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Berlin Daily 29.03.2024
CARDIAC; the heart is a muscle

19 Uhr: eine Performance, konzipiert und präsentiert von Katrina E. Bastian. Uferstudios_Studio 1 | Uferstr. 8/23 | 13357 Berlin

REPARATUR. 5 AKTE – Kader Attia in den KW Berlin

von Rebecca Freiwald (29.05.2013)
vorher Abb. REPARATUR. 5 AKTE – Kader Attia in den KW Berlin

Installationsansicht / Installation view, Akt 4: Natur / Act 4: Nature, MIMESIS AS RESISTANCE (Mimesis als Widerstand), Ton, Video, 9:33 min / Sound, Video, 9:33 min, Courtesy: the artist, Galerie Nagel, Foto / Photo: Uwe Walter

Ein kleiner brauner Vogel mit gestreiften nach oben gebogenen Schwanzfedern – das meiste was er singt, ist geklaut. Der australische Prachtleierschwanz ist wie kein anderer Vogel auf der Welt in der Lage, Töne seiner Umwelt perfekt zu imitieren. Um die Gunst eines weiblichen Artgenossen zu erhalten, mischt er sein Klangrepertoire mit exakten Kopien zahlreicher anderer Vogelstimmen. Das Vordringen des Menschen in seinen Lebensraum stellte den Vogel vor neue akustische Herausforderungen, die er aber, wie die Videoinstallation „Mimesis as Resistance“ von Kader Attia (geb. 1970 in Paris, lebt in Berlin und Algerien) zeigt, spielend meistert. So vernimmt man plötzlich das täuschend echt klingende Klicken eines Fotoapparates oder das Geräusch einer Kettensäge in seinem Gesang.
Attias Videoinstallation, die auf einen Ausschnitt aus einer BBC-Dokumentation zurückgreift, stellt einen Höhepunkt im 4. Akt „Natur“ der Ausstellung „REPARATUR. 5 AKTE“ dar, die seit dem 25. Mai 2013 in den Kunstwerken zu sehen ist. Der Künstler widmet dem Vogel einen großflächigen abgedunkelten Raum, den das Tier durch sein lautes Organ gänzlich zu füllen vermag. Der Leierschwanz ist wohl das einzige Tier, das in seinen Gesang die Geräusche der Zerstörung seiner Umwelt integriert. Das, was Attia an dem gefiederten Klangkünstler fasziniert, ist die ironische Art und Weise, mit der die Natur durch eine Kopie der „Kultur“ auf dieses menschliche Fehlverhalten aufmerksam macht. Nach Attia handele es sich dabei „um einen metaphysischen Prozess der Reparatur“. Ausgehend von der Evolutionslehre Darwins, führt er Ursprung und Fortbestand allen Lebens auf Prozesse endloser Reparaturen zurück.

Installationsansicht / Installation view, Akt 2: Politik / Act 2: Politics, THE REPAIR´S COSMOGONY (Die Weltentstehungslehre der Reparatur), Metallregale, Teakholzskulpturen aus Dakar, weiße Marmorskulpturen aus Carrara, Archivmaterial, Fotografien / Metal shelves, Teak wood sculptures (Dakar), white marble sculptures (Carrara), archival documents and photographs, Courtesy: the artist, Galerie Nagel, Foto / Photo: Uwe Walter

Um Wiederherstellungsprozesse geht es auch in der Arbeit “The Repair´s Cosmogony“, die zum 2. Akt „Politik“ gehört. Ausgangspunkt ist ein Fotoarchiv an den Wänden des Ausstellungsraums, das Fotografien entstellter Soldatengesichter aus dem ersten Weltkrieg und Abbildungen Angehöriger verschiedener afrikanischer Stämme gegenüberstellt. Letztere könnten nach westlichen Maßstäben ebenfalls als deformiert bezeichnet werden. Tellergroße Lippen oder Umformungen des Stirnbereichs versinnbildlichen jedoch das Schönheitsideal der jeweiligen afrikanischen Stämme. Attia wandelte die Porträts dieses „toten“ Archivs in einen lebendigen Raum „reparierter“ Gesichter um. Er beauftragte Bildhauer, auf Grundlage der Fotos, lebensgroße, teils überlebensgroße Portraitplastiken anzufertigen. Doch faszinieren diese Werke nicht wegen ihrer ungeschönten Realitätsnähe zu den Fotos, sondern auch aufgrund des kulturellen Transfers, den die Herstellungsweise evoziert. So ließ Attia die Büsten der entstellten europäischen Soldaten von Kunsthandwerkern aus dem Senegal aus Teakholz anfertigen, während die Marmorplasitiken der afrikanischen Stammesmitglieder von italienischen Steinmetzen in Carrara hergestellt wurden. Die gröberen, aber dennoch auf ihre eigene Weise, ästhetisch gearbeiteten Holzskulpturen machen im Vergleich zu den feineren Marmorarbeiten, kulturelle Unterschiede beim Umgang mit Schönheit und Versehrtheit sichtbar und spürbar. Besonders eindringlich vermittelt dies die Marmorskulptur einer afrikanischen Mutter, die ihr am Hinterkopf verformtes Kind auf dem Schoß hält: Trotz ihrer eindeutig nicht europäischen Erscheinung erinnert die Skulpturengruppe ikonografisch an europäische Madonna mit Kind-Darstellungen.

