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Von einem Ausflug nach Kassel: Speculations on Anonymous Materials

von ct (22.02.2014)
vorher Abb. Von einem Ausflug nach Kassel: Speculations on Anonymous Materials

Trisha Baga & Jessie Stead, Gratis?, 2013, 3D-Videoinstallation, 7-Kanal-Soundinstallation auf MusicRocker gaming chairs, 3D-Brillen, Tempera auf Wand, Pappkarton, Schaumstoff, Glasflaschen, Plastikflaschen, diverse Objekte, Videos: 25´00´´ / 10´00´´ / 5´00´´

Dass das Digitale das Erkennen bzw. Geistiges vielleicht errechnen kann bzw. zumindest gravierend verändert, findet seit geraumer Zeit auch in künstlerischen Strategien seinen Ausdruck. Susanne Pfeffer, der neuen Leiterin des Friedericianums in Kassel, ist es zu verdanken, dass diese Strömungen auch in Deutschland zur Kenntnis genommen werden. Während bei der Berliner Art Week 2013 auf der völlig abstrusen, unzeitgemäßen These "Painting Forever" beharrt wurde, zeigen die Künstler in der Ausstellung "Speculations on Anonymous Materials", welche Themen aktuell in der bildenden Kunst zu verhandeln sind. Die Orte der Reflektion entstehen durch Transformation von existierenden Bildern, Objekten und Räumen, sie selbst sind meist daten- bzw. rechnergestützt, erkunden Möglichkeiten und Grenzen, Vor- und Nachteile nicht-menschlicher Produktion unter dem Gesichtspunkt aktueller technischer Entwicklung. Auf drei Geschosse verteilt zeigt die Ausstellung rund 25 künstlerische Positionen, die wie es in der Ausstellungseinleitung heißt "… die Anonymen Materialien des rasanten und eingreifenden technologischen Wandels neu denken lassen". Neben Skulptur, Malerei und Installation überzeugen vor allem die Videoarbeiten.

So empfangen den Besucher im Erdgeschoss des Fridericianums Trisha Baga / Jessie Stead mit ihrer multimedialen 3-D-Installation, in der neben der 3-Kanal-Videoprojektion Alltagsgegenstände eingebunden sind. Der Besucher kann sich in die im Raum verteilten Autositze setzen und mit Hilfe einer 3-D-Brille die Videos ansehen. Durch den 3-D-Effekt scheint er automatisch in das Videogeschehen eingebunden. Eigens produzierte Filmsequenzen sowie vorgefundenes Material aus dem Internet von Gegenständen über Atelieraufnahmen bis hin zu Konzertmitschnitten sowie ein undefinierbarer Geräuschpegel überlagern sich in der Wahrnehmung. Wer eine Geschichte sucht, sucht vergebens. Je länger man sich auf das Geschehen einlässt, um so klarer wird, dass es hier um Verknüpfungspunkte verschiedener Wahrnehmungsebenen geht. Leerstellen, nicht-lineare Strukturen, körperliches Empfinden ersetzen Bekanntes und Vorhersehbares, um Platz für Neues zu schaffen. "Was wir erfahren, ist nur ein Bruchteil dessen, was wir bewusst wahrnehmen und andersherum", sagt Trisha Baga.

Ed Atkins, Warm, Warm, Warm Spring Mouths, 2013, HD-Video mit 5.1 Surround Sound, 12´50´´, Installationsansicht Fridericianum, © Foto: Achim Hatzius, Courtesy Ed Atkins, Cabinet Gallery, London und Isabella Bortolozzi Galerie, Berlin, Commissioned by Jerwood Visual Arts & Film and Video Umbrella for the Jerwood/Film and Video, Umbrella Awards, with support from Arts Council England.

