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Die Kritik am Umzug der Alten Meister geht weiter: Offener Brief an Staatsminister Neumann

von chk (04.08.2012)
vorher Abb. Die Kritik am Umzug der Alten Meister geht weiter: Offener Brief an Staatsminister Neumann

Nun kritisieren auch die ehemaligen Generaldirektoren der Staatlichen Museen zu Berlin, Wolf-Dieter Dube und Günter Schade in einem Offenen Brief an Staatsminister Neumann, den Umzug der Alten Meister aus der Gemäldegalerie auf die Museumsinsel.

"Offener Brief

Betrifft: Umwidmung der Gemäldegalerie am Kulturforum

Sehr geehrter Herr Staatsminister,
sehr geehrter Herr Vorsitzender des Stiftungsrates,

wir – d. h. Wolf-Dieter Dube (Generaldirektor der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbe-sitz 1983 – 1991, Generaldirektor der vereinigten Staatlichen Museen zu Berlin 1991 – 1999) und Günter Schade (Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Hauptstadt der DDR 1983 – 1991, stellvertretender Generaldirektor der vereinigten Staatlichen Museen zu Berlin 1991 – 1998) – haben die bisherige Diskussion über die Umwidmung der Gemäldegalerie mit großem Erstaunen und ebensolcher Sorge verfolgt. Insbesondere hat uns die Informationspolitik der Stiftung Preußischer Kulturbesitz etwas irritiert, weil darin die ersten 40 Jahre ihrer Geschichte mit den Überlegungen und faktenschaffenden Beschlüssen zum Kulturforum überhaupt nicht erwähnt werden.

Wir rekapitulieren daher: Die Stiftung nahm 1961 ihre Arbeit nach Errichtung der Berliner Mauer auf und war sich von Anfang an bewusst, dass nur solche planerischen Entscheidungen getroffen werden durften, die in einer „glücklicheren Zukunft“, d. h. nach dem Fall der Mauer, Bestand haben würden. Das galt zunächst für den Ersatz der zerstörten „Museumsinsel II“ zwischen Niederkirchner- und Stresemannstraße zu sorgen, wo sich einst das Völkerkundemuseum, das Kunstgewerbemuseum und später das Volkskundemuseum im Gropius-Bau und die Kunstbibliothek im Prinz-Albrecht-Palais befunden hatten. Im Tausch wurde das Gelände am heutigen Kulturforum erworben, nicht zuletzt wegen der „fußläufigen Entfernung“ zur Museumsinsel. Die inhaltlichen Überlegungen gingen davon aus, dass die traditionelle Struktur der Museumsinsel weitgehend wiederhergestellt werden würde, allerdings mit zwei Ausnahmen: Das Kupferstichkabinett sollte nicht in das Dachgeschoss des Neuen Museums zurückkehren, und das Pergamonmuseum sollte den archäologischen Sammlungen komplett zur Verfügung stehen. Daraus folgten Idee und Beschluss, am Kulturforum ein Zentrum europäischer Kunst zu errichten, das inzwischen für vier Museen realisiert worden ist mit einem Aufwand etwa einer halben Milliarde DM.

Der Konzentration der europäischen Hochkulturen am Kulturforum lag ein wissenschaftlich begründetes Konzept zugrunde, das sich nach der internen Diskussion unter Moderation des Präsidenten der Stiftung als weiterhin tragfähig erwies und von der Direktorenkonferenz der Staatlichen Museen, der Museumskommission der Stiftung und der mit der Überprüfung beauftragten internationalen Expertenkommission bestätigt wurde (1). Insofern ist das Kulturforum auch kein „Schrottplatz unvollendeter Konzepte, museumstechnisch überholt und ideologisch von gestern “und auch kein Produkt des kalten Krieges, „das erfunden wurde, um das Brachland im Umfeld des Reichstages zu beleben“ und man ist auch nicht „dem Plan gefolgt, der vor der deutschen Wiedervereinigung beschlossen worden war“.