Installationsansicht / Installation view, Akt 3: Wissenschaft / Act 3: Science, REPAIR ANALYSIS (Reparatur-Analyse), Reparierte Spiegel, Lithografien, Holzmaske / Repaired mirrors, lithographs, wooden mask, Maße variabel / Dimensions variable, Courtesy: the artist, Galerie Nagel Draxler, Galleria Continua, Galerie Krinzinger, Foto / Photo: Uwe Walter

Eine Arbeit des 3. Aktes „Wissenschaft“ beschäftigt sich mit anatomischen Wiederherstellungsprozessen. Attia stellt in seiner „Repair Analysis“ ausgewählte Lithografien eines anatomischen Bildatlasses des Illustrators Nicolas Henry Jacob gebrochenen und anschließend mit Draht „genähten“ Spiegeln gegenüber. In einem Glaskasten befindet sich zudem eine im gleichen Stil reparierte Lega-Maske, die der Bwami-Gesellschaft im Kongo als Initiationsobjekt dient. Die drastisch gezeichneten Schwarz-Weiß-Abbildungen des Bildatlasses aus dem 19. Jahrhundert – einem Standardwerk für medizinische Operationstechniken – veranschaulichen mit anatomischer Präzision, unterschiedliche Eingriffe der plastischen Chirurgie, insbesondere im Gesichtsbereich. Die chirurgische Klammertechnik zur Wiederherstellung menschlicher Hautpartien, setzt der Künstler in direkten Bezug zu seinen Spiegelarbeiten, deren Nähtechnik eher der afrikanischen Reparaturweise entspricht. Im Gegensatz zur chirurgischen Praxis versucht die afrikanische Klammerweise gar nicht erst, die Bruchstellen unsichtbar zu machen, sondern bindet sie bewusst in die neue reparierte Gestalt mit ein. Ein Blick in die auf Kopfhöhe gehängten, mit Drahtnähten durchzogenen Spiegel ruft schnell die Verwundbarkeit des eigenen Körpers ins Bewußtsein.

Kader Attias komplexes Konzept der „Reparatur“, ein Begriff unter dem er Prozesse der Wiederherstellung und der Wiederaneignung subsumiert, wendet der französisch-algerische Künstler auf die Bereiche Kultur, Politik, Wissenschaft, Natur und Kontinuität an. Entsprechend dieser Themenkomplexe, entwickelte er eine eigens auf die Räume des KWs zugeschnittene Installation in fünf Akten - ein Aufbau, der Assoziationen an die formale Struktur des klassischen Dramas oder der Oper weckt. Immer wieder überträgt der Künstler, dessen Leben von kulturellen Gegensätzen zwischen westlichen und afrikanischen Vorstellungen geprägt ist, diese auch auf seine Kunst. Den Grundstein für das Ausstellungskonzept legte Attia bereits mit seiner Arbeit für die dOKUMENTA (13), in der er ebenfalls kulturpolitische Dualismen auf sinnlich analytische Weise in seine künstlerische Praxis einbettete.

Die Ausstellung ist noch bis zum 25.08.2013 in den Kunstwerken zu sehen:

Kader Attia REPERATUR. 5 AKTE KW Institute for Contemporary Art Auguststr. 69 D-10117 Berlin
Öffnungszeiten: Mi - Mo: 12-19h, Do 12-21h, Di geschlossen
Eintritt: 6 Euro, ermäßigt 4 Euro kw-berlin.de

Rebecca Freiwald

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