Ed Atkins konzentriert sich hingegen in seiner High-Definition-Videoarbeit, wie schon in Lyon, auf Fragen nach Materiellem und Immateriellem, nach dem menschlichen Körper, nach Realitäten und deren Darstellbarkeit. "Warm, Warm, Warm Spring Mouths" - so der Titel der Arbeit - thematisiert die Existenz in einer von neuen Technologien bestimmten Welt. Ein Leben in einer kühlen, technologisierten Welt führt auch der amerikanische Künstler und Filmemacher Ryan Trecartin vor. Bunte und schillernd kostümierte Figuren präsentieren sich wortreich und aufgeregt, ausgelassen in einem partyähnlichen Ambiente. Dennoch scheint die Atmosphäre fast leblos. Neben den hektischen Bildern stürzt ein Stimmenwirrwarr auf den Betrachter ein. Erst allmählich wird klar, dass es die Figuren nicht miteinander kommunizieren, sondern ohne Bezug zum Gegenüber bleiben.

Simon Denny, Chronic Fatigue Syndrome Documentary Restoration, 2011 (Detail), Timeline: Digitaldrucke auf Leinwand, Öl auf Leinwand, Plastiktüten, Bücher, DVDs, CDs, Magazine, Bekleidung, Laminat, 3D-LED-Backlight Fernseher, Plexiglas, Metallgeländer, 103 x 766 cm, Installationsansicht Fridericianum, © Foto: Achim Hatzius, Courtesy Simon Denny, T293 Neapel/Rom und Galerie Buchholz, Berlin/Köln

Während viele Videos in der Ausstellung den Einfluss des Digitalen auf die Lebenswelt untersuchen, beschäftigen sich andere Künstler in ihren Installationen, Bildern und Skulpturen mit verschiedenen Produktionsverfahren und den dadurch evozierten Identitätskonstruktionen. Jenseits von Identitätssuche und Ichbezogenheit betrachtet der Neuseeländer Simon Denny in seiner Installation "Chronic Fatigue Syndrome Documentary Restoration" ein Phänomen aus der Medizin- bzw. Wissenschaftsgeschichte, dass sich dem Chronischen Ermüdungssydrom (CFSME) widmet. Anhand von Zeitungsartikeln aus entsprechenden Fachmagazinen auf Split-Screendrucke ausgestellt, veranschaulicht er die technologische Entwicklung, die mit der eigentlichen medizinischen Entdeckung (ein bestimmter Virus sollte für die Krankheit die Ursache sein) einhergeht. Während Denny in seiner Berliner Installation für den Preis der Nationalgalerie 2013 enttäuschte, regt bei dieser Arbeit die Darstellung des komplexen Zusammenspiels von medialer Organisation und - in diesem Fall - medizinischem Wirkungsmechanismus zum Weiterdenken an.

Die Künstler in der Ausstellung "Speculations on Anonymous Materials" sind keine Unbekannten, je eine Handvoll waren auf der online Biennale, der Lyon Biennale vertreten oder auf den Messen Frieze in London und der ArtBaselMiamiBeach zu sehen. Einige sind in Sammlungen vertreten wie der JULIA STOSCHEK FOUNDATION E.V. auch in Venedig konnte man z.B. Kerstin Brätsch bereits 2011 auf der Biennale sehen.

Punktuell sind die Kunstvereine in Bonn, Köln, Münster, Braunschweig und Bielefeld hervorzuheben, die Ed Atkins, Kerstin Brätsch, Timur Si-Qin, Pamela Rosenkranz und James Richards bereits präsentierten.

Im Peking ist übrigens demnächst eine Ausstellung zu sehen "Art Post Internet", wobei der Titel einer Erklärung bedarf: Die Zeit nach dem Internet meint die Zeit in dem Internet.

Künstlerliste: Michele Abeles, Ed Atkins, Trisha Baga & Jessie Stead, Alisa Baremboym, Kerstin Brätsch & Debo Eilers, Antoine Catala, Simon Denny, Aleksandra Domanović, GCC, Yngve Holen, Sachin Kaeley, Daniel Keller, Josh Kline, Oliver Laric, Tobias Madison, Katja Novitskova, Ken Okiishi, Jon Rafman, James Richards, Pamela Rosenkranz, Avery Singer, Timur Si-Qin, Ryan Trecartin

Öffnungszeiten: Di – So 11 – 19 Uhr / Do 11 – 20 Uhr

Fridericianum
Friedrichsplatz 18
34117 Kassel
T +49 561 707 27 20
fridericianum.org

ct

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