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Experimente, Visionen, Utopien. Werner Aisslinger über das Wohnen von morgen

von Inka Humann (21.04.2013)
vorher Abb.  Experimente, Visionen, Utopien. Werner Aisslinger über das Wohnen von morgen

Werner Aisslinger, Upcycling & Tuning, 2013, Courtesy: studio aisslinger, Foto: Daniele Manduzio, Mirjam Fruscella

Die historische Fassade des Hauses am Waldsee sowie ein davor parkendes Auto erstrahlen in neuem Kleid. Sie sind für die Dauer der Ausstellung „Home of the Future“ mit einem bunt leuchtenden Patchwork-Wollstoff überzogen - ein erstes, unübersehbares Statement des deutschen Designers Werner Aisslinger gegenüber der heutigen Wegwerfkultur. Upcycling, Tuning und Materialtransfer sind Begriffe, die der in Berlin lebende Künstler in den Fokus seiner Arbeit stellt. So wird ein altes Auto ästhetisch neu verpackt, sprich „aufgemöbelt“, anstatt es einfach durch ein neues zu ersetzen. Denn das Weiterverwenden und Optimieren von alten Dingen ist stets die ökologischste Variante.

Im musealen Kontext kann Aisslinger frei von jeglichem Verwertungszwang seine Visionen frei entfalten. Die Ausstellung, die aktuell im Haus am Waldsee zu sehen ist, verteilt sich auf zwei Stockwerke. Während im Erdgeschoss zum Teil speziell für die Ausstellung entwickelte Rauminstallationen präsentiert werden, zeigt die Schau im Obergeschoss fertige Designobjekte. Neben laborartigen Anordnungen und Entwurfsfantasien über das Wohnen von morgen finden sich Rückzugsorte und Ausruhsituationen, in denen der Designer in der heutigen Zeit der Digitalisierung den Blick auf die analoge Welt richtet.

Beim Eintritt ins Haus wird deutlich, dass Aisslinger in seinem „Home of the Future“ keine luxuriösen Wohnausstattungen oder futuristischen Designauswüchse präsentiert, wie er es selbst nennt und wie es die Visionen der 60er Jahre bereit hielten. Den Ausgangspunkt der Ausstellung bildet der Blick zurück in die Vergangenheit. Eine wilde Fototapete mit Motiven und Stilikonen der 60er und 70er Jahre präsentiert eine Zeit der Euphorie, in der, laut Aisslinger, alles schon mal gedacht und entworfen wurde. Doch Umweltbewusstsein und die Energiekriese ließen umdenken. So geht es Aisslinger besonders um den Aspekt der Nachhaltigkeit und den Entwurf neuer Lebenskonzepte. Bereits in der ausgestellten Chair-Farm zeigt sich der visionäre Charakter des Designers. ‚Plant your own chair!‘ heißt es. Dahinter steht die Idee, Pflanzen in ein Metallgerüst in Form eines Stuhls hineinwachsen zu lassen, um am Ende einen fertigen, völlig „natürlichen“ Stuhl zu ernten. Aisslingers Vision der nachwachsenden Möbel geht allerdings noch weiter. Das Ideal wären genmutierte Pflanzen, deren DNA bereits die Informationen darüber enthalten, wie sie zu einem Stuhl wachsen. Der Einkauf von Stuhl-, Tisch- oder anderen Möbelsamen würde damit Wirklichkeit werden.

Im anschließenden Raum offenbart sich die Zukunft der Küche. Auch hier geht es nicht um luxuriöse Ausstattung. Vielmehr wird die Küche zu einem Ort der Nahrungsmittelproduktion. In einer laborartigen Anordnung verbindet er Fisch- und Gemüsezucht, sodass ein geschlossener Kreislauf entsteht und der zukünftige Koch gleichzeitig Produzent seiner eigenen Lebensmittel sein kann.

Innovativ ist ebenso Aisslingers Bad-Vision. Im Gegensatz zu der üblichen gefliesten, auf „hartem“ Material basierenden Badästhetik präsentiert er ein textiles Bad mit weicher Haptik. Er bricht Konventionen und stellt ihnen ein Bad mit textilem Waschbecken und textiler Badewanne entgegen. Auch hier findet man wieder eine experimentelle Anordnung. Spezielle Nebelfängerstoffe, deren Eigenschaften den Nebelkäfern in der Wüste abgeguckt wurden, können den beim Duschen oder Baden entstehenden Dampf aufnehmen und an Pflanzen weitergeben.

