Im Rahmen dieses Tages bieten viele Berliner Moscheen Führungen, Vorträge, Ausstellungen, Folklore, Informationsmaterialien und Begegnungsmöglichkeiten an.
R.B. Kitaj, Marrano (The Secret Jew), 1976, © R.B. Kitaj Estate. Collection of Michael Moritz & Harriet Heyman
Eigentlich begreift sich das Jüdische Museum Berlin als ein historisches Museum. Themengebundene Ausstellungen überwiegen, Kunstausstellungen sind selten und eine künstlerische Einzelpräsentationen wie die aktuelle zu dem Werk von R.B. Kitaj gab es bisher noch nie. Insofern handelt es sich um eine Besonderheit, die nicht nur darauf beruht, dass der amerikanische Maler Jude ist, sondern vielmehr dass hier ein Künstler gezeigt wird, der zeitlebens versuchte eine explizit jüdische Kunst zu begründen und sich am Prinzip der Diaspora als jüdischer Erfahrung orientierte.
R.B. Kitaj wurde 1932 in Chagrin Falls bei Cleveland, Ohio geboren. Er starb 2007 in Westwood, Los Angeles. Seine künstlerische Ausbildung absolvierte er in New York, Oxford, London sowie an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Neben zahlreichen Einzelausstellungen hatte Kitaj große Retrospektiven im Hirshhorn Museum in Washington, in der Kunsthalle Düsseldorf, der Tate Gallery in London, der Reina Sofia in Madrid, im Jüdischen Museum in Wien oder im Sprengel Museum in Hannover.
Zu seinen Freunden gehörten ab den 1960er Jahren u.a. Maler wie David Hockney oder Lucian Freud, die wie er zu den Wegbereitern einer figurativen Malerei der Gegenwart zählen. Dennoch findet sich Kitaj heute in der Kunstgeschichtsschreibung unter den Einzelgängern des 20. Jahrhunderts wieder. Einer der Gründe dafür liegt sicher in der stilistischen Vielfalt und in dem stark autobiografisch geprägten Werk, das zwar immer wieder wichtige Fragen der Zeitgeschichte verhandelt, aber eben auch egozentrisch die Verfasstheit des Künstlers verarbeitet.
Seine figürliche Malerei steckt häufig voller kunsthistorischer Zitate, die inhaltlich wie formal von der Renaissance bis in Kitajs Gegenwart reichen. So bspw. in dem Bild „Notre Dame de Paris“ (1984/86), das Pariser Eindrücke in einem Traumbild fragmentarisch verwebt und dabei Spuren von Fra Angelico und Henri Matisse erkennen lässt. In anderen Arbeiten finden sich formale Anklänge an Francis Bacon oder die Surrealisten wieder. Ähnlich ist die Vielfalt der Motive, die sich in verschiedenen Themenkomplexen zusammenfassen lässt: das Verhältnis zu intellektuellen Kreisen oder Freunden, die Kitaj als „Seelenverwandte“ portraitiert; jüdische Identitätsfragen, die Juden u.a. als Außenseiter, Dissidenten, Maskierte oder Reisende thematisieren
sowie Reflektionen über Politik und Geschichte. Ein besonderer Komplex bildet außerdem die herausgehobene Auseinandersetzung mit Frauen in Kitajs Werk: mal erotisch sexuell unterlegt, mal politisch motiviert.
In der Ausstellung eröffnete sich das Kaleidoskop des Werks in zehn Räumen, in denen die rund 130 Bilder, Druckgrafiken und Zeichnungen verschiedenen Kapiteln zugeordnet sind. So stößt man in dem Raum „Eine fragmentierte Welt“ auf wichtige Inspirationsquellen des Künstler, wie bspw. Aby Warburg. Unter „Entstellte Körper“ sind Bilder von Badenden und nackten Figuren als politisches Statement versammelt. Zwei Räume der Ausstellung, "Der verborgene und der öffentliche Jude" und "Obsessionen", sind Kitajs Auseinandersetzung mit dem eignen ´Jüdischsein` gewidmet. Bis hin zu dem Raum „Die Bibliothek als Heimat in der Diaspora“, in der Kitajs große Leidenschaft fürs Büchersammeln anhand von Dokumenten gezeigt wird.
Etwas befremdlich wirkt Kitajs Bedürfnis, seine Bilder zu kommentieren bzw. zu erklären. So erhält der Ausstellungsbesucher nicht nur einen kleinen Guide in die Hand, der zu jedem Bild eine Erklärung beinhaltet. Gleichzeitig bekommt man auch noch ein Audioguide mit entsprechenden Kommentaren des Künstlers.
Dennoch bleiben manche von R.B. Kitajs Bildern Bilderrätsel und verweisen auf eine visuelle und intellektuelle Grammatik, die sich trotz kontextbezogener Erklärungen nicht unbedingt erschließt.
Wie heißt es so schön in einem Kitaj Zitat: „Man bekommt, was man erwartet, nicht, was man sieht.“ Und vielleicht auch nicht das, was man hört.
Ausstellungsdauer: 21. September 2012 bis 27. Januar 2013
Stiftung Jüdisches Museum Berlin
Lindenstr. 9-14, 10969 Berlin
jmberlin.de
Titel zum Thema R.B. Kitaj:
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People: Das Jüdische Museum Berlin begrüßte letzten Sonntag den Maler David Hockney zur R.B. Kitaj Retrospektive.
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