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Die indische Photographin Dayanita Singh in der Galerie Nature Morte

von Verena Straub (29.11.2008)


Die indische Photographin Dayanita Singh in der Galerie Nature Morte

„Let you go“ - der Titel der Ausstellung in der neu eröffneten Galerie „Nature Morte“, die ihre Dependance in Neu Delhi, Kalkutta und New York hat, beschreibt genau einen Zwischenort: der Augenblick zwischen Abschied und Verschwinden, zwischen Anwesenheit und Abwesenheit.
Es sind mehrere Serien der indischen Photographin Dayanita Singh zu sehen, in denen sich die Künstlerin mit dem Bild ihres Heimatlandes und zugleich mit sich selbst auseinandersetzt.

Eine der Photographien zeigt den kurzen Moment zwischen Absprung und Aufkommen, der Moment in dem die nackten Füße des Mädchens über dem Steinboden in der Luft schweben. Ihr Körper ist kerzengerade, Arme und Hände hält sie flach an ihren einfachen, weißen Baumwollsari gepresst, während ihr Blick über den niedrigen Steinbalkon hinaus in die weite, milchig-weiß verschwimmende Landschaft gerichtet ist.
Ein Moment des Dazwischens: Zwischen Ruhe und Bewegung, zwischen Absprung und Ankunft, zwischen Surrealität und dokumentarisch anmutender Schwarz-Weiß-Photographie.

Die Reihe „I am as I am“ (1999), zu der auch die beschriebene Photographie gehört, besteht aus Bildern junger Mädchen in Varanasi (Benares), die ihr Leben in einem Ashram, einem klosterähnlichen Meditationszentrum, verbringen. Schüchtern in die Kamera lächelnde Mädchen lehnen an den Balustraden der Steinbalkons, hinter denen sich die weite Landschaft öffnet. Die Außenwelt und das hermetisch abgeriegelte Klosterleben scheinen sich an diesen Orten zu begegnen, dennoch bleibt das, was hinter den Balkons sichtbar ist, in surreal-verschwommenes Licht gerückt und wirkt geradezu abwesend. Durch die Photographien begegnen wir den Mädchen aus einer Perspektive von Innen. Dayanita Singh selbst hätte – auf Wunsch ihres Vaters hin – ihre Ausbildung in genau diesem Ashram verbringen sollen. Als erwachsene Frau und Künstlerin stellt diese Bilderserie für sie zugleich eine Reise in ihre eigene, potentielle Vergangenheit dar. Ein Verharren im schwebenden Zustand der Erinnerung.

Der subjektive Blick, der Blick von „innen“, mit dem die Künstlerin ihre Bildwelten aufnimmt, ist eines ihrer unverwechselbaren Charakteristika.
In der Serie „Myself Mona Ahmed“ (1989-2001) begleitet sie über zwölf Jahre hinweg eine befreundete „Hjira“ in ihrem ganz persönlichen Umfeld. Das „dritte Geschlecht“ - weder männlich noch weiblich – nimmt in der indischen Gesellschaft eine ambivalente Stellung zwischen Bewunderung der ihnen zusgeschriebenen übersinnlichen Fähigkeiten einerseits und Angst und Ekel vor ihrer „Geschlechtlosigkeit“ andererseits ein. Auch hier ist es gerade die Position des Dazwischen, des Unbestimmten, was fasziniert und in den Bildern thematisiert wird. Dabei wendet sich die Photographin entschieden von der einseitigen „Elendsphotographie“ ab. Ihr Blick auf Mona deckt sich nicht mit den verbreiteten, meist im Mitleid verhafteten Bildern über „Hjiras“, sondern zeigt als Blick einer Freundin und Vertrauten gerade deren unbekannte, persönliche Seite.

Begleitet wird die Ausstellung zudem von sieben kleinen Fotobänden – „Sent a Letter“ (2008) – die als photographische Reisetagebücher in verschiedenen Städten Indiens entstanden sind. Der leise und geradezu zärtlich-intim anmutende Blick auf menschenleere Räume, alleingelassene Stühle, leere Betten oder Bilderrahmen in Hotelzimmern, die auf den quadratischen Schwarz-Weiß-Photographien zu sehen sind, scheinen das vorherrschende Bild eines Landes, das durch Menschenmassen, Farbexplosionen und seine Lautstärke geprägt ist, zu konterkarieren.
Jedes einzelne der aufklappbaren Bücher wirkt wie ein sorgfältig durchkomponiertes Gedicht, das in seiner leisen Sprache die Spur der Menschen nachzeichnet, ohne diese selbst zu zeigen. Ein Raum zwischen menschlicher An- und Abwesenheit wird aufgemacht, wodurch neue Sichten auf ein mit Eindrücken und Bildern angefülltes Land entstehen.
Dayanita Singh lässt mit ihrem subjektiven Blick ein ungewohntes, anderes Indien vor unseren Augen entstehen zu lassen. Eines, das sich nicht in ein einziges Bild bannen lässt, sondern vielmehr irgendwo im „Dazwischen“ all dieser Facetten zu schweben scheint.

Abbildung: Dayanita Singh: "Jumping Girl", from the portfolio "I Am As I Am", 1999, black-and-white silver gelatin print

Ausstellungsdauer: 20.11.08-3.1.09

Galerie Nature Morte Berlin
Zimmerstraße 90-91
Berlin 10117
Tel: 49-171-422-7711
naturemorte.com

Verena Straub

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Daten zu Dayanita Singh:


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- Art Basel 2016
- artbasel2021
- Biennale of Sydney 2016
- Biennale Venedig 2011
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