Aisslingers Beschäftigung mit Themen der Nachhaltigkeit und Ökologie setzt sich im oberen Teil der Ausstellung fort. Ein Regal aus Büchern, dem Material, das es auch gleichzeitig aufnimmt, demonstriert eine Art des Recyclings und der gleichzeitigen Individualisierung. Die Hauptressource ist das gelesene Buch im eigenen Haushalt. Aisslinger legt hier, wie auch generell in seiner Arbeit, großen Wert auf den lokalen Faktor.

So arbeitet der Designer immer wieder eng mit lokalen Firmen zusammen, um Produktionsprozesse zu entwickeln und neue Produkte zu realisieren. Sein Ziel ist es, neue Wege zu öffnen. Dabei muss nicht zwangsläufig ein später seriell hergestelltes Produkt entstehen, wenn dies auch oftmals der Fall ist. So auch bei den präsentierten Stuhlexemplaren, die sein immer wiederkehrendes Thema des Materialtransfers verdeutlichen. Aisslinger war der erste, der mit einem neu entwickelten Produktionsverfahren einen Stuhl aus Polyurethan herstellte, einem weichen Schaumstoff, der üblicherweise in Autolenkrädern Verwendung findet: der Juli Chair. Der erste Stuhl eines deutschen Designers, der zudem in die Sammlung des MoMA aufgenommen wurde. Ein weiterer Stuhl, der in Zusammenarbeit mit der Firma BASF entstanden ist, dürfte bereits von den Ausstellungsplakaten bekannt sein: der Hemp Chair ist ein stapelbarer Monoblock-Sessel aus Naturfasern, einem ökologischen Material, so stabil wie Fiberglas. Auch dieses Material transferierte Aisslinger aus der Automobilindustrie in seine Designmöbel.

Den Abschluss der Ausstellung bildet der Loftcube im Skulpturgarten des Hauses. Ein lichtdurchfluteter Wohnwürfel von 39qm bietet für ein oder zwei Personen alles, was man zum Leben braucht: offene Küche, Bad, Schlaf- und Sitzmöglichkeiten. Die Idee dahinter war es, einen temporären Wohnraum zu schaffen, der mit dem Hubschrauber transportierbar ist. Man könnte einfach als Großstadtnomade von einem Dach zum nächsten ziehen oder auch mal in Parkanlagen nächtigen. Doch der Gedanke der Besiedelung von Großstadtdächern, sozusagen „Camping auf dem Dach“, ist in unserer Gegenwart noch nicht zu realisieren, aber für die Zukunft definitiv denkbar.
Es sind Experimente, Visionen und Utopien über das Wohnen von morgen, die Aisslinger in der derzeitigen Ausstellung im Haus am Waldsee präsentiert. Bei einigen von ihnen ist die Umsetzung bereits Realität. Aisslingers Fokus richtet sich auf die Wieder- und Weiterverwertung, sowie die Optimierung von Materialien und Objekten. Er verbindet Nachhaltigkeit und Ökologie mit komfortablem und ästhetischem Design. Denn wer hätte als Großstadtbürger nicht gerne mal diesen herrlichen Blick aus dem Loftcube über die ganze Stadt oder würde es reizvoll finden, im eigenen Garten Möbel zu züchten. Unter diesem Blickwinkel bleibt das Wohnen von morgen ein phantasievoller Denkprozess.

Werner Aisslinger – Home of the Future

Ausstellungsdauer: 21.04. – 09.06.2013
Öffnungszeiten: Di – So 11-18 Uhr
Haus am Waldsee
Argentinische Allee 30, 14163 Berlin
hausamwaldsee.de

Inka Humann

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Daten zu Werner Aisslinger:


- MoMA Collection


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Experimente, Visionen, Utopien. Werner Aisslinger über das Wohnen von morgen
Die Fassade des Hauses am Waldsee sowie ein davor parkendes Auto erstrahlen in neuem Kleid.

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