Im übrigen gab es nach der Wende keine Alternative, es stand kein anderer Bauplatz für die wiederzuvereinigende Gemäldegalerie zur Verfügung. Günter Schade hatte 1990 vergeblich versucht, den nach der Wende amtierenden Verteidigungs- und Abrüstungsministerminister der DDR zum Verzicht auf das Kasernengelände zu bewegen. Erst viel später, Mitte der 90er Jahre, gelang es dem damaligen Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums, Christoph Stölzl, Bundeskanzler Helmut Kohl zu überzeugen, dem Deutschen Historischen Museum und den Staatlichen Museen das Kasernengelände aus dem Besitz des Bundesfinanzministeriums zu übertragen. Wir hatten uns um diese Immobilie bemüht, um alle Sekundarfunktionen wie Verwaltung, Restaurierung, Werkstätten und Magazine von der Museumsinsel auszulagern, um dadurch in den Museen zusätzliche Ausstellungsflächen zu gewinnen. Die architektonische und kulturgeschichtliche Einheit der Museumsinsel als Weltkulturerbe schien und scheint uns unantastbar.
Natürlich wurde nach dem Fall der Mauer intensiv über die konzeptionellen Folgen diskutiert: Die erste gemeinsame Direktorenkonferenz zur Fragen und Problemen der zukünftigen Struktur der wiederzuvereinigenden Museen fand bereits im Februar 1990 im Bode-Museum statt.
Die Kontroverse entzündete sich damals an der Frage der künftigen Nutzung des Nordflügels des Pergamonmuseums, der bis 1939 als Deutsches Museum Teile der Gemäldegalerie und der Skulpturensammlung beherbergt hatte. Einige Kollegen forderten die Wiederherstellung des alten Zustandes mit der Konsequenz der Rückkehr der Gemäldegalerie und Skulpturensammlung und damit auch die Möglichkeit einer gemischten Aufstellung. Die Mehrheit plädierte jedoch dafür, beide Geschosse des Pergamon-Nordflügels für das Museum Islamischer Kunst zu nutzen. Daher ging es nicht nur um erweiterte Flächen für diese hochbedeutende Sammlung, sondern zugleich um die Integrierung der Mschatta-Palastfassade in ihrer ganzen Länge in die Architektursäle zu einem in der Welt einzigartigen Museum antiker Architektur mit Originalen. Wer wollte heute tadeln, dass die Entscheidung für das Museum Islamischer Kunst fiel (übrigens eine Gründung Wilhelm von Bodes). Das Bode-Museum indessen wurde als Haus für die Skulpturensammlung bestimmt, was sich aus der Struktur der archäologischen Sammlungen, die sich wesentlich auf Skulpturen stützt und der Abteilung frühchristlich-byzantinische Kunst von selbst ergab, und es ermöglichte, der bedeutendsten Skulpturensammlung der „christlichen Epochen“ angemessenen Raum zu schaffen.

Für die Stiftung und besonders für den Stiftungsrat war es wichtig, dass die bis dahin am Kulturforum bereits für Planungen und Baumaßnahmen ausgegebenen Finanzmittel in dreistelliger Millionenhöhe nicht verloren waren. Die Genehmigung des Neubaus für die Gemäldegalerie wurde daher auch an die Bedingung geknüpft, den Bauteil für Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek unverändert nach den alten Plänen Gutbrods zu errichten.

Von der Stiftung wird heute suggeriert, dass nur durch den Umbau der Gemäldegalerie zu einem Museum des 20. Jahrhunderts eine angemessene Bleibe für die Kunst der vergange-nen 100 Jahre entstehen wird. Das impliziert den Vorwurf, es habe Versäumnisse gegeben, man habe die Moderne vernachlässigt. Der Vorwurf ist unberechtigt, im Gegenteil, die Stif-tung hält seit über 30 Jahren direkt an die Neue Nationalgalerie anschließend ein unbebautes Grundstück mit 5.000 m² für die Erweiterung der Nationalgalerie vor. Das Grundstück steht hälftig im Eigentum der Stiftung und des Senats. Seit vielen Jahren liegen dafür Architekturstudien vor, selbst die Bundesbauverwaltung hat solche in Auftrag gegeben. Die Realisierung scheiterte immer wieder am Fehlen der Baumittel. Wenn man wollte, so könnte man hier alle Bedürfnisse der Neuen Nationalgalerie für maximal 30 Mio. Euro in kurzer Zeit befriedigen.

Was hat sich in den letzten 12 Jahren und nun aktuell verändert? Man hat die Zweckbestimmung des ehemaligen Kasernengeländes zugunsten eines Museumsbaus verändert. Aber zu welchem Preis? Man zerstört eine ideale Gemäldegalerie (Zitat Horst Bredekamp: „Großartig, wie man sich hier in tiefer Kontemplation vor die Werke begeben kann.“), die mit einem Aufwand von DM 300 Mio. errichtet wurde, und man zerstört die Präsentation einer unvergleichlichen Skulpturensammlung im Bodemuseum. Vor allem aber zerstört man das übergreifende kunsthistorische Konzept der Museen am Kulturforum und negiert die Bedeutung von Kunstgewerbemuseum, Kupferstichkabinett und Kunstbibliothek, die mit ih-ren Sammlungen auch ein umfangreiches, vielfältiges Museum darstellt.

