstellungen in Paris und zahlreichen Schauen in Deutschland eingeladen. Deshalb wundert es schon ein wenig, dass es erst jetzt zu einer großen institutionellen Werkschau in Berlin gekommen ist - aber manche Dinge sind eben nicht "vernünftig" zu erklären. Die Ausstellung "Reine Vernunft" ist humorvoll, aber nie platt, sondern vielmehr voll klugem Witz sowie philosophischen und kunsthistorischen Zitaten - und damit absolut sehenswert!

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog vom Verlag der Buchhandlung Walther König Köln, 19,80 Eur.
Anna & Bernhard Blume. Reine Vernunft
4. April - 10. August 2008

Öffnungszeiten:
Di-Fr 10-18h
Sa 11-20h, So 11-18h
Do 14-18h Eintritt frei

Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart
Invalidenstraße 50/51, 10557 Berlin-Tiergarten

hamburgerbahnhof.de

Katja Melzer

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Daten zu Anna & Bernhard Blume:


- Art Basel 2013
- artbasel2021
- GW202109
- Sammlung DZ Bank Frankfurt


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"Photographisches Theater" - Anna & Bernhard Blume im Hamburger Bahnhof
Humor hat in der Kunst von Dada über Fluxus bis in die Gegenwart eine lange Tradition: Anna und Bernhard Blumes gehen seit den 60er Jahren mit ihren inszenierten Fotografien dorthin, wo es dem Deutschen am meisten weh tut: ins kleinbürgerliche Milieu.

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