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Ausstellungsbesprechung: "/unvermittelt" in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK)

von Verena Straub (19.12.2008)


Ausstellungsbesprechung: "/unvermittelt" in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK)

Die Ausstellungsfläche des NGBK scheint sich derzeit in ein Job-Center verwandelt zu haben. „Unvermittelt“ findet man sich als Besucher in einem langen Korridor wieder, von dem etliche Türen zu kleinen büroähnlichen Räumen führen, die in alphabetisch geordnete Zuständigkeitsbereiche unterteilt sind. Sogar für ein Wartefoyer mit „Publikumsterminal“ ist gesorgt. Dieser Eindruck besteht jedoch nur oberflächlich, denn sobald man hinter die Türen blickt, erschließt sich eine komplett andere Welt: Rund 50 Aktivisten, Künstler und Initiativen wurden von der Arbeitsgruppe „/unvermittelt“ eingeladen, sich mit den Begriffen Arbeit und Tätigsein zu beschäftigen und neue, kreative Denkansätze zu formulieren. Die Ästhetik des Job-Centers - als der Ort wo Arbeit definiert wird - wird als Rahmen benutzt, um unseren herkömmlichen Arbeitsbegriff in Frage zu stellen und umzudefinieren.

Die Ausstellung dokumentiert und präsentiert die Ergebnisse verschiedener Performances, politischer Aktionen, Kampagnen und künstlerischer Interventionen im Berliner Stadtraum, die seit August 2008 zu diesem Thema stattgefunden haben.
Bei der Aktion „Die Straße der Besten“ (K.I.E.Z. À To Go: Christiane Wiegand, Christian Knöll, Melanie Fischbach) wurden rote Plakate - roten Teppichen gleich - auf den Berliner Asphalt geklebt: „Ab 2009 ist das Betreten dieser Straße nur Personen mit einem Jahreseinkommen über 80.000 EUR gestattet.“ Im Gegenzug war auf öffentlichen Mülleimern zu lesen: „Reingreifen nur für Personen mit einem Jahreseinkommen unter 10.000 EUR“. Die gesellschaftliche Absolutstellung des Einkommens sowie die Kluft, die dies zwischen den Menschen erzeugt, wird hier ironisch zugespitzt und in ihrer Fragwürdigkeit thematisiert. Einen eher dokumentarischen Ansatz verfolgt ein Beitrag der Gruppe „Micronomics“, bei dem ehrenamtliche Mitarbeiter von Initiativen wie „Mediaspree versenken“ oder Mitglieder der feministischen Gruppe „Guerilla Girls“ nach ihrer Berufsbezeichnung befragt werden: Ob „Kulturarbeit“, „Eventmanagement“, „Bewegungsarbeit“ oder „Künstler“ - all diese dem Markt entlehnten Bezeichnungen scheinen nur schwer auf deren unentlohnte Tätigkeit zuzutreffen. Wird anhand dieses Beitrags zum einen die Starrheit bestimmter Berufsdefinitionen aufgezeigt, wirft er zum anderen die Frage auf, inwiefern und ob man den Wert einer Arbeit überhaupt anhand des Einkommens beurteilen kann.
„Ich produzier´ am Tag 5kg Sauerstoff.“: „Ist das Arbeit?“ – so wird dieses Problem schließlich auch auf Demo-Schildern der Gruppe “bildwechsel” provokativ auf den Punkt gebracht.

Neben diesen eher offen gehaltenen, fragenden Positionen, zeigt die Ausstellung auch Ansätze, die sich mit ganz konkreten Lösungsvorschlägen auseinandersetzen. So das „Netzwerk Grundeinkommen“, das die Entkoppelung von Arbeit und Einkommen durch ein bedingungsloses Grundgehalt von 1.000EUR für alle propagiert. Bei einem solch klar formulierten politischen Manifest lässt sich die künstlerische Dimension weitgehend ausklammern. Die Infrastruktur des Kunstbetriebs wird hier als Kommunikations-Plattform genutzt, um politische Ideen zu verbreiten. Dies kann man in Frage stellen. Sicher ist jedoch zu betonen, dass die Ausstellung keine Präsentation von großen „Kunstwerken“ intendiert, sondern stets an der Grenze zwischen politischem Aktivismus und künstlerischer Umsetzung verläuft.

Die eigentliche Stärke von „/unvermittelt“ liegt weniger in den einzelnen Beiträgen an sich, sondern vielmehr in deren Gesamtschau. Hinter jeder Tür befindet sich ein anderer Denkansatz, jeder Raum konfrontiert die Besucher mit einem anderen Arbeitsbegriff, der von einem quasi-religiösen Konzept einer „holy work“ (Die Heilige Kirche der letzten Arbeitstage, G-Bliss Productions u.a.) bis hin zu einer völligen Negation der Arbeit im Projekt „Sabotageagentur“/ „Nie mehr arbeiten“ (Yvonne Doderer und Studenten der FH Düsseldorf) reicht.
Gerade aufgrund dieser Vielfalt und Heterogenität wird man als Betrachter aufgefordert, sich selbst in diesem Diskurs zu positionieren und das eigene Verständnis von Arbeit zu befragen. Genaugenommen ist es die Aktivität des Betrachters, von der die Ausstellung lebt und durch die sie weiterentwickelt werden soll: Denn - so suggeriert auch der mitunter selbstironisch gemeinte Titel - ist die Öffnung und Neudefinition eines Arbeitsbegriffes „jenseits von Überarbeitung und Mangel“ immer noch weitgehend „/unvermittelt“.

Abbildung: Der Wunscharbeitsplatz von Roberta Zukunft, 2008, Copyright ngbk

unvermittelt.net

Ausstellungsdauer: 13. Dezember 2008 - 1. Februar 2009
Öffnungszeiten : täglich 12.00–18.30 Uhr, ab Januar 2009: täglich 12.00–19.00 Uhr, Do-Sa bis 20 Uhr

NGBK: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst
Oranienstr. 25, 10999 Berlin

Verena Straub

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