Und was gewinnt man? Ein Zentrum des 20. Jahrhunderts, das nur nach dem Anspruch aber kaum in der Realität existieren wird. Die Sammlung ist leider nicht mit dem Museum of Modern Art in New York zu vergleichen, wie die Vorsitzende des Kulturausschusses des Bundestages vermutet. Die Sammlung kann leider nicht einmal zu den führenden in Deutschland gezählt werden. Und man gewinnt einen Neubau für wenigstens 200 Mio. €, wenn man den Standard der Gemäldegalerie als Maßstab nimmt.

Soweit man bisher erfahren konnte, soll das Bodemuseum architektonisch und konzeptio-nell als Vorbild dienen. Das heißt, man will offenbar ähnliche Raumproportionen bauen und die Geschosse unten mit Seitenlicht und oben mit Oberlichtfenstern versehen. Schon Wil-helm von Bode war damit unzufrieden und beschuldigte den Architekten des Betrugs. Nichts hat sich seither in den Grundbedingungen verändert: Gemälde benötigen reflexfreies, diffuses Licht von oben, Skulpturen brauchen gerichtetes Seitenlicht, da die Schatten in den Oberflächen sichtbar werden müssen. Beides ist zugleich in einem Raum nicht zu haben, wie auch das Bodemuseum zeigt, was bedeutet, dass es optimale Bedingungen nicht geben kann. Die Stiftung verweist als Lösung dieses Grundproblems gerne auf die Wechselausstel-lung „Italienische Renaissance-Porträts“ im Bodemuseum. Diese kann aber als Black-Box Installation mit Spotlights gewiss nicht als Vorbild für eine permanente Aufstellung dienen.
Der konzeptionelle Bezug auf Wilhelm von Bode scheint überwiegend deklamatorisch, denn gewollt ist offenbar weiterhin eine historische und kunsthistorische Systematik, während Bode eine ästhetische erstrebte, um “eine malerische Anordnung der Räume zu verwirklichen“.
Hilfreich wäre da sicher ein Blick auf die Realisierung der angeblich international so erfolgreichen Bodeschen Konzeption in anderen Museen. Bemerkenswerter Weise gibt es aber solche nicht.

Im übrigen muss man sich wundern, dass zur Vorbereitung der Präsentation der ethnologischen Sammlungen im zukünftigen Humboldt-Forum internationale Konferenzen abgehal-ten werden und für Millionen Euro Probeinstallationen in Vorbereitung sind, während für das kunsthistorisch ebenfalls sehr ambivalente Problem der gemeinsamen Präsentation von Gemälden und Skulpturen eine solche fachliche und wissenschaftliche Überprüfung - auch im internationalen Rahmen – nicht in Erwägung gezogen wird.

Eine solche Diskussion muss aber nach unserer Auffassung unbedingt geführt werden, bevor ein so entscheidender Paradigmenwechsel, wie geplant, am Kulturforum vollzogen wird.

Mit freundlichen Grüßen
Wolf-Dieter Dube / Günter Schade


(1) Den Kommissionen gehörten unter anderem so bedeutende Kunstwissenschaftler und Museumsdirektoren an wie: Philippe de Montebello, Direktor des Metropolitan Museum of Art, Michel Laclotte, Generaldirektor des Musée du Louvre, Hermann Fillitz, Prof. für Kunstgeschichte der Universität Wien und 1. Direktor des Kunsthistorischen Museums Wien, Henk van Os, Generaldirektor des Rijksmuseums Amsterdam, Johann Georg Prinz von Hohenzollern, Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums, Helmut Kyrieleis, Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts Berlin, Hugo Borger, Generaldirek-tor der Museen der Stadt Köln, Werner Schmidt, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden."

Unseren Kommentar zu der Debatte lesen Sie hier: art-in-berlin.de

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Die Kritik am Umzug der Alten Meister geht weiter: Offener Brief an Staatsminister Neumann
Nun kritisieren auch die ehemaligen Generaldirektoren der Staatlichen Museen zu Berlin, Wolf-Dieter Dube und Günter Schade das Vorhaben, die Alten Meister aus der Gemäldegalerie auf die Museumsinsel zu verlegen.

Offener Brief des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker e.V. zur Umnutzung der Berliner Gemäldegalerie
Der Vorstand des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker e.V. hat den nachfolgenden offenen Brief an den Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann gerichtet, um gegen die geplante Zusammenlegung der Berliner Gemäldegalerie und Skulpturensammlung zu protestieren.

Presse: Wir schaffen hier eine Idealsituation Udo Kittelmann | Welt Online (5.7.2012)

Presse: Was die Museen auf der Insel wollen Bernd Wolfgang Lindemann | Tagesspiegel (5.7.2012)

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